"20.55 h" oder "die erste Stunde vom Rest eines Lebens" - Thread X

Wie immer: Danke Ebby :-)
Wie immer: Danke Ebby :-)

53. Kapitel

Zeitgleich im HQ – In Abby´s Labor

 

Gibbs hatte es sich nicht nehmen lassen, auf dem Weg zu Abby´s Labor noch schnell einen Becher Caf-Pow zu besorgen, doch diesen stellte er vorsichtshalber erst einmal neben der Eingangstür auf dem Boden ab. Lieber erst einmal die Stimmungslage sondieren, sagte er sich. Seit Tagen schon war diese eher schlecht, was sich schon daran zeigte, dass es bei Abby ungewohnt ruhig war – eindeutig zu ruhig! Auch jetzt dröhnte ihm keinerlei Musik – wenn man das, was Abby so zu hören pflegte, denn überhaupt Musik nennen konnte – in die Ohren und kein hämmernder Beat pflügte unvermittelt durch seine Eingeweide, als er aus dem Aufzug stieg. Der Grauhaarige hätte nie vermutet, dass er die Phonstärke im Labor einmal vermissen würde, doch jetzt wünschte er sich nichts mehr, als dass Abby ihn in ihrem Refugium mit dem unvermeidlichen „Krach“ empfangen hätte. Leider, leider war dies immer noch nicht der Fall und so beschloss er, auf der Hut zu sein. Mit festen Schritten wagte er sich dennoch in die Höhle der Löwin, denn er wusste sehr gut, dass sie ihn nicht gerufen hätte, wenn sie nicht tatsächlich auf etwas Entscheidendes gestoßen wäre.

 

„Abs? Was hast du für mich?“, fragte er, nachdem er heran gekommen und sich seitlich neben Abby gestellt hatte, die angestrengt auf einen Bildschirm starrte.

 

Die Laborgoth wich ein winziges, aber bedeutungsschwangeres Stückchen zur Seite, bevor sie sich mit ernstem Gesicht Gibbs zuwandte. „Oh, Agent Gibbs, schön, dass Sie endlich da sind. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.“

 

So konnte es nicht weitergehen! Der Grauhaarige packte die Freundin am Arm und sagte eindringlich. „Abby, bitte. Was soll das? Ich dachte, wir ziehen alle an einem Strang?“

 

„Ach, tun wir das?“, kam spitz die Antwort.

 

„Ja, du weißt sehr gut, dass wir das tun. Ich kann ja verstehen, dass du sauer auf mich warst, aber irgendwann muss es doch auch mal wieder gut sein.“

 

„Findest du?“ Abby´s Stimme geriet ins Schwanken.

 

„Allerdings. Ich vermisse…“

 

„Oh!!! Ich glaub´s ja nicht!“ Abby fiel Jethro so spontan um den Hals, dass er ein paar Schritte nach hinten torkelte. „Du hast es gesagt!“, jubelte sie dann weiter. „Du hast es tatsächlich ausgesprochen! Wenn ich DAS den anderen erzähle…das werden die mir nie glauben!“

 

„Abby…Abs, nun beruhige dich doch!“ Mit einem leisen Schmunzeln drückte der Chefermittler seine Laborqueen auf Armeslänge weg. „Du erdrückst mich ja!“ Ein riesiger Stein war gerade von seiner Seele geplumpst, aber dieses kleine Lächeln war alles, was er sich nach außen hin gestattete.

 

„Wie kann ich mich beruhigen, wenn du mir erklärst, dass du mich vermisst hast? – Oh, ich habe dich ja auch vermisst! Und wie ich dich vermisst habe! Und…den Caf-Pow, den du mir immer mitbringst.“ Sie guckte gespielt enttäuscht. „Aber heute wohl nicht, wie? Na ja, daran bin ich wohl selber schuld – streng genommen habe ich dich in der letzten Zeit ja andauernd so was von schlecht behandelt, da habe ich wohl keine Belohnung verdient, nicht wahr?“

 

