Okay, wer "Mr. Thomas Smith" gelesen und wem die Story gefallen hat, der sollte "Reinkarnation" auf keinen Fall verpassen! Es handelt sich hierbei wieder um eine Story der etwas anderen Art und ich denke, man kann sie durchaus als ungewöhnlich einstufen. Diese Geschichte ist letztes Jahr (also 2011) in Cooperation mit Evelyne entstanden, der ich dafür an dieser Stelle noch einmal herzlich danken möchte. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, mit dir daran zu arbeiten!

 

Wir befinden uns in einer fernen Zukunft…im Jahr 2012. Immerhin!

 

 

Pressemeldung des NCIS-Online-Forums aus Mai 2012:

Das Leben ist vergänglich - Schicksalsschlag in Washington D.C.


Dank des heldenhaften Einsatzes des NCIS-Team rund um Special Agent Leroy Jethro Gibbs ist es einmal mehr gelungen, die Welt ein gutes Stück besser und sicherer zu machen. Der amerikanischen Bundesbehörde ist es durch intensive und gewohnt fachmännische Ermittlungsarbeit endlich gelungen, die beiden israelischen Psychopathen Rebekka Rivkin und Arif Hakim endgültig aus dem Verkehr zu ziehen. Der ein oder andere mag sich sicherlich an unsere diesbezüglichen Presseberichte erinnern, die vor gut 2 Wochen erschienen und eine Welle der Erleichterung nach sich zogen.

"Ich kann nur immer wieder betonen, wie sehr ich die Arbeit meiner Agenten schätze", bekräftigte seinerzeit der Direktor des NCIS noch am Tag der Festnahmen in einem seiner seltenen Interviews. "Durch eine vorbildliche Teamarbeit und einer ebenso professionellen und sehr effektiven Undercoveraktion meiner besten Agenten, ist es uns letztendlich gelungen, die besagten Übeltäter gegeneinander auszuspielen."

"Doch kein Spiel ist ohne Risiko, wie wir gestern leider einmal mehr schmerzlich erfahren mussten", äußerte er sich nur wenige Tage später erneut und dieses Mal drückte sein Mienenspiel tiefste Betroffenheit aus, was im krassen Gegensatz zu seinem siegessicheren Gesichtsausdruck am Tage des ersten Interviews stand

Was der Direktor des NCIS mit diesen Worten ausdrücken wollte, war, dass jeder Psychopath leider auch immer seine Sympathisanten hat und so begab es sich vor einigen Tagen, dass durch eine schmutzige Bombe das NCIS-Hauptquartier, und alle sich zu diesem Zeitpunkt darin befindlichen Personen, dem Erdboden gleich gemacht wurde – ja förmlich pulverisiert wurde.

Ein Trauertag für alle Anhänger des Naval Criminial Investigative Service. Eine Freude für die Sympathisantengruppe - zunächst...allerdings war diese nicht von langer Dauer. Denn was diese skrupelosen Menschen nicht ahnten war, dass sich just zum Zeitpunkt des von ihnen bis ins kleinste Detail akribisch geplanten Anschlages, die von ihnen so verehrten Psychopathen, die sie in einem abgelebenen Nebengebäude mit Gefängszellen vermuteten, zu Verhörzwecken ebenfalls im Hauptquartier befanden. Tja – Shit happends sagt man da wohl…

"Wir trauern natürlich um eine Vielzahl von Mitarbeitern. Das Team um Leroy Jethro Gibbs jedoch, dem dieser feige Racheanschlag eigentlich galt, hinterlässt verständlicherweise eine riesige, kaum zu schließende, Lücke", betonte der Direktor, der sich zum Zeitpunkt der verheerenden Explosion wegen einer Besprechung im weißen Haus aufhielt, sichtlich bewegt. "Es wird sehr schwer werden, die verlorenen Männer und Frauen zu ersetzen. Wir brauchen Zeit und ich bitte Sie, uns diese zu geben. Ich danke Ihnen." Mit diesen Worten verließ Vance das Rednerpult und zog sich mit schnellen Schritten zurück. Die, die nahe genug dran waren, konnten Tränen in seinen Augen glitzern sehen.

Millionen von NCIS-Fans auf der ganzen Welt versanken daraufhin in tiefer Trauer um ihre viel zu früh verstorbenen Vorbilder. Der Kaffeeumsatz einer gewissen Kaffeekette stieg binnen kürzester Zeit ins Unermessliche; zusätzlich zu den bekannten Pappbechern wurden blütenweiße Papiertaschentücher gereicht, um die Tränen der Fans zu trocknen. Unter anderem weinten auch Tausende Gleichgesinnter, die ihre Freizeit immer wieder gerne in einem bekannten Online-Forum mit Geschichten und Fantasien rund um ihre Helden verbrachten. Trübe Stimmung machte sich breit. Doch nein, nicht alle dort gaben sich nur widerstandslos der Trauer hin. 2 fanfiction-Autorinnen mit den Usernamen agentES und Undercover Agent, weigerten sich standhaft, den traurigen Tatsachen ins Auge zu blicken. Sie, die gerade noch an dem spektakulären Rückschlag zu knabbern hatten, dass ihre wahrhaft geniale eigene Schöpfung "Mr. Thomas Smith" lediglich den albtraumhaften Hirngespinsten eines betrunkenen Schotten entsprungen war, wollten den tief betroffenen Fans im Forum unbedingt aufzeigen, dass „ihre Familie“ dazu in der Lage gewesen war, dem Schicksal wieder einmal ein Schnippchen zu schlagen…

Ob es nun am Sekt, Bier oder am Alkohol im Allgemeinen lag ist letztendlich nicht überliefert. Fakt ist, dass der heroische Plan der beiden Schreiberinnen zwar durchgeführt wurde, aber wiederum einen gehörigen Pferdefuß aufzuweisen hat. Der positive Aspekt des Plans zeigt sich in der Tatsache, dass unsere allseits beliebte NCIS-Familie nach wie vor zusammen sein kann. Na ja…irgendwie zumindest. Doch leider zeigen sich auch Tücken. Das neue Zusammenleben gestaltet sich durchaus schwierig und alle haben mit massiven Startschwierigkeiten zu kämpfen. Da wirkt sich die Tatsache, dass es offenbar auch noch anderen Personen gelungen ist, die verheerende Explosion zu überstehen, nicht gerade förderlich aus.

Na ja, sei es wie es sei. Der interessierte Leser bekommt nun die Möglichkeit selber zu verfolgen, wie das Leben der Männer und Frauen um Leroy Jethro Gibbs nach der Bombenexplosion weiterging. Die beiden Autorinnen würden sich sehr darüber freuen, wenn es ihnen gelänge, durch ihre Mini-FF, zumindest die Trauer der Fans im Online-Forum etwas lindern zu können und vielleicht sogar hier und da wieder ein zaghaftes Lächeln auf die Gesichter zaubern zu können. Geneigte Leser mögen bitte durch ein kurzes Feedback bekunden, ob ihrerseits Interesse besteht, sich bei ihrer Trauerbewältigung durch agentES und Undercover Agent helfen zu lassen. Die Redaktion übernimmt gerne das Versendung von persönlichen Nachrichten, um die Termine der Therapieeinheiten rechtzeitig allen Interessierten bekannt zu geben.

Ende der Pressemeldung


Teil 1 - Veränderte Begebenheiten

„Äähhhm, Dr. Mallard…?“ Leichtes Keuchen war zu hören, als Jimmy Palmer eilig hinter seinem ehemaligen Vorgesetzten hertippelte. „Haben Sie eine Ahnung, wo wir uns befinden?“

„Jimmy, wie oft soll ich dir noch sagen, dass es nicht mehr nötig ist, mich mit Doktor anzureden“, kam leicht ungehalten die Antwort des Vorauseilenden. „Und um deine Frage zu beantworten: „Nein, ich weiß nicht, wo wir sind. Aber ich fürchte, dass du eben, als du vorausgegangen bist, eine falsche Abzweigung genommen hast.“

„Ich? Wieso ich? Ich…“ Jimmy schwieg abrupt und blieb entsetzt stehen, als ihm auf einmal klar wurde, was das zu bedeuten hatte. „Sie meinen, wir haben uns verlaufen?“ Flugs setzte er sich wieder in Bewegung, als er realisierte, dass Ducky vor ihm nicht im Traum daran dachte, stehenzubleiben. Wahnsinn, schoss es ihm durch den Kopf. Wie der Mann in seinem Alter noch rennen kann. Ob das vielleicht daran lag, dass…Nein, er verbot sich, weiter zu denken und erst mal wieder den Anschluss zu finden. Fast wäre er dabei über seine dünnen Beinchen gestolpert und die Last, die er auf dem Rücken trug, machte seinen Plan, den Anschluss nicht zu verlieren, nicht gerade einfacher. Aber auf gar keinen Fall wollte er hier alleine zurückbleiben – er hatte sich in der neuen Umgebung noch nicht eingewöhnt und irgendwie war ihm oft unheimlich zumute. Besonders, wenn sie – wie jetzt - unter der Erde unterwegs waren, um die mit viel Schweiß und Mühe eingesammelten Leichenteile in ihr Hauptquartier, wie er es stur nannte, zu bringen. Donald „Ducky“ Mallard korrigierte ihn nicht minder stur, indem er ihn jedes Mal darauf hinwies, dass sie nun in einem „Bau“ arbeiteten. Verflucht…er hatte es wirklich nicht leicht!

Jimmy schulterte seine Last ein wenig anders, um seinem malträtierten Kreuz Erleichterung zu verschaffen…er hasste dieses neue Leben. Er war es einfach nicht gewöhnt, so schwer zu schleppen. Das was er im Moment total frustriert buckelte wog in seinen Augen mindestens eine Tonne. Na ja, vielleicht nicht ganz so viel, aber ganz eindeutig war seine momentane Last schwerer als sein persönliches Eigengewicht und allein diese Tatsache wurmte ihn wahnsinnig. Außerdem war er quasi rund um die Uhr müde, was kein Wunder war. Von morgens bis abends waren sie unterwegs und wenn sie – wie heute – zu allem Überfluss auch noch unter der Erde umherirrten, hatte er oftmals Mühe, sich zu beherrschen. Aber was blieb ihm anderes übrig? Wenn er nicht alleine bleiben wollte, war er Dr. Mallard – er konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, seinen ehemaligen Vorgesetzten Ducky zu nennen – auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Er hatte schon geahnt, dass sich die vermeintliche Abkürzung durch den Erdtunnel mal wieder als fürchterlicher Trugschluss herausstellen würde. Er war ja aus der gemeinsamen Zeit beim NCIS sicherlich schon einiges von dem alten Schotten gewöhnt, aber hier und jetzt begann ihn dessen Rechthaberei doch langsam zu nerven.

Außerdem roch es hier unten erbärmlich. Diese wirklich „alten“ Leichen stanken noch viel schlimmer, als alles, was er beim NCIS in der Pathologie je erlebt hatte. Dazu noch diese muffige Qualität des Sauerstoffs – wenn man das hier unten überhaupt Sauerstoff nennen konnte. Es wäre kein Wunder, wenn er früher oder später Probleme mit der Lunge bekäme. Das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer. Vielleicht sollte er sich mal mit DiNozzo über die Anzeichen einer Lungenkrankheit unterhalten. Ja, genau, das war ein guter Plan. Er wollte wissen, worauf er zu achten hatte und Tony hatte schließlich Ahnung, was Lungenprobleme betraf. Gott, der hatte es wirklich gut getroffen – den ganzen lieben langen Tag durfte er an der frischen Luft verbringen. Schon früher hatte er Tony insgeheim beneidet, aber jetzt wünschte er sich so was von schmerzlich, mit ihm tauschen zu können. Einfach in die Haut des ehemaligen Senior-Field-Agents schlüpfen zu können…ähm, war das überhaupt richtig ausgedrückt? Hatte Tony überhaupt Haut? Ja klar, sagte Palmer sich gleich darauf und schüttelte unwillig den Kopf, was direkt dazu führte, dass seine Last wieder ein wenig verrutschte. Jedes Lebewesen hatte doch Haut, oder? Jimmy knurrte unwillig vor sich hin, während er die diversen kleinen Leichenteile auf seinem Rücken wieder in Ordnung brachte.