Gibbs Grinsen wurde breiter und er wies mit dem Kopf in Richtung Tür, woraufhin Abby sofort breit grinsend zur Tür hüpfte und sich ihren XXL-Becher sicherte. Der Agent staunte immer wieder, wie elegant sich die junge Frau auf diesen mörderischen Plateau-Sohlen fortbewegen konnte und vor allen Dingen, wie schnell, denn schon war sie wieder an seiner Seite und blickte ihn über das ganze Gesicht strahlend an. Er würde an dieser Stelle den Teufel tun und sie wissen lassen, dass er eigentlich hatte sagen wollen, dass er ihre Professionalität um Tony´s Willen vermisste, aber sein untrüglicher Instinkt sagte ihm, dass das wohl jetzt nicht soooo gut ankommen würde. Zu froh war er, dass sie sich ihm gegenüber endlich wieder normal verhielt, als dass er das jetzt durch etwas derart unwichtiges wie nicht gesagte Worte riskieren wollte. Die Laborgoth strahlte immer noch wie ein Weihnachtsbaum und saugte lautstark an ihrem Strohhalm, während sie ihn abwartend anschaute.

 

„Abs…was hast du denn nun für mich?“, erinnerte Gibbs sie sanft an den Grund seiner Anwesenheit.

 

Prompt schlug sie sich mit der freien Hand vor die Stirn. „Natürlich! – Wie konnte ich das nur vergessen!“, schalt sie sich selber und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. „Also gut, hör zu. Ich habe gesucht und gesucht und gesucht – ehrlich, ich habe Caulder quasi von innen nach außen gedreht, aber ich muss schon sagen, der Knabe ist recht geschickt.“

 

„Geschickt genug auch für dich?“, provozierte Gibbs sie absichtlich ein wenig, da er vorankommen wollte.

 

Ein gespielt empörter Blick traf ihn. „Wärst du sonst hier? Nein, wärst du nicht!“, beantwortete sie sich die Frage gleich im Anschluss selber. „Nachdem ich also wie gesagt absolut nichts finden konnte, habe ich mir – ich gebe zu, schon fast aus purer Verzweiflung - schließlich alle Überwachungsbänder der letzten Zeit hier aus dem HQ besorgt und ich schwöre, ich habe mir beinahe viereckige Augen geholt – es würde mich nicht wundern, wenn ich bald eine Brille bräuchte…na ja, die Kosten dafür kann Tony ja dann übernehmen – quasi als Dankeschön an mich…Was glaubst du, wird mir eine Brille stehen? Ich denke schon, so ein Hilfsmittel lässt einen doch immer sehr intelligent aussehen, nicht wahr, Gibbs. Wie war das bei dir, als du deine…?“

 

„Abby…“ Langsam wurde es anstrengend, aber Gibbs bemühte sich sehr um Geduld.

 

„Ich schweife ab, nicht wahr. Lass das, Abby!“, mahnte sie sich selbst und kam wieder zum Punkt. „Wie auch immer: Ich habe…“ Sie machte eine kurze Pause und wies mit theatralischer Geste auf den Bildschirm. „…Tadaaaaa: DAS gefunden.“ Sie drückte die Playtaste und das Band spulte los. Caulder trat gerade aus dem Besucheraufzug und ging in Richtung seines Schreibtisches.

 

„Abby?“ Verständnislos starrte Gibbs auf den Bildschirm.

 

„Abwarten, Mr. Ungeduld – abwarten! Gleich kommt´s!“

 

Mit hochgezogenen Brauen guckte Gibbs wieder auf den Monitor und unmittelbar darauf geschah es: Caulder blieb abrupt stehen, fischte sein Handy aus der Hosentasche und warf einen flüchtigen Blick auf das Display. Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck und nach kurzem Zögern begann er ein Telefonat.

 

„Na, was sagst du?“, fragte Abby gespannt.

 

„Na jaaaa“, antwortete Gibbs gedehnt. „Ehrlich gesagt, ich finde nichts Ungewöhnliches daran, dass er telefoniert. Es wäre vielleicht interessant, mit wem er telefoniert; er sieht nicht besonders erfreut aus, und was er sagt, wissen wir auch nicht. Es gibt keine Mikros hier im Büro. Er zuckte mit den Schultern. „Sorry, Abby“, setzte er enttäuscht hinzu. „Ich glaube nicht, dass uns das weiterbringt.“

 

„Du vergisst eine wichtige Kleinigkeit, großer Meister“, sagte Abby mit strafendem Gesichtsausdruck. „ICH kann … Lippenlesen“, verkündete sie dann sehr gewichtig.“

 

Gibbs riss die Augen auf. Daran hatte er tatsächlich in diesem Moment nicht gedacht. „Und?“, fragte er gespannt. „Worum ging es?“