„Nun…“, nahm Ducky den schon verloren geglaubt gegangenen Faden wieder auf. „…DU hast schließlich im Brustton der Überzeugung behauptet, dass wir aus dieser Richtung gekommen sind.“

„Nein, ich wollte doch nur…“

„Keine Ausreden, bitte“, kam das dünne Stimmchen von vorne. „Es ist genau wie früher, wenn du uns falsch durch die Straßen von DC gelotst hast. Du meine Güte, das kann doch nicht so schwer sein. Unser Territorium ist schließlich jetzt deutlich kleiner, als früher und trotzdem findest du nie den richtigen Weg. Ohne mich wärst du wahrscheinlich hilflos verloren.“

„Ja, klar, sicher“, maulte Palmer leise vor sich hin und wäre fast auf Ducky aufgelaufen, der abrupt an einer Weggabelung stehengeblieben war und kurz überlegte, bevor er sich dann zackig nach links wendete. Jimmy verdrehte die Augen. Er war absolut felsenfest davon überzeugt, dass die Entscheidung wieder falsch war, aber was sollte er tun? Alleine zurückbleiben? Auf keinen Fall! Alleine weitergehen? Er warf einen kurzen Blick in die 2. Tunnelröhre. Feuchte modrige Luft schlug ihm entgegen und stockfinster war es obendrein. Wer wusste schon, ob ihm da nicht schon wieder Abby begegnete. Die lebhafte ehemalige Laborgoth war ihm früher schon manchmal unheimlich gewesen, aber jetzt war er immer froh, wenn es ihm gelang, ihr aus dem Weg zu gehen. Was aber gar nicht so einfach war, denn sie tauchte an allen möglichen und unmöglichen Orten plötzlich ohne Vorwarnung auf. Und sie hatte eine geradezu fanatische Obsession entwickelt. Nicht nur, dass sie ohne Unterlass plapperte – das hatte sie früher auch schon getan. Nein, jetzt suchte sie förmlich die körperliche Nähe von allen und umarmte einfach ungefragt jeden – ob man das wollte oder nicht. Gestern erst hatte sie ihn wieder zu Tode erschreckt, als er wagemutig zum ersten Mal beschlossen hatte, alleine das Hauptquartier zu verlassen. Kaum hatte er draußen unter der dicken alten Eiche gestanden, seilte sie sich von oben ab und tauchte plötzlich groß und furchterregend mitten vor seiner Nase auf. Er hatte das große Kreuz auf ihrem Rücken direkt vor Augen gehabt und… Mann, ihm war beinahe das Herz stehengeblieben! Nicht auszudenken, wenn sie ihn erwischt hätte. Nur seiner guten Reaktionsfähigkeit hatte er es zu verdanken, dass er der mörderischen Umarmung noch einmal entgangen war. Allerdings war er bei dem verzweifelten Versuch, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, höchst unelegant rücklings ins Hauptquartier zurückgestolpert und hatte dabei einige Mitbewohner umgerissen, die sich prompt bei der Königin über ihn beschwert hatten. Egal, er hatte immer noch Abby´s vor Enthusiasmus beinahe quietschende Stimme im Ohr: „Jimmy, Jimmy Palmer, so warte doch! Ich will dir doch nichts tun! Ich will doch nur mit dir reden!“ Bei der Erinnerung daran schüttelte er sich und hätte beinahe schon wieder seine Last verloren. Boah eh, so konnte das nicht weitergehen. Er musste sich unbedingt was einfallen lassen. Ein Rucksack oder so was in der Art wäre nicht schlecht. Vielleicht konnte er sich ja einen basteln?

Jimmy konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche, das Hier und Jetzt. Nein, alleine weitergehen kam definitiv nicht in Frage. Oh, verdammt, er musste sich beeilen, Ducky war in dem Dunkel kaum noch auszumachen. Plötzlich hörte er ihn jedoch zu seiner grenzenlosen Erleichterung vor sich einen freudigen Laut der Überraschung ausstoßen.

„Jethro, alter Freund, wie schön, dich hier zu treffen.“

Der Angesprochene hob müde den Kopf und wusste im ersten Moment nicht genau, wie er reagieren sollte. Einerseits spürte er ein Lächeln um seine Mundwinkel zucken, doch andererseits dachte er still bei sich: „Nicht schon wieder! Hört das denn nie auf?“ Er richtete sich auf und streckte sich erst einmal ausgiebig, bevor er schließlich laut sagte: „Ducky, ich freue mich auch, dich zu sehen. Wo hast du denn Palmer gelassen?“ Er hatte sich bereits daran gewöhnt, die beiden nur noch im Doppelpack anzutreffen.

„Hier…hier bin ich.“ Jimmy Palmer stolperte heran und hatte aufgrund seiner Traglast mal wieder Mühe rechtzeitig zu bremsen. Und so kam er prompt nur wenige Zentimeter vor Gibbs atemlos zum Stehen. Vor dem Mann – oder vielleicht sollte er besser sagen, vor dem Individuum – vor dem er früher stets den meisten Respekt gehabt hatte. Warum eigentlich, fragte er sich gleich darauf, als ihn ein amüsierter Blick aus gütigen Augen blinzelnd traf. „Es ist…ich…ich komme noch nicht so gut zurecht“, stammelte er entschuldigend.

„Er hat uns mal wieder auf den falschen Weg geführt“, mischte sich Ducky´s Falsettstimmchen triumphierend ein.

„Schon gut“, unterband Gibbs den aufkeimenden Streit zwischen seinen beiden ehemaligen Kollegen und blickte stattdessen mit einem kritischen Blick über Duckys ungewöhnlich zierliche Schulter. Interessiert und beinahe genüsslich betrachtete er aus alter Gewohnheit die Leichenteile, die die beiden transportierten. Wahrlich, in seinem alten Leben hatte er schon eine Menge Leichen vor Augen gehabt und ja, es war durchaus auch vorgekommen, dass sie zunächst nur Teilstücke gefunden hatten, aber wenn er ehrlich war, hatte er gerade keinen Plan, was diese rätselhaften Stückchen einmal als Ganzes dargestellt haben mochten. Sie hatten einfach nicht die geringsten Ähnlichkeiten mit all seinen vorangegangen Toten, was im Grunde ja kein Wunder war und doch…irgendwie... hier und jetzt schlug plötzlich irgendetwas tief in seinem Inneren Alarm. Er schnupperte und rümpfte anschließend die Nase – den Rüssel sollte man jetzt wohl korrekterweise sagen. Dann verzog er angewidert sein Gesicht und wandte sich wieder Ducky zu. Egal, wo oder was er jetzt war – er kannte die Anzeichen. Sein Instinkt war geweckt und er beschloss, dass ein wenig Abwechslung gewiss nicht schaden konnte. „Was kannst du mir dazu sagen?“, erkundigte er sich kurz.

„Mmh“, kam es undeutlich von Ducky und er stützte sich ein wenig erschöpft auf seine rechten Füßchen, um seinen Rücken zu entlasten. Es funktionierte, wie er gleich darauf erleichtert feststellte. Gott, diese ewige Schlepperei setzte ihm mehr zu, als er bereit war zuzugeben. „Du kannst es wohl nicht lassen, wie?“ Mit einem leichten Lächeln, wohl wissend dass Gibbs dies aufgrund seiner Fehlsichtigkeit und der Tatsache, dass Ducky ja jetzt ein Mini-Gesichtchen hatte, nicht als solches erkennen würde, musterte er den ehemaligen Agent. „Viel kann ich dir dazu nicht sagen. Jethro. „Das Einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann, ist das wir es hier mit der Spezie Lumbricidae zu tun haben.“

„Ducky“, erklang prompt die ungeduldige Stimme Gibbs´.

„Oh, Verzeihung. Natürlich. Es ist ein Wurm. Vielleicht handelt es sich aber auch um Teilstücke von zwei Exemplaren.“ Freudig leckte er sich über die dünnen Lippen. „Oben, hinter dem alten Eichenbaum liegen noch mehr Teile. Jimmy und ich haben noch eine Menge zu tun, wenn wir die heute noch alle bergen wollen.“ Am Rande registrierte er, wie sein ehemaliger Assistent unwillig das Gesicht verzog, doch er ignorierte das wohlweislich. „Aber was genau passiert ist? Nun, mein lieber Freund, das werden wir in diesem Leben wohl nicht herausfinden können. Dazu fehlen uns ganz einfach die Möglichkeiten. Wir sollten uns damit abfinden.“

Ein Wurm! Vielleicht sogar zwei Würmer! Dieser Tag, der so grausam und nervig begonnen hatte, wurde Stück für Stück immer besser. Von Sekunde zu Sekunde mehr nahm ein freudiges Gefühl von Gibbs Besitz und ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Er dachte nach und je länger er das tat, desto breiter wurde sein Grinsen. Zwei eklige Würmer – tot ...

 

Teil 2 - Zwei Tage zuvor

Es war dunkel. Reinstes Schwarz umgab die Gänge und der modrige Geruch, an den er sich immer noch nicht wirklich gewöhnt hatte, stieg ihm in die Nase, glitt über die Luftröhre in die verstaubten Lungen. Hustend wachte er auf und öffnete nur widerwillig die Augen. Total verschwommen nahm er die kleine Kammer wahr. Kurz überlegte er, wo er seine Sehhilfe hingelegt hatte, doch diesen Gedanken verdrängte er sofort wieder, denn an jenem Ort, an dem er sich seit einigen Tagen befand, bestand auch nicht mehr die Notwendigkeit klar zu sehen. Seine Augen hatten sich längst an die Finsternis gewöhnt. „Finde dich damit ab, Gibbs“, knurrte er leise vor sich hin. „In diesem Leben gibt es keine Brille mehr für dich.“ Blinzelnd starrte er in das undurchdringliche Dunkel. Was zum Teufel hatte ihn bloß wieder geweckt? Womöglich wieder Ducky, der sich mit Jimmy Palmer im Schlepptau verlaufen hatte? Seit Tagen ging das nun schon so. Doch er wollte nicht ungerecht sein. Es war für sie alle schwer, sich an die neue Situation zu gewöhnen und die beiden taten sich eben etwas schwerer damit, als die anderen. Aber manchmal nervte ihn das schon ein wenig. Ernsthaft: Das Alleinsein hatte in seinen Augen durchaus seine Vorteile. Er genoss die ungewohnte Ruhe und wollte vorläufig nur eins: Schlafen – einfach nur schlafen. Tief und erholsam schlafen – fernab von allem Stress. Endlich einmal.

Aber halt! Nein! Diesmal schien es etwas anderes gewesen zu sein. Mit einem Schlag wurde Gibbs bewusst, was ihn geweckt hatte. Aus der Ferne näherten sich zwar Stimmen, aber diese gehörten unverkennbar nicht zu Ducky und Jimmy. ‚Auch das noch‘, stöhnte er innerlich auf. Fremde! Was hatte er bloß in seinem früheren Leben verbrochen, dass man ihm seine wohlverdiente Ruhe hier nicht gönnte.

„Daran bist nur du Schuld“, keifte eine Frauenstimme, die sich zwar langsam, aber unaufhaltsam immer weiter näherte. „Wenn ich gewusst hätte, worauf ich mich mit dir einlasse…“

„Was dann? Ach, halt doch die Klappe. Ich kann es nicht mehr hören. ICH bin auf jeden Fall nicht schuld an unserer Situation. Vielleicht packst du dich mal an die eigene Nase“, entgegnete die Männerstimme, wobei der arabische Akzent unverkennbar war und Gibbs aufhorchen ließ. Gleich darauf war ein unterdrücktes Kichern zu hören und unverhohlen hämisch setzte die arabische Stimme, die eindeutig einem männlichen Individuum gehörte, hinzu: „Oh, Verzeih, ich vergaß…du hast ja gar keine Nase mehr.“

Verdammt, sogar bis hierhin verfolgten ihn die Israelis. Gibbs spürte wie der saure Geschmack der Wut in ihm aufstieg.

„Du bist wirklich das Allerletzte! Und du kannst es drehen und wenden wie du willst. Du BIST schuld! Hättest du nicht …“ Die Frauenstimme zögerte kurz und suchte offenbar nach Worten.

‚…nicht einfach verschwinden können und deine Begleitung gleich mitnehmen?‘, ergänzte Gibbs gedanklich den Satz, den die Frau begonnen hatte. ‚Mann, macht euch vom Acker!‘ Als ihm die Doppeldeutigkeit seiner Worte aufging, musste er grinsen. ‚Gar nicht so falsch gedacht, alter Junge‘, lobte er sich. Immerhin befand sich über ihnen ein Stück Ackerland, dass in Kürze peu á peu zu neuen Gräbern umfunktioniert werden sollte. Oh, bei der Gelegenheit: Hoffentlich zerstörten ihm die Friedhofsgärtner dabei nicht seine Gänge, die er sich mit so viel Mühe angelegt hatte. Er hatte wirklich keine gesteigerte Lust schon wieder von vorne zu beginnen. Doch um dieses Problem würde er sich später kümmern. Jetzt galt es erst einmal, sich wieder auf die unerwünschten Eindringlinge zu konzentrieren, denn das nervtötende Gezetere kam näher und näher.

„Du falsche Schlange“, zischte die männliche Stimme gerade und fiel der Frau – verdammt, konnte man das überhaupt so ausdrücken - rücksichtslos ins Wort. Gibbs runzelte die grau melierte fellbedeckte Stirn. Eine Schlange? Hier? Nein, das schien ihm zu abwegig. In dieser Gegend gab es keine Schlangen. Aber wer wusste das schon: Vielleicht hatte irgend so ein fehlgeleiteter Reptilienfreund das Tier hier ausgesetzt? Mühevoll erhob er sich von seiner weichen Schlafstätte und streckte seine müden Glieder. Er würde sich mit eigenen Augen davon überzeugen und dafür musste er sich zweifellos den Eindringlingen gegenüber stellen. Denn sonst wäre er wohl kaum in der Lage dazu, etwas zu erkennen. Aber egal: So wie es schien, musste er hier sowieso erst einmal für Ruhe sorgen, bevor er wieder in das süße Reich der Träume entfliehen konnte. Und was, wenn sie nicht spurten? Nun…einmal mehr warf er einen bewundernden Blick auf seine wundervollen Hände, die er als eine Art Gottesgeschenk angenommen hatte. Diese Hände waren quasi dafür prädestiniert Kopfnüsse zu verteilen und wenn diese zänkische Gesellschaft sich nicht umgehend trollte oder Ruhe gab, würde er nicht zögern, seine Hände als Waffe zu benutzen. Grimmig setzte er sich in Bewegung. War seine Körperhaltung früher gespannt und geschmeidig gewesen, so wirkte er jetzt eher plump und unförmig, doch das störte ihn keineswegs. Er wusste, dass er – wenn es darauf ankam – immer noch dazu in der Lage war, sich durchzusetzen. Und allein dieses Wissen, verlieh ihm nach wie vor genügend Autorität.