 

„Also, zuerst hat er sich bei seinem Gesprächspartner beschwert so nach dem Motto…“ Sie veränderte ihre Stimmlage und verlieh ihr ein tieferes Timbre. „…Ich habe dir doch gesagt, ruf mich nie, niemals bei der Arbeit an.“ Danach sprach sie wieder normal weiter. „Okay, ich mach´s kurz. Alles konnte ich auch nicht lesen, da er sich boshafterweise ein paar Mal weggedreht hat, aber das meiste habe ich verstanden. Unter anderem war von einem Konto auf den Caymans die Rede und von einem Treffen zwei Tage später in einer sehr, wirklich sehr zwielichtigen Gegend.“ Sie schüttelte sich kurz. „Uhhh, da möchte ich abends nicht alleine unterwegs sein“, sinnierte sie dann.

 

„Hmm, es könnte sich auch um einen Informanten handeln?“, gab Gibbs zu bedenken.

 

„Der ihn nicht bei der Arbeit anrufen darf? Ich bitte dich, Gibbs“, antwortete Abby.

 

„Ich versuche nur, wie ein Anwalt zu denken“, kam postwendend die Antwort. „Darauf wird er sich nämlich versuchen herauszureden: Dass er einen Informanten getroffen hat und den – natürlich – nicht preisgeben kann.“

 

„Ja, ja, aber nicht mit mir“, meinte Abby und wedelte ungeduldig mit den Händen in der Luft. „Du weißt, ich habe einen Freund bei der Verkehrsüberwachung, na jaaaa, und der war mir noch einen Gefallen schuldig. Also habe ich ihn kontaktiert und was soll ich sagen: Manchmal steckt der Teufel im Detail – genau an dieser Kreuzung am Anacostia Warehouse Supermarkt befindet sich eine Überwachungskamera. Langer Rede, kurzer Sinn, mein Freund hat mir das Band von dem besagten Abend zukommen lassen.“

 

„Verwahren die ihre Aufnahmen wirklich so lange?“, fragte Gibbs verwundert.

 

„Oh ja, von gewissen Gegenden schon, weil es immer wieder vorkommt, dass sie der Polizei damit helfen können. Und diese Kreuzung in Anacostia, Good Hope Rd / 14th. Street ist genauso ein Fall. Fakt ist…“ Sie huschte ein paar Schritte weiter, stoppte vor dem nächsten Bildschirm und drückte eine 2. Playtaste. „Voilá, hier sehen wir die Übergabe!“

 

Elektrisiert beobachtete Gibbs, wie mehrere Päckchen den Besitzer wechselten  und kurz darauf war das Treffen auch schon wieder vorbei und die beiden Männer gingen in entgegen gesetzte Richtungen auseinander. „Oh, ja, du hast Recht. Das sieht wirklich nach einer Übergabe aus. Jetzt müssen wir nur noch rauskriegen, wer das ist…“, zischte er und hypnotisierte den Bildschirm, als würde dort gleich der Name der Mannes erscheinen, mit dem Caulder sich getroffen hatte, um ihm die Päckchen zu übergeben.

 

„Oh, da kommen wir nun zur Rubrik: Fragen Sie Frau Abigail“, lachte Abby fröhlich und fuhr fort. „Die beiden reden ja leider bei dem Treffen nicht viel und da auch kein Name gefallen ist, musste ich halt den Umweg über mein gutes, altes Gesichtserkennungsprogramm nehmen. Es hat zwar ein wenig gedauert, aber schließlich hatte ich ihn. Er ist im System und heißt Hector Gonzales“, schloss sie triumphierend und setzte hinzu. „Festgenommen wurde er wegen Rauschgifthandels im großen Stil – verurteilt wurde er jedoch leider nur wegen ein paar Kleinigkeiten, die ihm definitiv nachzuweisen waren. Etliche der benannten Zeugen sind damals vor der Verhandlung umgekippt – wahrscheinlich wurden sie bedroht, aber das war nicht nachzuweisen.“ Sie schüttelte bedauernd den Kopf, dass die Rattenschwänze flogen. „Wie auch immer: Er ist auf jeden Fall derzeit nur auf Bewährung draußen. Weißt du, was das Beste ist: Das ist alles absolut legal und hieb- und stichfest. Da kommt Caulder nicht mehr raus! Er sitzt in der Falle! Ist doch so, oder?“, fragte sie plötzlich verunsichert, als sie Gibbs´ Gesichtsausdruck bemerkte.