Seine beiden ungebetenen Gäste übertrumpften sich inzwischen gegenseitig mit arabischen Schimpfworten. Die Lautstärke schwoll an und selbst die männliche Stimme hatte mittlerweile einen leicht hysterischen Unterton. Schnell huschte Gibbs den langen Gang entlang, bog an der ersten Kreuzung rechts ab und schon konnte er die beiden Übeltäter sehen. ‚Schlange? Von wegen!‘ Was sich da vor seinen kurzsichtigen Augen eine wahre Schlammschlacht lieferte, war nichts weiter als zwei winzige, ekelige, schrumpelige Regenwürmer. Vorsichtig, um noch nicht gesehen zu werden, drückte er sich seitlich gegen die braune Erde und lauschte angestrengt.

„Rebekka, meine teuerste. Hier kannst du kein Gift mehr versprühen. Vergiss es, das kauft dir keiner mehr ab! Du machst dich höchstens lächerlich! Aus der einstigen Kobra ist ein Regenwurm geworden. Nimm es endlich hin und find´ dich damit ab. Nicht ich bin daran schuld. Du allein bist für deine Taten verantwortlich.“

„Dir ist es ja auch nicht besser ergangen, oder? Arif Hakim! Der Rächer der wahren Ergebenheit. Scheint, als waren deine Taten nicht minder widerwärtig. Schließlich bist du auch hier gelandet. Und die Schuld daran …“ Rebekka krümmte sich zuckend vor Lachen und Gibbs verzog angewidert sein Gesicht. Mann, das sah vielleicht eklig aus.

„Aber ich bin mein Unglück nicht selber schuld, so wie du!“, wehrte sich Arif nach Leibeskräften. „Schuld ist diese poplige amerikanische Bundesbehörde. N – C – I – S! “ Der ehemalige israelische Verbrecher spuckte bei jedem einzelnen Buchstaben die eben erst frisch aufgenommene Erde unverdaut wieder auf den Boden. Dabei verschluckte er sich kläglich und hüstelte nun seinerseits zuckend vor sich hin.

‚Erde zu Erde, Staub zu Staub, Abschaum zu Abschaum‘, dachte sich Gibbs, der, als Arif den Namen seines ehemaligen Arbeitgebers so verächtlich auseinandergezogen aussprach geradezu mit sich ringen musste, nicht aus seinem Versteck zu stürmen und diesem Mistkerl von Wurm an die Gurgel zu gehen. Doch seine Wut verflog genauso schnell, wie sie über ihn gekommen war und irgendwie freute er sich nun sogar über ein wenig Abwechslung. Sein Leben als Maulwurf war langweilig und trist. Zwar hatte er angefangen, mit Wurzeln und kleinen Ästen ein Boot zu bauen, doch hier unten sah er so gar keine Möglichkeit, das Boot später aus der Kammer zu bekommen und somit fehlte ihm irgendwie der Reiz, daran weiterzuarbeiten. Hin und wieder war er also über einen Besuch hier unten in seinen dunklen Kellerräumen ganz dankbar, doch außer Ducky und dem anhänglichen Jimmy, der den Älteren pausenlos ängstlich verfolgte, ließ sich selten jemand blicken. Gibbs grummelte leise in seine Tasthaare hinein, die so hervorragend vieles wett machten, was ihm die schlechten Augen verwehrten, und lauschte wieder in Richtung der beiden Regenwürmer und schüttelte wiederum angewidert den Kopf. Grundsätzlich hatte er etwas gegen rückgratlose Kriechtiere, die unerwünscht auftauchten und sich dann auch noch ungefragt in seinem Reich einnisten wollten. Sollten sie sich doch ihre eigene Gänge buddeln. Noch dazu lästerten diese zwei über seine Familie. Das war ja wohl ein absolutes No Go! Still grinste er in sich hinein und beschloss den beiden widerlichen Kreaturen einen gehörigen Schreck einzujagen…

Teil 3 - Zur gleichen Zeit über der Erde

Mann! Dieses ständige Gepiepe nervte total! Es war beinahe unerträglich und kaum mehr auszuhalten. Obwohl er die Augen noch fest geschlossen hielt, spürte er bereits die ersten untrüglichen Zeichen einer Migräne nahen. Hinter seinem rechten Auge machte sich ein noch leise pochender Schmerz bemerkbar und bei Gott, wenn er nur daran dachte, was für eine bemerkenswerte Größe seine Augen nun hatten, wollte er sich gar nicht weiter damit beschäftigen, wie dieser Schmerz sich noch auswachsen konnte.

Wer wagte es, jetzt schon wieder seinen so wichtigen Schlaf derart rüde zu unterbrechen? Gerade jetzt, wo er sooo kurz vor der wertvollen Tiefschlafphase war? Obwohl…eigentlich eine blöde Frage. Er konnte es sich denken. Seitdem sie in diese neuen Körper geschlüpft waren, war es im Grunde jeden Morgen dasselbe Theater. Laut und rücksichtslos wie eh und je gingen sie zu Werke, ohne auch nur ansatzweise darüber nachzudenken, was dieses laute PIEP, PIEP, PIEP wohl in seinem winzigen Kopf anrichtete. Ständig hinderten sie ihn daran, die nötige Entspannung zu finden. Nicht, dass es sie kümmerte, nein, nicht im geringsten. Aber wer weiß, vielleicht waren sie es ja dieses Mal gar nicht.? Schließlich lebten sie hier auf dem Friedhof nicht alleine. Er seufzte tief auf. Nein, es machte effektiv keinen Sinn, weiter über die Möglichkeiten und Eventualitäten nachzudenken. Er musste sich einfach visuell von seiner Vermutung überzeugen.

Vorsichtig und in Zeitlupe öffnete die männliche Musca Domestica, im Volksmund auch die gemeine Stubenfliege genannt, das linke Kullerauge (das rechte ließ er ob der nahenden Migräne vorsichtshalber noch geschlossen), blinzelte in die bereits fortgeschrittene Morgendämmerung hinein und seufzte abermals. Typisch! Unverkennbar! Nervig! Er hatte es doch gewusst! In seinem neuen Leben, welches ihm zwar anfangs sehr zuwider war, er sich dann aber wohl oder übel damit abgefunden hatte und sich inzwischen sogar sehr damit angefreundet hatte, blieb ihm leider Gottes nichts erspart. Aber auch rein gar nichts! Im Ernst: Gab es ein schlimmeres Schimpfwort als Freunde?

Tim hob erschöpft einen seiner zarten Flügel an und fuhr sich mit seinem Saugrüssel und den kleinen schwarzen Beinchen mehrmals schnell quer durch das Gesicht. Dabei achtete er peinlichst genau darauf, nicht mit dem Rüssel die dicke Beule zu berühren, die er sich gestern bei einem seiner, in seinen Augen durchaus wagemutigen Ausflüge zugezogen hatte, als er, leicht tölpelig, wie er sich eben hin und wieder noch anstellte, gegen die Glasscheibe der Friedhofskapelle geknallt war. Sein Gehirn funktionierte ja präzise wie eh und je, doch an die Sache mit dem Fliegen musste er sich tatsächlich erst einmal gewöhnen. In dem Moment des Aufpralls hatte er sich unwillkürlich kurz gefragt, ob es wohl Stuntfliegen gab? Wow, das hatte echt ganz schön wehgetan. Es war ein stechender Schmerz gewesen, und beinahe wäre er sogar ohnmächtig zu Boden gestürzt. Aber er wäre nicht Timothy McGee, der als ehemaliger Bundesagent immerhin zig Autofahrten, sowohl mit Gibbs als auch mit Ziva David unbeschadet überstanden hatte, wenn ihn ein solch läppischer Aufprall an eine Fensterscheibe aus den Socken, die er ja nicht mehr zu tragen brauchte, hauen würde. Nein, dank seines Vorlebens war er an Extremsituationen gewöhnt und so hatte er sich gerade noch rechtzeitig vor dem bitteren Aufprall auf der harten Fensterbank abfangen können. Elegant hatte er im letzten Augenblick seine Flügel ausgebreitet und war zwar etwas verwirrt, aber durchaus souverän davon geschwirrt, ohne dass irgendjemand von seinem peinlichen Unfall Notiz hatte nehmen können. Er hatte sich durch den kleinen Schlitz des gekippten Fensters manövriert und war majestätisch davon gesegelt. Zwar mit einem riesigen, gewaltigen Kopfbrummen, aber davon brauchte ja schließlich niemand etwas zu erfahren. Segeln, schwirren, schweben…

Tim konnte es nicht leugnen. Nach dem ersten anfänglichen Schock liebte er sein neues Leben und genoss in vollen Zügen all die Vorteile, die es mit sich brachte. Die frische, reine Luft, die er nicht nur heute ungehindert in seine Mini-Lungen ziehen konnte. Hier oben…frei schwebend. Er kam sich vor, wie der König der Lüfte. Zugegeben, er war vielleicht ein kleines bisschen kleiner als das Wappentier der Nation, aber wer fragte in seiner neuen Welt schon nach Größe? Für ihn war es schlichtweg ein Wunder, denn in seiner Vergangenheit hatte er schließlich stets mit seiner Höhenangst zu kämpfen gehabt. Angewidert schüttelte sich die Fliege, als ihm die Erinnerungen an einen Fall in Gedächtnis kamen. Tony hatte damals ein Foto von ihm gemacht, als er auf Gibbs´ Befehl hin einen vermutlichen Selbstmörder, der auf einem Dach stand, zur späteren Identifikation mit dem Handy fotografieren sollte. Dafür hatte er, der immerhin sehr erfolgreiche MIT-Absolvent, auf die Außentreppe des Gebäudes steigen und in den Abgrund blicken müssen. Auf dem Foto sah er später nicht nur leichenblass, sondern auch ziemlich fertig aus. Und Tony? Es war seinem ehemaligen Kollegen ein Fest gewesen, ihn ständig damit zu aufzuziehen. Und jetzt? Fliegen…Fliegen war seine Welt! Er liebte das Gefühl der Freiheit, der Schwerelosigkeit; er mochte die Sicht auf die Dinge von oben und wenn er die anderen traf, kam er richtig ins Schwärmen. Alles erschien so klein, unwirklich und geradezu unwichtig. Ernsthaft, es gab für ihn nichts Schöneres, als seinen Blick von oben über das Tal wandern zu lassen. Ganz D.C. erschien ihm dann in einer Art Miniaturform – fast wie eine Spielzeugwelt. Ein Erlebnis, das er unbedingt in seinem nächsten Buch beschreiben musste. Wie er das allerdings auf die Beine stellen wollte, darüber musste er noch einmal in Ruhe nachdenken…

Ja, er liebte sein neues Leben. Allerdings nicht uneingeschränkt, denn es gab einen Punkt, der ihm schon ziemlich zu schaffen machte. Einziger Wehrmutstropfen in seinen Augen, und dies war weit mehr als nur ein Tropfen – es kam ihm vor, wie ein reißender Strom und war verdammt bitter für die MIT-Fliege – war die dramatische Tatsache, dass er sich von nun an seiner besten Freundin nicht mehr nähern durfte. Ja, es war eine traurige Tatsache, dass er Abby meiden sollte, wann immer es ihm möglich war. Am besten wäre es sicherlich, wenn er sich grundsätzlich von ihr fernhielte, zumindest wenn ihm sein kurzes Leben – denn die Lebenserwartung einer Musca Domestica war wahrlich nicht allzu hoch – wichtig war. Aber das brachte er einfach nicht übers Herz. Also schwebte er, sobald er auch nur in Abby´s Nähe kam, stets in allergrößter Gefahr. Da seine ehemals beste Freundin nach wie vor leicht unberechenbar war, musste er eben einfach permanent auf der Hut sein, damit er ihren überraschenden Launen und Emotionen nicht hilflos ausgeliefert war. Wenn er ehrlich zu sich selber war…er fand das ganz schön mutig von sich, aber die anderen würdigten seinen Mut natürlich in keinster Weise. Eher das Gegenteil war der Fall, denn sie lästerten ohne Unterlass, wie ängstlich und nervös er sich verhielte. „Kunststück“, hätte er zuletzt am liebsten geschrien. „Ich möchte euch mal sehen, wenn ihr andauernd von 3 Fressfeinden umgeben seid!“

Dann diese überaus gemeine Aktion von Tony vor einigen Tagen. Er hatte es tatsächlich irgendwie geschafft so viel Baumharz auf sein Lieblingslandeblatt zu träufeln, dass er prompt nach der Landung, die ihm eh noch immer ein wenig Mühe und Konzentration abverlangte, mit den Vorderfüsschen daran klebengeblieben war. Alle, ausnahmslos alle hatten sie über ihn gelacht, sogar Gibbs. Erst als Abby ausgerufen hatte: „Warte, Tim, ich helfe dir“, und er vor lauter Panik beinahe auch noch mit seinem Rüssel in die Tunke gestürzt wäre, war ihm sein ehemaliger Boss zu Hilfe geeilt. Natürlich nicht selber, denn mit seinen scharfkantigen Grabwerkzeugen hätte er ihn wahrscheinlich nur übel verletzt, aber er hatte im üblichen autoritären Ton, der keine Widerrede duldete gesagt: „Ziva, nun hilf ihm endlich! Und sei vorsichtig! Versuch ja nicht wieder, deine Krallen als Büroklammern einzusetzen!“ Tim war vor Schreck förmlich erstarrt gewesen und hatte sich die ganze Zeit über bemüht, nicht darüber nachzudenken, was Gibbs damit wohl gemeint haben könnte. Dann hatte sich Gott sei Dank Ducky eingemischt: „Lass nur, Ziva. Jimmy und ich machen das schon. Wir sind stark!“ Erleichtert hatte er aufgeatmet und dann hatten Ducky und Jimmy das Blatt auf ihre zierlichen Rücken befördert und ihn tatsächlich vorsichtig zur nächsten Pfütze getragen. Dort hatten sie das Blatt abgesetzt und der klebrige Harz an seinen Vorderbeinen hatte sich durch das Wasser gelöst. Er selber war zwar nass, aber lebend mit Mühe auf den nächsten Ast geflogen, wo er zunächst einmal abwarten musste, bis seine Flügel wieder getrocknet waren.

Timothy klappte erschöpft die Flügel wieder ein. Ja, das Leben als Fliege war gewiss nicht ungefährlicher, als das eines Bundesagenten, aber er liebte es trotzdem. Schon wieder begann seine Nase zu jucken und schnell fuhr er sich mit seinen Beinchen erneut durch das schwarze Gesicht. Was genau hatte ihn noch einmal geweckt???

 

Teil 4 - Zurück im Erdreich

Seine Familie… Gibbs Gedanken schweiften kurz ab. Nun gut, von der Familie im herkömmlichen Sinn, also so, wie es sie früher gegeben hatte, konnte man vielleicht nicht mehr reden. Dazu waren sie inzwischen zu unterschiedlich in ihren neuen Daseinsformen. Doch so ganz konnte das ehemalige Vorzeigeteam des NCIS nicht voneinander lassen. Immer noch kamen sie hin und wieder abends in der Dämmerung zu einem heimlichen Treffen unter der großen alten Eiche zusammen und er musste zugeben, dass er diese Treffen jedes Mal sehr genoss. Er persönlich fand es sehr schade, dass es nicht möglich war, dass sie auch weiterhin täglich ganz offen den Umgang miteinander pflegen konnten. Doch so verschieden sie jetzt auch waren, es war deutlich zu spüren, dass sie alle diese heimlichen Zusammenkünfte herbeisehnten und sich darauf freuten.

Gibbs, der als Maulwurf ja sehr empfindliche Augen hatte, mied so gut es ging das Tageslicht und hatte sich bereits weitestgehend an das Leben unter der Erde gewöhnt. Hier war es still und er genoss die ungewohnte Einsamkeit durchaus, aber die Treffen mit den anderen – nein, die wollte er auf keinen Fall missen. Dabei waren sie für einige von ihnen durchaus nicht ungefährlich. Ducky und Palmer lebten im Grunde jetzt als Ameisen ein permanent gefährliches Leben – sie mussten eigentlich immer, wenn sie ihren Bau verließen, damit rechnen von einer groben Ledersohle oder auch einem Stöckelabsatz platt getreten zu werden. Dann McGee…Gibbs schmunzelte in sich hinein, als er an das letzte Treffen der Truppe dachte und daran, wie sich der ehemalige MIT-Absolvent doch sehr zurückgehalten hatte und immer beinahe ängstlich darauf bedacht war, genügend Abstand zwischen sich und Tony, Ziva und ganz besonders auch Abby zu bringen. Wenn man zugrunde legte, was aus ihm geworden war, so war das sicherlich nachzuvollziehen. Aber er für seinen Teil konnte sich nicht vorstellen, dass einer der drei anderen McGee ernsthaft nach seinem neuen Leben trachtete. Auch wenn nicht von der Hand zu weisen war, dass Abby ihrem besten Freund durchaus den ein oder anderen gierigen Blick zugeworfen hatte. Nein, er war sicher, dass keiner Tim etwas antun würde – alle diesbezüglichen Andeutungen, Gesten oder auch Sprüche dienten nur dazu, McGee zu verunsichern – was allerdings bestens funktionierte; besonders, wenn Tony mal wieder über seinen doch sehr übersichtlich gewordenen Speiseplan philosophierte und wie mühsam es doch manchmal war, selber für sein Futter sorgen zu müssen.

Ein Kaffee! Ein Königreich für einen Kaffee! Gott, bis jetzt hatte er den Entzug mangels der permanenten Stresssituationen ja noch ganz gut verkraftet, aber gerade jetzt in diesem Augenblick – wo er sich auf die unausweichliche Auseinandersetzung mit Rebekka und Arif vorbereitete – könnte er wirklich einen brauchen. Es schüttelte ihn, als er daran dachte, wie er am ersten Tag seines neuen Lebens vor lauter Gier aus einer Matschpfütze gesoffen hatte und sich dabei einzureden versucht hatte, dass – wenn schon die Farbe fast genau hinkam – der Rest ja wohl auch nicht so schlimm sein könne. War er aber! Das bräunlich-schwarze Brackwasser war ihm so übel aufgestoßen, dass er sich umgehend in seine erste, gerade fertig gestellte Schlafhöhle, übergeben hatte. Voller Wut war er daraufhin wieder losgezogen und hatte sich ein neues Revier gesucht, das er nun auch peinlich sauber hielt. Das war der Moment gewesen, wo er beschlossen hatte, dass für einen Maulwurf Kaffee nicht wirklich lebensnotwendig war…

Aber jetzt??? Er spürte, wie sich der Stress förmlich in seinem Körper ausbreitete und sehnte sich augenblicklich wieder nach einem Kaffee. Stark, schwarz, gut! Drei Attribute, die sein altes Leben mitbestimmt hatten. Himmel! Im Moment würde es ihm schon fast reichen, an einem gefüllten Becher zu schnuppern – den himmlischen Duft und das alt vertraute Aroma inhalieren zu können, ja, das würde ihm schon helfen, aber da war wohl nichts zu machen, denn die beiden Kreaturen, die eben seine Familie aufs übelste beleidigt hatten und die da nun nach wie vor laut keifend seinen Gang entlang gekrochen kamen, würden ihm sicherlich nicht verraten, wo der nächste Kaffeeautomat stand. Gab es auf einem Friedhof überhaupt welche? Gibbs schüttelte energisch die sehnsuchtsvollen Gedanken ab. Selbst wenn, wie sollte er es schaffen, daran zu kommen? Besser, er konzentrierte sich auf seinen neuesten Fall: Diese beiden rückgratlosen Terroristen hatten eine Lektion bitter nötig. Wie sollte er es am besten anstellen?

Gibbs rümpfte die Nase, diese quälenden Regenwürmer gingen ihm langsam aber sicher auf den Geist. Sie trampelten genauso rücksichtslos wie früher auf seinen Nerven herum und überhaupt: Was gab ihnen das Recht, sich hier unten in seiner Höhle aufzuführen, als seien sie hier zu Hause? Er musste daran denken, wie sie sich in den kargen Verhörräumen des NCIS HQ gegeben hatten und es war unübersehbar, dass sie nichts, aber auch gar nichts gelernt hatten. Trotz ihrer nun eindeutig niederen Daseinsform benahmen die beiden sich arrogant, eingebildet und großkotzig. Außerdem fühlten sie sich anscheinend sehr sicher. Nun, das würde sich gleich ändern. Aus reiner Gewohnheit suchte er mit seinen Baggerhänden nach seiner Waffe, doch seine großen Finger, mit den bedrohlich aussehenden Krallen am Ende, wühlten sich bloß in sein seidenweiches Fell und mit der Berührung kam die Erkenntnis, dass er bei diesen popeligen Regenwürmer sowieso im Vorteil war. Ein siegsicheres Lächeln huschte für einen winzigen Moment über sein Gesicht. Herrlich! So einfach war die Verbrecherjagd in seinem alten Leben noch nie gewesen. Er holte tief Luft und stellte sich den beiden ehemaligen Psychopaten in den Weg. Bei der Gelegenheit: Gab es überhaupt psychopatisch veranlagte Regenwürmer? Nun, falls früher noch nicht – jetzt offensichtlich schon. Aber womöglich hatten die Menschen auch einfach nur keine Ahnung, was sich so im Tierreich abspielte…

„Halt, stehenbleiben!“, donnerte er in die Tiefen der dunklen Gänge hinein. Fast hätte er aus alter Gewohnheit „NCIS – Bundesagenten“ hinzugefügt, doch er schluckte die Worte im letzten Moment hinunter. Das wäre nun doch etwas unpassend gewesen. Mit tiefer Befriedigung registrierte er, wie die beiden Würmer so abrupt innehielten, dass sich ihre Körper wie der Blasebalg einer Ziehharmonika zusammendrückten.

Rebekka und Arif, mitten in ihrem Streitgespräch über Sinn und Sinnlosigkeit von Folter und deren Auswirkungen auf den menschlichen Körper bis hin zur seelischen Zerrissenheit seitens der Opfer, hielten entsetzt inne und starrten furchtsam in die Dunkelheit vor ihnen. Was war das? Außer einer ziemlich unförmig wirkenden Masse, die ihnen mitten im Erdgang plötzlich den Weg versperrte, konnten sie nichts erkennen. Aber dieses Etwas hatte eindeutig zu ihnen gesprochen und es hatte sich alles andere als wohlwollend angehört. Und diese Stimme…sie kam ihnen so verdammt bekannt vor… aber das war doch wohl kaum möglich, oder? Von allen Stimmen, die sie in ihrem alten Leben jemals gehört hatten, war das eine derjenigen, die sie am liebsten für alle Zeiten ausgelöscht gewusst hätten.

Hätte Rebekka noch diese kleinen Härchen gehabt, die sie sich sonst so penibel vom Körper rasiert hatte, so hätten diese sich garantiert just in dem Moment eisern in ihrem Nacken aufgestellt. Der kalte Schauer blieb ihr jedoch nicht erspart, denn langsam dämmerte es ihr, wer hier, unter der tiefen modrigen Erde, gerade zu ihr sprach. Verflucht, konnte man denn wirklich so viel Pech haben? Und wieso zum Teufel war dieser verdammte Amerikaner plötzlich so viel größer als sie, denn das er das war, konnte sie trotz der miesen Lichtverhältnisse deutlich erkennen. In diesem Moment empfand sie das Leben als sehr ungerecht und Übelkeit und Wut drückten sich durch ihren Wurmkörper und stauten sich in dem kleinen Gehirn zu einer sehr gefährlichen Mischung zusammen. Rebekka hoffte inständig, dass die Köpfe von Würmern aufgrund zu starken Drucks nicht platzen könnten. Denn in diesem Fall mutierte sie gerade zu einer wandelnden Selbstmordattentäterin und wer wusste schon, ob sie noch einmal die Chance zu einer Wiedergeburt bekam?

Während Rebekka noch mit sich und ihren Emotionen kämpfte, musste Arif schwer schlucken. Leroy Jethro Gibbs, der Retter des Universums, der Herrscher über die menschliche Gerechtigkeit, er verfolgte ihn sogar bis in die tiefen Abgründe des Erdreichs. War er denn nicht schon gestraft genug damit seit Tagen mit der eingebildeten Giftschlange Rebekka durch die Erde kriechen zu müssen und wieder und wieder ihre Familienbündnisse in Israel aufzuarbeiten und sich anhören zu müssen, was für ein toller Kerl doch ihr Bruder Michael Rivkin gewesen war? Ha, wenn er wirklich so toll gewesen wäre, wie diese Mistkröte immer behauptete, wäre er doch sicher auch wiedergeboren worden, oder etwa nicht? Aber derlei Gedanken behielt er lieber für sich, denn so ganz geheuer war ihm Rebekka auch als Regenwurm nicht. Aber wenn er ehrlich war…so langsam gingen ihm die Rachepläne dieses Frauenzimmers mächtig auf die Nerven. Vor allem, weil er keinen blassen Schimmer hatte, wie sie diese in ihrer jetzigen Daseinsform überhaupt anleiern und durchführen wollte.

Am meisten jedoch nervte es ihn, dass sie ihm die alleinige Schuld an ihrer derzeitigen Situation geben wollte. Dabei hatte er genauso wenig Ahnung, wie sie, wie es dazu hatte kommen können. Das Letzte, an was er sich aus seinem alten Leben erinnerte, war, dass er sich in diesem schäbigen Verhörraum den Hintern platt gesessen und auf diesen Gibbs gewartet hatte, der ihn zum x-ten Verhör hatte bringen lassen. Als ob er dieses Mal mehr aus ihm herausbekommen hätte, als die anderen Male. Er, Arif Hakim, hatte all die Taten, die man ihm ungerechtfertigter Weise vorwarf, nur aus Liebe getan und für das, was man aus Liebe tat, konnte man nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Das war seine feste Überzeugung. Er sollte aus niederen Beweggründen gemordet haben? HA, lachhaft! Aber das alles war ja jetzt eh Schnee von gestern. Plötzlich hatte er sich unter der Erde wiedergefunden, die Schnauze voll von modriger, stinkender Erde und gerade, als er die hatte ausspucken wollen, war ihm eine Ladung derselben ins Gesicht geprustet worden. Erst da hatte er bemerkt, dass er nicht alleine war, doch seine anfängliche Freude darüber, war längst einer tiefen Resignation gewichen. Und jetzt stand er hier mitten im Niemandsland unter der Erde tatsächlich seinem ärgsten Widersacher gegenüber. Konnte es noch schlimmer kommen, fragte er sich deprimiert, während er sich unauffällig hinter Rebekka zurückzuziehen versuchte.