 

„Es sieht so aus, Abby! Das hast du sehr, sehr gut gemacht!“ Er drückte die zierliche Frau kurz an sich und küsste sie schnell auf den Scheitel. „Auf jeden Fall zieht sich die Schlinge um seinen Hals zu.“

 

„Was kann ich noch tun?“, erkundigte sich die Laborgoth eifrig. „Ich will nämlich, dass sie ihm die Luft abschnürt.“

 

Gibbs musste grinsen. „Das wollen wir alle. Kümmere du dich um das erwähnte Konto auf den Caymans – wir kümmern uns um Gonzales und ich gehe zu Vance!“

 

„Bin schon dabei…!“ Flugs wählte Abby ein anderes Programm und im nächsten Augenblick flogen ihre Finger über die Tastatur.

 

Gibbs lächelte und machte sich auf den Weg zum Aufzug, den er allerdings noch nicht ganz erreicht hatte, als plötzlich laut aufdröhnende Musik ihn zusammenzucken und zurückblicken ließ. Sein Blick fiel auf eine aufgekratzt winkende Abby, die es tatsächlich schaffte, ihm durch diese Schallmauer noch verständlich zuzubrüllen:

 

„Keine Sorge – jetzt wird alles gut!“

 

Der Chefermittler nickte nur und machte, dass er in den Aufzug kam, um der Beschallung zu entfliehen. Erst dann murmelte er leise vor sich hin: „Ja, das hoffe ich.“ Denn von Caulder einmal abgesehen – da gab es ja schließlich auch immer noch Rebekka, die ihm den Schlaf raubte.

54. Kapitel

HQ – In Direktor Vance´s Büro

Gibbs hatte kurz mit sich gerungen. Die Versuchung war natürlich groß, Ziva und Tim direkt auf Gonzales anzusetzen, doch da der schließlich nichts von seinem zukünftigen Pech wissen konnte, entschied er sich letztlich, erst Vance über die unerwartete Wendung im Fall Caulder zu informieren. Schließlich hatte der Direktor ihm völlig freie Hand zugesagt, daher wollte er ihn nicht schon wieder übergehen. Außerdem freute er sich ungemein auf dessen Gesicht, wenn er ihm den Beweis für Tony´s Unschuld präsentierte. Wie gewöhnlich stürmte er ohne Voranmeldung einfach in das Büro hinein.

„Gibbs.“ Vance schaute von einer Akte auf. „Was kann ich für Sie tun?“

„Für mich? Nichts? Aber für Agent DiNozzo“

„Wie soll ich das verstehen?“

„Nun…Miss Sciuto hat Beweise gegen Caulder gefunden – somit ist die Suspendierung von DiNozzo endgültig vom Tisch. Die Ermittlungen gegen ihn können ab sofort eingestellt werden.“ Er wusste schon, dass er sich damit etwas weit aus dem Fenster lehnte, aber die Befriedigung Vance´s Augenbrauen ruckartig bis zum Stirnansatz hochschnellen zu sehen und dabei gleichzeitig seinen verblüfften Gesichtsausdruck studieren zu können, war den Vorstoß durchaus wert, fand er.

„Setzen Sie sich“, befahl der Direktor ihm und ausnahmsweise gehorchte Gibbs umgehend. „Also gut, erzählen Sie.“

Nur zu gerne kam Gibbs dieser Aufforderung nach und haarklein berichtete er Vance nun, was Abby herausgefunden hatte. Nachdem er geendet hatte, schwieg Vance zunächst noch mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck. „Okay“, sagte er dann schließlich gedehnt. „Ich neige dazu, zu glauben, dass das alles sehr für DiNozzo und gegen Caulder spricht, aber machen wir uns nichts vor: Ein findiger Anwalt könnte für dieses Szenario eine absolut plausible Erklärung finden und schon fällt die ganze schöne Beweiskette wie ein Kartenhaus zusammen.“

„Was soll das heißen?“ Gibbs konnte es nicht fassen und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass es knallte. „Dass Sie dieses Schwein immer noch nicht verhaften lassen und endgültig rauswerfen? Das kann nicht ihr Ernst sein?“

„Gibbs, verdammt noch mal! Sie gehen zu emotional an die Sache ran! Sie sehen nur DiNozzo´s Seite. Das spricht für Sie, denn er ist schließlich Ihr Mann. Aber ich muss weiter denken. Und ich sage Ihnen: Das, was Miss Sciuto gefunden hat, reicht nicht aus, um Caulder endgültig zu überführen. Ich habe absolut keine Lust, Caulder jetzt zu feuern und ihn nachher wieder einstellen zu müssen. Verstehen Sie das denn nicht?“

Den Grauhaarigen hielt es kaum noch auf seinem Stuhl. „Was zum Teufel wollen Sie denn noch?“, fauchte er wütend.