„Was zum Henker habt ihr hier zu suchen?“, zischte Gibbs unheilvoll. „Ihr seid hier vollkommen unerwünscht, ihr terroristischen Kompostierer! Verschwindet aus meinem Blickfeld!“ Innerlich betete er gleichzeitig, dass die beiden Regenwürmer keine Ahnung von der Sehschwäche von Maulwürfen hatten, denn das hätte seine Autorität schon ein wenig untergraben und das wollte er auf jeden Fall vermeiden.

„Du hast uns gar nichts zu sagen“, begehrte Rebekka prompt auf und ignorierte den fassungslosen Blick ihres Mitstreiters. „Die Zeiten, wo wir nach deiner Pfeife tanzen mussten, sind ja wohl endgültig vorbei!“ Streitsüchtig und selbstbewusst wie eh und je streckte sie sich zu ihrer vollen Länge aus und richtete in der Hoffnung, so bedrohlicher zu wirken, den vorderen Körperbereich leicht auf. „WIR sind jetzt immerhin Nützlinge, während DU als Schädling verschrien bist! Oh, ich hoffe, dass dich eines Tages die Schaufel des Friedhofsgärtners auf den Schädel trifft, während du gerade einen deiner Hügel aushebst!“ Ihre Stimme war immer giftiger geworden und am Ende war klar, dass sie sich in ihre Vorstellung gnadenlos hineinsteigerte. „Matschbirne“, schloss sie schließlich atemlos.

Arif hingegen zog sich bereits unauffällig zurück und warf seiner Artgenossin nur einen weiteren ungläubigen Blick zu. Seiner Meinung nach war sie jetzt vollkommen verrückt geworden. Wie konnte sie sich nur mit jemand anlegen, der so viel größer war als sie selber? Ihm erschien ein geordneter Rückzug auf jeden Fall sinnvoller – Rebekka spielte mit ihrem neuen Leben. Sollte sie doch! Ihm war es egal, solange er mit seinem ungeschoren davonkam.

Gibbs glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu können. „DU, DU…DU wagst es, mich einen Schädling zu schimpfen?“, fragte er drohend und beobachtete Rebekka genauestens. Das, was diese miese Psychopatin konnte, konnte er schon lange. Also richtete auch er seinen Oberkörper auf und riss zusätzlich eine seiner Pranken in die Höhe, so dass seine Handwerkzeuge auch in dem Zwielicht deutlich zu erkennen waren. Dazu musste er sein Gewicht jedoch leicht auf eine Seite verlegen, was prompt dazu führte, dass er um ein Haar das Gleichgewicht verloren hätte. Schnell begab er sich zurück in seine Ausgangslage und bewegte sich stattdessen so zügig es sein behäbiger Körper erlaubte auf die Eindringlinge zu. „Schafft euch aus meinem Hauptquartier“, brüllte er dabei laut und beobachtete höchst zufrieden, wie die beiden Würmer schnellstmöglich das Weite suchten. „Und lasst euch hier nie wieder blicken!“, schickte er ihnen noch hinterher. „Sonst verarbeite ich euch zu Geschnetzeltem!“

Nachdem endlich wieder Ruhe eingekehrt war und auch der letzte Ton von Rebekkas erbostem Gezetere verklungen war, grinste er zufrieden und begab sich zurück in seine Schlafhöhle. „Na bitte, geht doch“, murmelte er dabei leise vor sich hin. Gleichzeitig aber beschloss er, künftig an seiner Körperkontrolle zu arbeiten. Nicht auszudenken, wenn er eben ungelenk wie ein Tollpatsch auf die Seite gekugelt wäre…

 

Teil 5 - "Bürogeplänkel"

Pieop“, dröhnte es von links.

„Pieap“, tönte es nicht minder laut von rechts.

Die beiden Vögel unterhielten sich lautstark von einem Ast zum anderen. Und es machte nicht den Anschein, dass sie sich heute im Verlauf des Tages noch einmal irgendwie einigen könnten. Es war wie immer. Was fehlte, waren lediglich die Schreibtische, Telefone und Bildschirme.

„Pieaaaaaaaaap“, flatterte der linke Spatz aufgeregt mit seinen Flügeln und steigerte die Lautstärke noch einmal. Dabei betonte er das „aaaaa“ mit Absicht so lange, bis der andere Vogel genervt das Gefieder aufblähte und letztlich mit einem gehässigen „Piiiiiiiieeeeeeeeeop“ antwortete.

Tony lachte innerlich auf. Selbst als gefiedertes Individuum schien er bestens dazu geeignet, Ziva, seine ehemalige Partnerin beim NCIS, bis aufs äußerste zu reizen. Er musste zugeben, er war sehr froh darüber, dass seine Vogelsprache ihm das langgezogene „A“ am Ende des einfachen „Piep“ ermöglichte. Er war schon ein wenig stolz darauf, als Haussperling wiedergeboren zu sein, ein kräftiger, widerstandsfähiger, wenn auch ein wenig gedrungener Singvogel. Besonders sinnvoll fand er seinen leicht konisch gebogenen Schnabel und seine kraftvolle Stimme. So konnte er zumindest seinem Mitteilungsdrang jederzeit Luft verschaffen und sich gleichzeitig sicher sein, gehört zu werden. Er reckte eitel seinen schwarzen Brustlatz in die Höhe und beäugte Ziva aus den Augenwinkeln, wie er es schon so oft in den letzten Tagen getan hatte – immer dann, wenn er glaubte, dass es nicht auffiel.

Im Gegensatz zu ihm, war sie ein Feldsperling, und somit ein klein wenig kleiner als er. ‚Wie damals‘, dachte er, während ihn ein leichter Hauch von Wehmut überkam. Er legte den Kopf etwas schief und bemerkte nicht, dass ihm, während er seine ehemalige Kollegin mittlerweile ganz unverhohlen anstarrte, der Schnabel offen stand. Für Außenstehende musste es so aussehen, als leide er unter akuter Schnappatmung.

In ihrer Schönheit stand sie ihm jedenfalls in nichts nach. Im Gegenteil, ihr damaliges glamouröses Aussehen hatte sie geradezu perfekt in die Tierwelt integriert. Ihr Federkleid war sauber gezeichnet und schmiegte sich akkurat an ihren sehnigen, durch stundenlange Flüge über das weitläufige Gelände des Friedhofs gestählten Körper. Insgesamt war sie zwar kleiner, aber auch viel schlanker als er selbst, was ihn zugegebenermaßen ein klitzekleines bisschen störte. Zivas Kopf und Nacken waren dunkelbraun, beinahe schwarz. Besonders niedlich fand er ihre weißen Wangen, die in der Ohrengegend mit einem schwarzen Fleck gekennzeichnet waren. Sie war hübsch, zweifelsohne und irgendwie fühlte er sich zu ihr hingezogen, auch wenn er das offiziell nie zugeben würde. A pro pos: Wie sah das eigentlich jetzt aus? Existierte Regel Nr. 12 noch? Tony schüttelte ein wenig missmutig seine Federn in Form und zupfte mit dem Schnabel mal hier und mal dort. Er konnte machen, was er wollte, er sah immer ein bisschen zerrupft aus. Zu ärgerlich. Er schob den flüchtigen Gedanken an Regel Nr. 12 beiseite. Es war müßig, darüber nachzudenken, denn schließlich war es sowieso unmöglich. Ziva war ein Feldsperling. So waren sie zwar grundsätzlich schon irgendwie verwandt, aber gehörten doch verschiedenen Rassen an. Mal wieder fragte er sich, wie Ziva hier überhaupt hatte landen können, denn Feldsperlinge waren, wenn er sich recht an die Biologiestunden erinnern konnte, weit entfernt, eigentlich nur in Eurasien zu finden. Andererseits waren sie immerhin beide Vögel…Flüchtig schoss ihm das Bild des Hundes seiner ehemaligen Nachbarin durch den Kopf. Ein Schäferhund-Dackel-Mix, wenn er das noch richtig im Kopf hatte …also bitte…wenn sogar das funktionierte? Neee, oder???

„Tschiiiiieppp, bekommst du keine Luft?“, fragte Ziva ihren ehemaligen Partner mit besorgtem Gesichtsausdruck. Schon seit einiger Zeit beobachtete sie, wie er mit geöffnetem Schnabel und sich heftig auf und ab senkendem Brustkorb zu ihr herübersah. „Alles in Ordnung mit dir?“

Tony riss sich zusammen und plusterte sein Federkleid noch einmal kräftig auf. „Tschiiiiepp, danke der Nachfrage, alles okay – hab´ bloß zu wenig geschlafen. Da war gestern so eine süße, kleine…“

„Tschippppp! Ich will´s gar nicht wissen. Behalt´s für dich!“, zwitscherte Ziva zurück.

Gut so! Das hatte er bezweckt, aber er konnte es einfach nicht lassen und musste noch einen obendrauf setzen: „Stell dir bloß mal vor, die wollte gleich, dass ich ihr beim Nestbau helfe“, prahlte er. „Hab´ ich natürlich nicht getan – mit so was Anhänglichem lasse ich mich doch nicht ein. Schließlich bin ich keiner von diesen Unzertrennlichen. Neee…“ Er plusterte sich erneut auf. „…ich will mein Leben genießen!“

„Piiiiieeeeep, du sollst deinen Schnabel halten! Es interessiert mich nicht.“

„Tut es doch!“

„Nein, tut es nicht!“

„Na klar…“

Genau, dachte Tim, der ein paar Äste darüber unentdeckt von den beiden hockte, still bei sich. Es war tatsächlich beinahe wie früher! Sicher, Ort und Aussehen hatten sich geändert, aber alles andere war im Grunde gleich geblieben. Jeden Morgen trafen Ziva und Tony sich hier, redeten über alte Zeiten und aktuelle Erlebnisse. Ziva erzählte von ihrem mühevollen Nestbau, von dem guten Gefühl endlich ein Zuhause gefunden zu haben, während Tony freudig damit prahlte, wie gut er doch bei den Vogelweibchen seiner Art ankam, und dass er zur Zeit jeden Abend, in der untergehenden Sonne auf dem großen Eichenbaum sitzend, in Gesellschaft gewisser flatterhafter Damen war. Er war durchweg beliebt, wie früher. Der kleine Flaum auf seinem Kopf stand wild ab und verpasste ihm somit sogar den altbekannten seichten Machoausdruck.

Tim hob von seinem Ast ab und wollte gerade davonfliegen, als sein Blick auf Ziva´s Gesichtsausdruck fiel. Oha, nee, jetzt konnte er auf keinen Fall von dannen schweben. Seine ehemalige Kollegin brütete etwas aus, das war deutlich zu erkennen. Wahrscheinlich wollte sie Tony eins auswischen, weil er so unverbesserlich daherschnäbelte. Flugs beeilte er sich, zurück auf seinen Ast zu kommen. Schnell sortierte er seine Beinchen, um es möglichst bequem auf der unebenen Oberfläche zu haben, und wartete dann gespannt ab…

„Zivaaaaaaap, du sagst ja gar nichts mehr“, meinte Tony verunsichert, als Ziva nicht mehr auf seine Sticheleien einging. „Hast du dir denn noch gar keine neuen Freunde gesucht?“

Das zierliche Feldsperlingweibchen hob elegant ein Beinchen an, beugte sich leicht nach vorne und entfernte vorsichtig mit dem spitzen Schnabel geziert einen kleinen Klumpen Schmutz unter der einen Kralle. Danach betrachtete sie ihren Fuß lange und ausgiebig. Tim genoss von oben das Schauspiel, das Ziva darbot, während Tony zusehends nervöser auf seinem Ast hin und her hüpfte. „Iiiiiich…“, hob Ziva schließlich an und flatterte dabei provozierend mit den Flügeln. „...brauche mir keine neuen Freunde zu suchen. Das habe iiiiich nicht nötig.“

„Wiiiieeep, wie meinst du das?“

„Nun, sieh mich an! Iiiiich bin ein hübscher kleiner Vogel. Was glaubst du wohl, was in meinem neuen gemütlichen Nest drüben neben der Kapelle los ist? Zu mirrrrp kommen die Männchen von ganz alleine und dann tun wir das, was Vögel nun mal tun.“ Sie machte eine Kunstpause und ließ den Haussperling keinen Moment aus den Augen. „Alles klar? Verstehst du, Tony?“

„Tschipptschipptschipp, willst du damit etwa sagen, dass du mit völlig Fremden vö…?“

„Psssst, Tony! Der Kenner schweigt und genießt, so einfach ist das!“ Wieder flatterte der kleine Feldsperling provokativ mit dem hübschen Gefieder und setzte sich elegant in Position. „Was ist los mit dir, Tony? Hat es dir die Stimme verschlagen?“ Glockenhell lachte Ziva auf und eine ältere Dame, die unten am Boden gerade an der Eiche vorbeiging, schaute hinauf und erfreute sich am Gesang des kleinen Vogels.