„Finden Sie diesen Gonzales. Schaffen Sie den Kerl her und bieten Sie ihm meinetwegen einen Deal an. Wer weiß, vielleicht packt er ja aus, wenn er seine Bewährung in Gefahr sieht. Wenn er bestätigt, was die Bildaufnahmen andeuten, dann haben wir Caulder. Aber erst dann! Im Klartext: Bringen Sie den Mann dazu, dass er redet.“

Gibbs sprang auf. „Das ist so gut wie erledigt!“ Grußlos stapfte er kopfschüttelnd aus dem Büro.


Miami Traumacenter - Planungen

„Hey Tony, warte mal kurz!“ Randy flitzte wie üblich mit seinem Rollstuhl in einem, für dieses Gefährt, halsbrecherischem Tempo den Weg herauf. „Hast du einen Augenblick Zeit?“

Tony war stehen geblieben und wartete bis Randy ihn erreicht hatte. „Ja klar, was gibt’s denn?“

„Du hast doch bestimmt mitbekommen, dass Clark uns Ende des Monats verlässt. Er war jetzt so lange hier und hat noch so gut wie nichts von Florida gesehen. Ursprünglich kommt er ja aus Detroit. Na ja, wir planen einen gemeinsamen Ausflug. Wir haben auch schon mit Dr. Seltwick gesprochen – von seiner Seite aus spricht nichts dagegen – solange es nicht mit den Therapiesitzungen kollidiert. Daher dachten wir an den nächsten Samstag. Ich habe Clark die Keys mit Key West vorgeschlagen, oder alternativ eine Tour über den Tamiami-Trail zu den Miccosukee-Indianern und anschließend eine Propellerboot-Fahrt in die Everglades. Die Keys wollte er dann doch nicht, da sind ihm zu viele Menschen unterwegs, aber die Indianer würden ihn schon interessieren. Ich fahre mit und Anna habe ich auch schon gefragt, aber sie ist noch unentschlossen. Also, ich persönlich glaube ja, dass sie schon gerne mitkommen würde, aber irgendwie hat sie wohl noch zu viel Angst. Sie sagt, dass sie nicht weiß, wie sie reagieren wird, wenn andere Menschen ihr zu nahe kommen, was sich ja bei so einem Ausflug nicht vermeiden lassen wird. Und sie will Clark auf keinen Fall den Ausflug versauen, indem sie womöglich einen peinlichen Auftritt hinlegt. Aaaaaber…“ Der Rollstuhlfahrer machte eine bedeutungsvolle Kunstpause.

„Aber was?“, hakte Tony nach. „Mensch, nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen, in 10 Minuten habe ich eine Einzelgesprächsstunde beim Big Boss. Da will ich nicht zu spät kommen.“

„Ganz ruhig – das schaffst du bequem. Anna hat gesagt, wenn du mit fährst, dann überlegt sie es sich vielleicht noch einmal“, ließ Randy dann die Katze aus dem Sack. „Du hast wohl einen ziemlichen Eindruck bei ihr hinterlassen“, grinste er dann frech.

„Im Ernst?“ Tony war ehrlich verblüfft. „Das hat sie gesagt?“ Seit der Szene am Pool hatten sich Anna und er ein wenig angefreundet; es schien, als hätte die junge Frau wirklich Vertrauen zu ihm gefasst. Das erfüllte ihn mit Stolz, aber es hatte nichts mit tiefer gehenden Gefühlen zu tun. Die hatte er nur für Ziva, mit der er nun jeden Abend ausgiebig telefonierte. Daher wusste er auch, dass sich in Sachen Rebekka leider immer noch nichts getan hatte und so war er hin und her gerissen. Schließlich hatte er mit Gibbs eine Vereinbarung getroffen, die auf seinem Versprechen beruhte, das Klinikgelände unter gar keinen Umständen zu verlassen, solange sie nicht wussten, wo diese Terroristin steckte. Andererseits… Anna war ihm in der kurzen Zeit schon sehr ans Herz gewachsen und so hätte er ihr gerne den Gefallen getan. „Jetzt hör endlich auf so blöde zu grinsen – das ist absolut unpassend“, fauchte er Randy an, der nun wirklich nichts für seine innere Zwickmühle konnte. „Tut mir leid“, schickte er daher gleich darauf hinterher.