„Ich bin piiiikiert“, Tony hüpfte mit unsicheren Bewegungen ein Stück näher an seine Spatzenkollegin, seine kleinen Krallen schlossen sich dabei fest um die Ränder des Astes. So richtig nah traute er sich aber nicht an Ziva heran, einen Sicherheitsabstand hielt er für absolut notwendig. Denn nicht nur ihre Schönheit hatte man ihr in das neue Leben mitgegeben, sondern auch ihre Mossadfähigkeiten. Er hatte schon zu spüren bekommen, dass Ziva gemeingefährlich und zu allem Überfluss auch noch übelst schnell mit ihrem Schnabel picken konnte. Dass sie ihre wunderschönen, aber sehr harten Krallen ebenfalls bestens einzusetzen wusste, verstand sich von selbst. Kaum zu glauben eigentlich, denn sie sah in ihrem Federkleid absolut harmlos, hübsch und elegant aus, so dass man von ihren wahren Talenten auf Anhieb nichts erahnen konnte. Ziva David, die ehemalige Mossadagentin war definitiv zu einem wirkungsvollen Kampfsperling geworden – und offensichtlich nicht nur dazu. „Mit mir wolltest du nie“, setzte er klagend hinzu, „Und jetzt erzählst du mir, dass du es mit jedem dahergeflogenen Vogel treibst? Ehrlich, ich bin entsetzt! Solltest du nicht wenigstens bei deiner eigenen Rasse bleiben?“

„Pieeeeso?“, Ziva amüsierte sich königlich über ihren verunsicherten und beleidigten Ex-Kollegen. „Schließlich bin ich in unserem alten Leben auch Amerikanerin geworden. Das ist fast so, als hätte ich die Rasse gewechselt. Flexibilität heißt das Zauberwort, DiNozzo. Du musst flexibel bleiben, sonst stirbt deine Rasse irgendwann aus.“

„Phhhiiiieeeepp“, brachte der Haussperling gekränkt hervor. „Außerdem heißt es Wieso, nicht Pieso, Zivaaaaaaap.“ So, das sollte ausreichen, den frechen Feldsperling endlich von dem gefährlichen Thema abzulenken. Das Holz unter seinen Krallen wurde ihm langsam aber sicher zu heiß, doch die Verbesserung brachte ihm wieder Erwarten nur einen bösen Blick ein. Und dann kam es:

„Piiiiiieeopp, ich hab´s“, piepste sein Gegenüber plötzlich aufgeregt los. „Du bist eifersüchtig“, stellte Ziva dann höchst befriedigt und vor allen Dingen laut fest.

„Tschiiiieeepp, das hättest du wohl gerne“, tschirpte Tony mit fast geschlossenem Schnabel, so dass die Laute eher zischend aus ihm herausquollen. Verdammt! Er brauchte dringend ein unverfänglicheres Thema, wenn er seine wahren Überlegungen nicht offenbaren wollte, und das wollte er auf gar keinen Fall. Also musste er sich schnellstens eine Ausrede einfallen lassen. Er horchte in sein Inneres. Was wäre wohl glaubhaft? Himmel, er hätte niemals geglaubt, dass ein kleiner Vogel so unglaublich selbstzufrieden aussehen konnte. Tony seufzte auf. „Nein, im Grunde bin ich piiiikiert und schlecht gelaunt, weil … nun die Redewendung ‚vogelfrei‘ habe ich mir anders vorgestellt. Zivaaaaaaap, ich bin hungrig“, jammerte er gleich darauf herzzerreißend los. „Es gibt kein leckeres Vogelfastfood. Diese ewigen Körner kann ich schon nicht mehr sehn und die Krümel…“ Er schüttelte sich bei dem Gedanken. „… kratzen immer so eklig im Hals. Zivaaaaap, ehrlich, ich bin so hungriiiiiiiig.“

Ziva reckte ihren Hals und aus ihrer Kehle kam ein kurzes, aber prägnantes Lachen. Tony sah süß aus, wirklich zum anpieksen, aber in seiner Grundhaltung war er definitiv noch der Alte. Was für ihn zählte, war immerzu ‚meckern‘ und letztendlich, am allerwichtigsten war für ihn immer noch sein Magen. Ziva kullerte mit ihren kleinen Knopfaugen und legte das Köpfchen leicht schief. Amüsiert musterte sie ihr Gegenüber. ‚Und natürlich Frauen…ähm, Weibchen‘, fügte sie in Gedanken hinzu.

„Pieap, was ist mit dir? Bist du denn gar nicht hungrig?“, fragte Tony und sein Blick hätte Steine erweichen können.

„Dooooch, ich könnte auch mal wieder etwas zwischen den Schnabel kriegen“, piepte sie ihm entgegen und flatterte kurz mit ihren Flügeln, um ihr Federkleid wieder zurechtzurücken. Sie hatte auch in ihrer neuen Gestalt schnell gelernt, mit ihren Reizen zu spielen, durch kleine Bewegungen ihren langen Schwanz in Szene zu setzen oder gehaltvoll den Kopf zur Seite zu neigen und die dunklen Augen in rascher Folge auf- und zu zumachen. „Lass uns auf die Suche gehen; mal wieder etwas Fleischiges wäre wirklich nicht schlecht.“

„AU JAAAP“, stimmte Tony sofort begeistert zu und warf einen schnellen Blick nach oben, wo Tim immer noch auf seinem Ast hockte und lauschte. „An McFly dürfen wir uns ja nicht vergreifen. Die Kopfnuss von Gibbs würden wir wohl nicht überleben.“

UPS! Von wegen stiller Beobachter! Sie hatten ihn entdeckt! Tony´s letzte Worte hatten zur Folge, dass Tim prompt erschrocken seinen Halt verlor und in Richtung Boden abstürzte. Erst nach einigen Metern freien Falls bekam er sich wieder soweit unter Kontrolle, dass er würdevoll eine Flugphase einleiten konnte. Während er sich schnell von der alten Eiche entfernte, folgte ihm das laute Lachen seiner ehemaligen Kollegen. Dass dieses Getöse in den Ohren von Menschen wie schöner Gesang klang, war ihm nach wie vor unbegreiflich.

 

Teil 6 - Das Ende zweier Psychopaten (Teil 1)

Tim war eine große Runde über den Friedhof geflogen. Wie so oft in den letzten Tagen hatte er dabei auch an der Kapelle Station gemacht und auch an der großen Parkfläche vor dem Friedhof Ausschau nach etwas Essbarem gehalten. Und wie immer war er für seine Mühe auch reich belohnt worden. Unglaublich, wie viel Lebensmittel die Leute einfach gedankenlos wegwarfen. Eine Tatsache, die er früher nie beachtet hatte, die ihm jedoch in seinem neuen Leben sehr schnell aufgefallen war und die er sich flugs zunutze gemacht hatte, denn der übliche Speiseplan einer Musca Domestica entsprach so gar nicht seinen Vorstellungen von einer Gourmetmahlzeit. Sein kleiner Magen benötigte ja gewiss nicht viel, aber das Wenige sollte seiner Meinung nach doch bitteschön dann auch etwas „Vernünftiges“ sein. Was ganz und gar kein Problem darstellte, wenn man nur die Augen – und seine neuen Augen waren fantastisch, sie erlaubtem ihm sogar einen Rundumblick – ein wenig aufhielt und seine Zeit nicht, wie Tony, damit verplemperte, zu meckern, wie übersichtlich doch sein Speiseplan geworden war. Hier ein Stückchen Obst, da die Reste eines achtlos weggeworfenen Sandwiches mit hmm, leckerer Butter…ehrlich, er konnte sich nicht beklagen und nun war er einmal mehr satt und müde und hielt Ausschau nach einem gemütlichen Plätzchen, wo er in Ruhe ein Schläfchen halten konnte. Schließlich sollte am Abend das nächste große Treffen unter der großen, alten Eiche stattfinden und da würde es sicher wieder spät werden. Jaaaa, er war müde, er brauchte dringend `ne Mütze voll Schlaf, denn später würde er seine volle Konzentration benötigen damit Abby ihm nicht wieder unversehends zu dicht auf die Pelle, ääähm…Flügel, rückte. Natürlich mochte er seine beste Freundin nach wie vor sehr, aber er hätte sich schon gewünscht, dass sie nicht gerade als Spinne wiedergeboren worden wäre. Vielleicht als Biene – ja, das wäre nett gewesen. Sie hätten zusammen Ausflüge machen können, Abby hätte für ihn leckeren Honig gesammelt und vieles wäre schlicht einfacher…

Plötzlich erweckte lautes Vogelgeschrei Tim´s Aufmerksamkeit und schreckte ihn aus seinen Träumereien auf. Neugierig ließ er seine Blicke durch die nähere Umgebung schweifen und erkannte, wie sich zwei Spatzen in der Nähe der Headquater-Eiche – wie er den Baum im Stillen nannte – auf dem Boden fürchterlich um etwas zankten. Ha, er hatte doch gleich gewusst, dass er die Stimmen kannte! Großer Gott, Tony und Ziva – mal wieder…die beiden durfte man wirklich keinen Moment aus den Augen lassen. Seitdem sich Gibbs nicht mehr wie früher so unbemerkt anschleichen konnte, und ihre ständigen Auseinandersetzungen mit einer gezielten Kopfnuss beendete, stritten sie fast noch häufiger. Tim fragte sich unwillkürlich, was denn nun schon wieder los sein mochte? Die beiden waren doch eben noch völlig friedlich zusammen auf Futtersuche gegangen. Unauffällig, denn er wollte auf keinen Fall in das Zentrum des Streits geraten, landete er auf einem nahegelegenen Busch und beobachtete fassungslos, aber mit zunehmender Zeit auch auf das höchste amüsiert, das Spektakel, das sich ihm hier darbot. Still lachte er in sich hinein…

Es war ein Bild für die Götter. Wie früher, wenn es darum ging den Autoschlüssel, den Gibbs gerne gezielt in die Mitte des Raumes warf, zu ergattern und sich somit den beliebten Platz auf der Fahrerseite zu sichern, stürzten sich soeben Ziva und Tony gleichzeitig auf eine Beute, die sie auf dem Waldboden, den man an dieser Stelle durchaus mit einem Präsentierteller vergleichen konnte, entdeckt hatten. McGee runzelte die Stirn, soweit das für eine Stubenfliege möglich war. Die Szene die sich hier vor seinen überdimensionalen Augen abspielte, ähnelte einer Bombenexplosion. Laub, Erde, Staub und kleine Kieselsteinchen flogen unkontrolliert durch die Gegend, es war ein Gezetere, Gezerre und Geschubse. Federn stoben auf und segelten sanft an anderer Stelle wieder zu Boden, nur um gleich darauf schon wieder aufgewirbelt zu werden. Himmel, dass Tony, wenn er vollkommen ausgehungert war, zu solch bösartigen Attacken fähig war, war ja allgemein bekannt, doch Ziva? War sie nicht eine Frau, die ihre Emotionen immer im Griff hatte und sich zu keinen unüberlegten Handlungen hinreißen ließ? Wieso flatterte sie jetzt ebenfalls so aufgeregt und offensichtlich völlig durchgedreht umher. Nun gut, in der Beziehung zu Tony hatte sie schon immer mal ein wenig unerwartet reagiert, und sich gerne von ihm zu Handlungen, die in den Augen ihrer Kollegen durchaus merkwürdig waren, provozieren lassen. Vermutlich aber auch nur, um Tony damit zu ärgern. Ein Spiel, das sie nunmehr seit über fünf Jahren miteinander spielten und das vermutlich nie ein Ende finden würde. Aber das hier sprengte tatsächlich alles, was er bislang an Streitereien der beiden erlebt hatte. Eine Mischung aus Actionspektakel und Drama, dem aber auch eine gewisse Komik nicht abzusprechen war. Wie auch immer, extrem fesselnd war es allemal und Tim´s Müdigkeit war mit einem Mal wie weggeblasen. Vollkommen fasziniert verfolgte er ein wahrhaft grandioses Schauspiel…

„Verdammt, DiNozzo“, hörte man Ziva krächzen. „Lass los! Lass sofort los!“ Dabei zerrte sie angestrengt an einem Ende von was auch immer. „DU SOLLST LOS-LAS- SEN!“

„NEIN! Ich denk´ ja nicht dran! Der gehört mir … Gib ihn her“, konnte man die Stimme von Tony vernehmen, wobei er sich anhörte, als bekäme er den Schnabel nicht wirklich auseinander.

„Ich hab´ ihn zuerst gesehen, also ist das meiner“, keifte Ziva höchst unweibchenhaft. Nichts war mehr zu spüren von der damenhaften Eleganz, die sie noch kurz zuvor auf dem Ast sitzend verströmt hatte. „Ohne mich hättest du ihn doch gar nicht bemerkt. Und so was will ein Ermittler gewesen sein! PAH!“ Fast hätte sie bei der letzten Bemerkung den Schnabel zu weit aufgerissen und um ein Haar wäre ihr die Beute entfleucht, doch im letzten Augenblick packte sie wieder zu. Das kurze „Grmmpf“, das ihrem Zupacken folgte, bekam sie in ihrer Wut gar nicht mit. Di Nozzo! Wie konnte er es wagen, ihr ihre Beute streitig zu machen. Noch nie hatte sie sich so unbändig eine Büroklammer herbeigewünscht! Bei Gott, wenn sie jetzt eine zur Kralle hätte, dann würde sie diese Tony ohne zu zögern in seinen aufgeblähten Brustlatz pieken. Ihren Schnabel brauchte sie ja leider Gottes gerade für etwas anderes.

„HA, vergiss es! Ich war zuerst an ihm dran! Wer die Beute zuerst erwischt, dem gehört sie auch!“, kommentierte Tony ungerührt und schüttelte heftig mehrmals sein Köpfchen von links nach rechts, doch Ziva wehrte sich standhaft und weigerte sich strikt, die Beute loszulassen. Atemlos hielt er schließlich inne. Wie war das noch…seine Ex-Kollegin war ein Kampfsperling mit Mossadfähigkeiten. So kam er ihr also nicht bei. Doch vielleicht gelang es ihm ja, sie auszutricksen…“Piiiiaaaaaaap“, zwitscherte er undeutlich. Er hörte sich an, wie ein Schauspielschüler, den man mit einem Korken zwischen den Zähnen Sprechübungen machen lässt. „Hör zu, das macht doch alles keinen Sinn. Wie wäre es, wenn wir teilen?“

Für einen kurzen Moment stutzte das kleine Feldsperlingweibchen und die beiden Kontrahenten standen sich mit heftig bebenden Brustkörben gegenüber. Erst jetzt konnte Tim erkennen, um was dort so erbittert gekämpft wurde. Ein Regenwurm. Angewidert verzog er das Gesichtchen. Igitt! Wie konnte man sich bloß um so ein ekliges Wesen streiten? Doch jedem von beiden baumelte ein Ende aus dem Schnabel heraus und der Rest des langen schleimigen Körpers war straff zwischen ihnen gespannt. Für einen Außenstehenden mochte es so aussehen, als spielten sie Tauziehen, aber Tim wusste es besser! Keiner von beiden würde einen Deut nachgeben. Und genauso geschah es! Ziva brauchte nur einen kurzen Blick in die Augen ihres Fast-Artgenossen zu werfen und das erwartungsfrohe Blinzeln, dass sie dort erkannte, ließen sie Tony´s wahre Beweggründe klar erkennen. „Teilen? Du? Wer´s glaubt“, stieß sie schließlich hervor und schon ging der erbitterte Kampf um den Wurm in die nächste Runde.

Ein Nummerngirl, schoss es Tim durch den Kopf. Verdammt, wo war Abby, wenn man sie brauchte? Doch halt, was war das? Mitten in seine Gedanken und in den Tumult am Boden hinein meldete sich ein weiteres Stimmchen leise, und doch unverkennbar mit panischem Unterton zu Wort. „Aaauuuuuuuuutsch!!!! NICHT! HÖRT AUUU…“

Daraufhin folgte ein lauteres ´Rrrrraaatsch´ und mit einem Mal riss der Wurm, der sich bis jetzt mit aller Kraft verzweifelt gegen die wütenden Attacken der Spatzen zur Wehr gesetzt hatte, in der Mitte auseinander.

Wegen des plötzlichen Nachgebens wurden beide Spatzen ruckartig nach hinten geschleudert und kamen nur mühselig leicht torkelnd zum Stehen.

„Menno! Nun sieh dir das an! Du hast ihn kaputt gemacht“, maulte Tony prompt los, als er sich gefangen hatte und ließ seine Wurmhälfte vor sich auf den Boden fallen. „Jetzt schmeckt er nur noch halb so gut.“

„Ich?“, fluchte der Feldsperling und hüpfte aufgebracht auf der Stelle. „Warum sollte ich ihn kaputt gemacht haben? DU hast schließlich wie wild dran gezogen.“

„Ach, du vielleicht nicht?!“ Ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht. „A pro pos: Habe ich dir wehgetan? Bist wohl doch nicht so stark, wie?“

„Du mir? Wie kommst du darauf? DU hast schließlich „Autsch“ geschrien!“ Es sah so aus, als wolle Ziva jeden Moment wieder auf ihren ehemaligen Partner losgehen.

„ICH? Nie und nimmer wirst du mich „Autsch“ schreiben hören, meine liebe Zivaaaaap. Ich bin schließlich ein ehemaliger Bundes…“ Er stutzte. „He, ich hab´s auch gehört“, sagte er schließlich. „Irgendjemand hat hier „Autsch“ geschrien und wenn wir es beide nicht waren, wer, zum Geier, war es dann?“

Beide Spatzen neigten ihren Kopf zu Boden und betrachteten mit durchaus gemischten Gefühlen den auseinandergerissenen Wurm. Ziva traute sich schließlich ein Stückchen näher heran und stupste leicht mit ihrem Schnabel gegen ihre Hälfte. Der war definitiv tot, hinüber, kaputt – wie auch immer man es nennen wollte. Aber war es möglich, dass dieser Wurm tatsächlich vor seinem abrupten Ende zu ihnen gesprochen hatte? Klar, mit ihren Freunden konnten sie sich in der Menschensprache unterhalten, doch mit der restlichen Tierwelt kommunizierten sie nur in der jeweiligen Tiersprache – sofern sie diese beherrschten und „würmisch“ gehörte weder zu ihren, noch zu Tony´s Fremdsprachenkenntnissen.


Teil 7 - Das Ende zweier Psychopaten (Teil 2)

Rebekka schüttelte schockiert den Kopf. Nachdem dieser Grießgram von einem Maulwurf sie aus seiner Höhle gejagt hatte, waren die zwei Regenwürmer eilends an die Oberfläche gekrochen. Gibbs hatte hinter ihnen her geschimpft und gewettert und sie – die in ihrem früheren Leben vor Nichts und Niemand Angst gehabt hatten – hatten schlicht und ergreifend Fersengeld gegeben, denn auch wenn der ehemalige NCIS-Agent etwas unbeholfen gewirkt hatte…mit seinen gefährlich aussehenden Handwerkzeugen wollten sie auf keinen Fall Bekanntschaft machen. Aber natürlich würde sie seine Drohungen nicht ungestraft hinnehmen. Niemand drohte Rebekka Rivkin ungestraft. Alle die, die es versucht hatten, waren einen grausamen Tod gestorben. Dieses Schicksal würde auch Leroy Jethro Mauli Gibbs ereilen. Sie würde einen Plan machen – ja, darin war sie gut. Immerhin wusste sie ja jetzt wo er wohnte, das vereinfachte alles sehr. Sie war überzeugt davon, dass sie einen Weg finden würde, wenn sie nur gründlich darüber nachdachte. Ausbomben! Jawohl, sie würde ihn ausbomben! Der Gedanke gefiel ihr immer besser, je länger sie darüber nachdachte. Doch das hatte noch etwas Zeit – erst einmal würde sie sich um Arif kümmern…

Arif Hakim, dieser kleine Möchtegernverbrecher…Er war stinkesauer auf sie gewesen und hatte ihr Vorhaltungen gemacht, was wohl in sie gefahren wäre, den Maulwurf so zu provozieren. Schließlich hätte er sie auch fressen können, alles, er hätte einfach alles mit ihnen anstellen können, sie könnten von Glück sprechen, dass er wohl nicht hungrig gewesen war. Himmel, was war ihr der Typ auf die Nerven gegangen. Den ganzen lieben, langen Weg nach die Erdoberfläche hatte er in einer Tour gelabert. Richtig beschimpft hatte er sie; als übergeschnapptes Ringelding und Dreckspucker tituliert. Rebekka hat es schweigend hingenommen, mit einem zufriedenen Grinsen abgetan und noch auf dem Weg begonnen Pläne zu machen, wie sie Arif endlich loswerden könnte. Er stand ihr einfach nur im Weg. Er nervte und sein Nutzen hatte sich sowieso sehr in Grenzen gehalten. Damit war sein Schicksal besiegelt.

Doch das, was sich gerade vor ihren Augen abspielte, hatte Arif Hakim wirklich nicht verdient. Sie hätte ihm einen gnädigeren Tod angedeihen lassen – immerhin gab es durchaus Gemeinsamkeiten zwischen ihnen. Sie hatte beide nie nach den sogenannten Gesetzen gelebt – sich immer ihre eigenen Regeln zurechtgelegt und das hatte sie zu Gejagten gemacht, zu Geächteten, zu Außenseitern der Gesellschaft. Schon allein aus diesem Grund fühlte sie doch eine gewisse Solidarität ihrem israelischen Kollegen gegenüber. Andererseits…so wie es aussah, brauchte sie sich über Arif´s nahes Ende keine Gedanken mehr zu machen. Sie brauchte sich noch nicht einmal mehr ihre nicht mehr vorhandenen Finger schmutzig zu machen, um diesem Terrorzwerg das Licht auszublasen, denn diese beiden lächerlichen Spatzen kämpften derart verbissen um ihre Beute, dass sie ernsthafte Zweifel hegte, dass Arif diese Attacken überleben würde. Fasziniert und interessiert blickte sie wie gebannt auf das Spektakel. Wenn sie auch nur ansatzweise geahnt hätte, wie dehnbar Gewebe sein konnte…bei Gott, sie hätte DiNozzo auf eine Streckbank gebunden und ihm ganz langsam Zentimeter um Zentimeter geschenkt. Das hätte sicher Spaß gemacht und vor allen Dingen hätte sie sich länger daran ergötzen können. Das Aufhängen war doch vergleichsweise schnell vorbei gewesen.

Diese blöden Vögel hielten jeweils ein Ende des Wurms in ihren Schnäbeln und Arif wurde länger, noch länger, immer noch länger und … gerade als Rebekka sich kurz fragte, wie dehnbar das Gewebe eines Regenwurmes wohl war … geschah, was geschehen musste: Mit einem hässlichen Geräusch, dass Arif´s letzten dünnen verzweifelten Aufschrei im Keim ersticken ließ, riss er in der Mitte entzwei. Die beiden Spatzen schleuderten aufgrund der Tatsache, dass plötzlich kein Widerstand mehr vorhanden war, rückwärts und mussten sich erst einmal sammeln. Rebekka ihrerseits schluckte hart und ein Stückchen Dreck glitt mühsam ihren engen Hals herunter. Alles in ihr schrie nach Protest! Sie holte tief Luft und setzte schon zur Beschimpfung an, als ihr unversehends ein anderer Gedanke durch den Kopf schoss. Sie sollte sich wohl schnellstens vom Acker machen, bevor die beiden Piepser sie auch noch entdeckten. Wenn es um Futter ging, schienen sie keinen Spaß zu verstehen. Leicht panisch blickte sie sich um. Es schien, als hätte sich alles gegen sie verschworen? Die Erde unter ihrem Körper war festgetreten und knochentrocken; keine Chance für sie, einfach an Ort und Stelle im sicheren Boden zu versinken. Die einzige Möglichkeit, die ihr blieb, war die Flucht. Verdammt, sie hasste es auf der Flucht zu sein, aber bitte, wenn das in jeglicher Daseinsform ihre Lebensaufgabe war, so wollte sie sich ihr stellen. Das wäre doch gelacht! Während die beiden Vögel sich noch total verdattert anblickten, schlängelte sie sich flugs um und steckte all ihre Kraft in das Wegkommen. Wieder und wieder zog sich ihr dunkel glänzender Körper zusammen, nur um sich im nächsten Moment wieder zu voller Länge zu strecken. In ihren Ohren dröhnte es von der ungewohnten Anstrengung, doch dumpf bekam sie mit, dass die Killer von Arif zu diskutieren begonnen hatten. Das bedeutete, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Zusammenziehen – strecken – zusammenziehen – strecken – zusammenzie…

Rebekka hatte bereits einige wertvolle Zentimeter geschafft, als der kleinere der beiden Todesvögel plötzlich vor ihr auftauchte. Rebekka bremste und presste die Lippen zusammen, die Tierwelt war ungerecht. Wo zum Teufel waren hier die Waffen? In ihrem alten Leben hatte sie immer Waffen zur Hand gehabt! Und wie zum Henker sollte sie ihre Nahkampffähigkeiten anwenden, wenn sie auf voller Länge auf dem Boden klebte und keine Beine hatte? Aufsässig blickte sie nach oben in die zugegebenermaßen wunderhübschen runden Kulleraugen des Spatzes und stutzte kurz. Irgendetwas an diesem finsteren Blick kam ihr bekannt vor.

„Stopp!“, befahl der Feldsperling und breitete kurz die Flügel aus, als wolle er den Regenwurm so am weiterkriechen hindern. Lächerlich! In Rebekka kochte die Wut hoch. Diese Stimme! Das war ihr eben gar nicht aufgefallen…sie hatte zwar mitbekommen, dass die Spatzen miteinander geredet hatten, aber sie war so gefesselt von Arif´s Todeskampf gewesen, dass sie nicht weiter darauf geachtet hatte. Doch jetzt fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Diese Stimme kannte sie nicht nur – sie war ihr sogar noch verhasster, als die, der sie vorhin unter der Erde begegnet war. Das hier war Ziva David! Die größte israelische Schlampe, die ihr je untergekommen war.

„Du hast mir gar nix zu sagen“, zischte sie unverblümt los und ärgerte sich sofort darüber, dieses Mal nicht einfach den Mund gehalten zu haben. Jetzt war es nur eine Frage von Sekunden, bis Ziva sie erkannte. Und genauso war es auch.

„Na, sieh´ mal einer an, wen haben wir denn da? Rebekka Rivkin. – Komm rüber, das musst du dir unbedingt anschauen“, rief der kleine Spatz nach hinten, dann lachte Ziva auf und klappte ihre Flügel wieder ein. „Hübsch, wirklich! Sehr, sehr hübsch!“ Sicherlich, sie hatte gehofft, dass es den beiden Übeltätern Arif und Rebekka nicht vergönnt gewesen wäre, nach der Bombenexplosion wiedergeboren zu werden. Doch wenn es nun mal so war, welch passendere Form hätte es wohl für die beiden gegeben?

Rebekka ignorierte Ziva´s Sticheleien, spannte ihren Körper an und kroch einfach weiter. Sie wollte sich unter keinen Umständen eine Blöße geben. Außerdem ahnte sie, dass sie hier gerade ziemlich schlechte Karten hatte. Mit einem frechen „Tthh“, das sie sich dann doch nicht verkneifen konnte, bog sie gerade ihren Körper zu einer S-Form, als sie Ziva´s Schnabel auf ihrem Körper spürte. Es war kein richtiger Schmerz, nein, aber diese kleine israelische Verräterin quetschte sie einfach zusammen. Rebekka schnappte hektisch nach Luft. Boah eh, das würde sie ihr heimzahlen, irgendwann, wenn sie einen Plan hatte. So durfte niemand mit ihr umspringen! Niemand! Jawohl, sie würde… Ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen, als sie bemerkte wie Ziva sie mit ihrem Schnabel anhob und gleich darauf mit ihr davon hüpfte. Hui, das war nicht gut! Gar nicht gut! Verflucht, diese Art der Fortbewegung war eindeutig nicht für Regenwürmer geeignet und der Dreck, den Rebekka vorhin erst hinuntergeschluckt hatte, suchte sich postwendend wieder den Weg ans Tageslicht. Sie wurde durch geschüttelt, gerüttelt und total durch die Mangel gedreht. Doch damit nicht genug.

„Hey, warte!“ Plötzlich tauchte der zweite Vogel vor Ziva auf. „Erst soll ich rüberkommen und dann haust du ab. Was soll das? Mann, DAS soll Rebekka Rivkin sein? Kaum zu glauben!“ Dieser abstehende Flaum, dieses gehässige Grinsen in Kombination mit einer Stimme, die sie für immer hatte auslöschen wollen…Die ehemalige israelische Rächerin ihres Bruders konnte den etwas größeren, etwas gedrungenen Sperling eindeutig als Tony DiNozzo identifizieren. Rebekka verdrehte die Augen. Konnte es noch schlimmer kommen?

Ziva öffnete indessen den Schnabel und ließ den Wurm rücksichtslos auf den harten Boden fallen. „He“, protestierte sie vehement. „Nicht gerade freundlich. Geht´s vielleicht auch ein bisschen sanfter?“

„Was sollen wir mit ihr tun, Tony?“ Ziva ging nicht die Bohne auf den aufgebrachten Regenwurm ein, sondern pickte stattdessen mehrmals schnell und hart zu. Rebekkas entsetztes Aufschreien quittierte sie mit einem zufriedenen Piepen. „Magst du sie fressen? Ich überlasse sie dir – immerhin hat sie dir ziemlich übel mitgespielt.“

„NEIN!“ Tony schüttelte sich angeekelt. „Nicht Rebekka! Igitt!“ Schon bei der bloßen Vorstellung wurde ihm schlecht. „Lieber verhungere ich!“

„Was denn dann?“ Ziva wirkte unzufrieden. „Ich finde, sie sollte jetzt ihre Quittung bekommen.“

Tony schien zu überlegen und trat unentschlossen von einem Beinchen auf das andere. Er stand hier seiner ärgsten Feindin gegenüber und es wäre nichts Einfacheres als sie zu töten. Und doch…

„Macht doch das gleiche mit mir, wie ihr eben mit Arif gemacht habt“, flüsterte Rebekka, beinahe unhörbar, denn inzwischen wusste sie, dass sie dieses Mal auf verlorenem Posten stand. Alles was ihr nun noch blieb, war die Hoffnung, dass es wenigstens schnell zu Ende sein würde. Es wurmte sie ganz schön, ausgerechnet DiNozzo und Ziva David in die Krallen gefallen zu sein.

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, sah sie auch schon einen Schnabel wieder bedrohlich nahe herankommen; dieses Mal war es DiNozzos Mundwerk. Sie ahnte, was jetzt passieren würde. Er würde sie picken, genau so, wie sie ihm damals die Nägel in die Finger geschlagen hatte. Zum Glück hatte sie als Regenwurm keine Finger. Rebekka hielt die Luft an und wartete gebannt auf das, was unvermeidlich nun folgen musste. Sie spürte wie der Schnabel ihren Körper umfasste und anhob. Eins war mal klar: Sie würde diesem dämlichen Piepmatz hier nicht die Genugtuung gönnen, dass sie um Gnade flehte. Nie und nimmer! Nein, wenn sie hier und jetzt endgültig sterben müsste, dann würde sie dies in Würde tun. Das war zumindest ihr fester Vorsatz, den Rebekka jedoch gleich darauf am liebsten schon wieder revidiert hätte, denn mit einem plötzlich Ruck wurde sie nach oben geschleudert und sie floooooooooo………… in hohem Bogen so durch die Luft, dass sie kurzfristig jegliches Gefühl für oben und unten verlor. Ihr Flug wurde mit einem verächtlichen Lachen Ziva Davids begleitet und während sie durch die Luft wirbelte, bildete sie sich ein, kurz in ein amüsiertes Fliegengesicht geblickt zu haben. Es blieb ihr allerdings nicht genug Zeit, sich darüber weitere Gedanken zu machen, denn …. Jeder Flug hat mal ein Ende und ihr Absturz nahte. Besser, sie bereitete sich darauf vor – vielleicht konnte sie ja… Rebekka schrie unwillkürlich kurz auf, als sie sah, was da in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit auf sie zukam. Oh nein, bitte! Nicht schon wieder! Seit ihrer waghalsigen Flucht vor Gibbs und David in dem geklauten Auto gab es genau ein Element, das sie bis aufs äußerte hasste und das war …Wasser. Mit einem lauten, unschmeichelhaften „Platsch“ landete sie unsanft in der einzigen Pfütze weit und breit. Die kleinen Wellen schlugen über ihr zusammen und drückten sie unerbittlich unter Wasser. Rebekka schnappte verzweifelt nach Luft und strampelte ihren unförmigen Körper mit Mühe wieder an die Oberfläche. Nein, sie würde nicht aufgeben. Niemals! Damals war ihr die Flucht gelungen und dieses Mal würde sie ebenfalls alles daran setzen, zu entkommen. Weg! Sie musste weg von hier! Vielleicht hatten diese bescheuerten Vögel ja noch nicht mitbekommen, wo sie gelandet war. Doch noch bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, schnappte der Schnabel erneut zu, hob sie energisch in die Höhe und es ging weiiiiiiiiiiiiiiiii……..ter. Gott, was war ihr übel! Doch darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern. Um das Schlimmste abzuwenden, musste sie sehen, wo sie dieses Mal…Bumms! Ihr Körper knallte mit voller Wucht mit dem Kopf voran gegen den harten Stamm einer großen Eiche und schlitterte am rauen Stamm zu Boden.

„Aua!!!“, Inzwischen war Rebekka mehr als nur wütend, sie war fuchsteufelswild, insbesondere, als sie bemerkte, dass sie nicht mehr dazu in der Lage war, sich von der Stelle zu bewegen. Ihr Schädel brummte, die diversen Risswunden und Abschürfungen brannten wie Feuer! Alles in ihr sträubte sich dagegen, aber sie musste zutiefst resigniert anerkennen, dass sie am Ende war. Es war vorbei! „Scheiß Vögel“, kam es ihr noch undeutlich über die Lippen, bevor die Dunkelheit wie eine Welle über ihrer vermatschten Birne zusammenschlug. Der letzte Gedanke, zu dem sie fähig war, war der, dass es ihr hoffentlich in ihrem nächsten Leben vergönnt war, den verhassten NCIS-Leuten besser Paroli bieten zu können.

Ziva und Tony standen einträchtig beieinander und blickte zufrieden auf den unförmig zusammengekrümmten schwarzen Strich vor dem Stamm der HQ-Eiche.

„So, das war´s dann wohl“, verkündete Ziva und sie klang ein wenig enttäuscht. „Schade, ich hätte wirklich erwartet, dass sie sich mehr wehrt.“

„Ziva, sei realistisch. Was hätte sie denn tun sollen? – Nein, es ist vorbei und ehrlich gesagt, ich bin froh darüber.“ Tony schüttelte zufrieden das Köpfchen. „Und bevor du wieder davon anfängst…Nein, ich will sie immer noch nicht fressen.“ Der Appetit war ihm gründlich vergangen. So groß konnte sein Hunger nicht sein, als dass er solches Ungeziefer, auch wenn sie laut Menschen zu den Nutztieren gehörten, verspeisen könnte. „Bitte, wenn du sie magst.“

„ICH? Rebekka Rivkin fressen?“ Ziva schaute Tony erbost an. „Spinnst du? Denkst du, ich will mir den Magen verderben? Nein…“ Sie hüpfte näher an den Regenwurm-Kadaver heran. „Ich weiß da was viiiieeel Besseres.“ Wieder einmal musste sie daran denken, wie übel Rebekka seinerzeit Tony mitgespielt hatte. Er war damals schon fast gestorben – zweimal war er sogar schon klinisch tot gewesen. Noch immer kochte ihr die Galle hoch, wenn sie nur daran dachte. „Glaub´ mir, wenn ich mit ihr fertig bin, bekommt das Wort „pulverisiert“ eine ganz neue Bedeutung. Sie wird als Regenwurm nicht mehr zu identifizieren sein. Noch nicht einmal von Ducky.“ Die Vorfreude erhellte ihr Gesicht. „Ooohhh JA!“

„Nein, Ziva! Lass gutsein!“, versuchte Tony seine Vogelkameradin, die schon ihre Krallen in Position brachte, zurückzuhalten. „Es reicht. Lassen wir sie einfach liegen.“

„Aber vielleicht ist sie ja nur bewusstlos“, wandte Ziva ein. „Vielleicht will sie uns ja nur täuschen – in Sicherheit wiegen.“ Sie hüpfte näher an Rebekka heran. „Beweise, DiNozzo, Beweise. Wir müssen zumindest überprüfen, ob sie wirklich tot ist.“

„Sie IST tot.“ Tony stellte sich Ziva in den Weg. „Sieh dir ihren Kopf an. Der ist Matsch! Das sollte uns Beweis genug sein. Es ist nicht nötig, dass du dir deine Krallen an ihr schmutzig machst. Sie ist es nicht wert. Nun komm schon…“ Er stupste seine Ex-Kollegin sanft in die Seite. „Lass uns gehen – unsere Vogelfreunde werden den Rest erledigen – sieh´ nur, sie warten schon.“

Widerstrebend wandte sich Ziva von der Eiche ab und warf im Vorbeihüpfen auch noch einen bedauernden Blick auf die zwei Hälften von Arif Hakim, die ein Stückchen weiter lagen und bereits den begehrlichen Blicken einiger anderer Vögel, die sich inzwischen eingefunden hatten, ausgeliefert waren. Die alteingesessenen Vögel des Friedhofes hatten jedoch seit dem überraschenden Auftauchen der beiden Spatzen auf dem Friedhof einen solchen Heidenrespekt vor dem selbstbewussten, kämpferischen Feldsperling aufgebaut, dass sie sich noch nicht näher an die Beute herantrauten. Tony kannte einige der Schmarotzer. Das würde gleich eine fröhliche Rauferei um die zwei Würmer geben.

„Alles klar?“, fragte er Ziva, die immer noch nicht glücklich über seine Entscheidung schien.

„Nein, verdammt“, kam es prompt von Ziva. „Ich wollte doch nur noch ein bisschen spielen.“ Sie flatterte mit ihren schönen Flügeln und flog immer noch protestierend davon. „Du bist ein alter Spielverderber“, piepte sie über die Schulter. „Jawohl, ein Spielverderber!“

„Was sagst du da? Was bin ich? Warte, bis ich dich erwische“, ging Tony sofort bereitwillig auf ein neuerliches Geplänkel ein und erhob sich ebenfalls in die Lüfte.

Tim beobachtete aus seinem Busch heraus, wie Tony Ziva in Richtung der Kapelle folgte. Wow, dachte er bei sich, das war es also? Das sollte nun das endgültige Ende von Arif und Rebekka gewesen sein? Erbostes Gekreische ließ ihn seine Aufmerksamkeit wieder auf den Boden vor der HQ-Eiche richten. Dort zankten sich mindestens acht Vögel lautstark um die Reste der beiden israelischen Würmer und zerfetzten sie innerhalb von Sekunden in zahllose Einzelteile, bevor sie sie schließlich achtlos liegen ließen und davonflogen. Fassungslos schüttelte Tim seinen Kopf. Anscheinend waren die beiden Psychopaten tatsächlich ungenießbar.

"Hey, Tim", hörte er plötzlich Abby´s Stimme und sah mit gemischten Gefühlen zu, wie sie sich an einem langen Faden von einem Ast der Eiche sanft zu Boden abseilte. Eilig und geschäftig krabbelte sie über die Wurmstückchen, stupste mal hier und schnüffelte mal dort.

"Hallo Abby", antwortete er und war froh, dass er sich in sicherer Entfernung befand. "Und? Was sagst du?"

"Ist das nicht toll? Endlich sind sie hin", brabbelte Abby gleich los. "Oh, ich wünschte, ich könnte die Reste durch Major Massenspektrometer jagen. Das wäre bestimmt aufschlussreich, meinst du nicht?"

"Oh, ja sicher. Davon bin ich überzeugt", antwortete Tim. "Aber das geht nun mal nicht mehr. Aber ich bin gespannt, was Gibbs dazu sagt, wenn wir ihm heute Abend davon erzählen." Er nickte Abby noch mal kurz zu, bevor er sich auf den Weg machte. "Bis dann, Abby - wir sehen uns."

Den bedauernden Blick, den Abby ihm hinterherschickte, bemerkte er nicht mehr. "Ja, Tim", sagte sie mit einem Anflug von Wehmut traurig zu sich selbst und zog sich wieder an ihrem Faden hinauf. "Wir sehen uns."

 

To be continued...aber ab Teil 8 geht´s weiter im neuen Thread!!!

 


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