„He, kein Problem – ich denke, es liegt sowieso eher daran, dass Anna weiß, dass du so eine Art Polizist bist. Mit Romantik hat das sicher nichts zu tun.“

„Na, vielen Dank auch…“ Tony zog eine Grimasse. „…aber in dem Punkt sind wir uns tatsächlich einig. Außerdem weiß sie, dass ich eine Freundin habe – ich hab´s ihr erzählt. So, jetzt weißt du´s.“ Er dachte kurz nach und traf dann eine vorläufige Entscheidung. „Hör zu, Randy, mit fremden Menschen habe ich keine Probleme. Ich habe nur mit einer Person meine Schwierigkeiten und die ist noch irgendwo da draußen.“ Er machte eine kleine Pause und sein Blick schweifte gedankenverloren in die Ferne…

*… Rebekka – verdammt, sollte er wirklich sein ganzes weiteres Leben nach ihr ausrichten? Nie wieder einen Schritt tun, ohne über die Schulter zu sehen, ob Gefahr drohte...?*

… Schließlich fuhr er fort: „Aber meine Freunde sind auf der Suche nach ihr und bis zum Wochenende ist ja noch ein wenig Zeit – vielleicht können sie bis dahin schon Ergebnisse vorweisen…“ Wieder unterbrach sich Tony nachdenklich...

*… Nein! Er würde sich ganz sicher nicht wie ein verängstigtes Kaninchen, das darauf wartet, gefressen zu werden, in seiner Wohnung verkriechen! Er wollte frei sein, tun und lassen, worauf er Lust hatte und hingehen, wohin er wollte…Er wollte endlich wieder mit Ziva ein glückliches und erfülltes Leben führen! Ja, das wollte er und in diesen seinen Zukunftsplänen war kein Platz für eine psychisch völlig gestörte Frau wie Rebekka Rivkin!*

„Tony?“

Der Angesprochene kehrte mit einem Ruck zurück in die Gegenwart und blickte Randy, der ihn fragend anblickte, offen ins Gesicht. „Hör zu, ich möchte wirklich sehr gerne mitkommen, schon wegen Anna … ich sag´ dir bald Bescheid, okay?“

„Na klar, das wäre super. Wenn deine Kollegen diese Person also finden sollten … dann kommst du mit?“

„Klar, dann komme ich mit! Versprochen! Wenn ihr wollt, fahre ich dann sogar den Wagen“, grinste Tony. „Ich weiß doch, dass ihr mich nur aus dem Grund fragt, ob ich mitkomme.“

„Ups, erwischt!“ Randy machte ein gespielt schuldbewusstes Gesicht, bevor er wieder zu lachen anfing. „Also, gebongt, ich versteh´ dich ja und ich werde es Anna beibringen, okay?“

„Nee, lass mal, das mache ich schon selber. Aber jetzt muss ich wirklich los. Bis später dann…“


Einen Tag später in Rebekkas Wohnung

Lustlos stopfte sich Caulder das letzte Stück seiner Tiefkühlpizza aus dem Billigdiscounter in den Mund. „Verdammt, das Zeug schmeckt wie Pappe“, nörgelte er griesgrämig, „Warum gehst du eigentlich nicht mehr kellnern? So dicke haben wir´s nun wirklich nicht.“

„Ach, ich soll also weiter arbeiten gehen und mich ständig der Gefahr aussetzen, dass ich enttarnt werde?“, fauchte Rebekka. „Was trägst du denn zum Lebensunterhalt bei? Korrigier mich, wenn ich falsch liege: Nichts! Richtig? Weniger als Nichts, um genau zu sein! Du setzt dich hier ins gemachte Nest und hast jetzt tatsächlich die Stirn, auch noch am Essen rumzumäkeln?“

Rebekka funkelte Caulder wütend an. Mann, der Typ ging ihr echt zunehmend auf die Nerven und wenn sie nicht das untrügliche Gefühl hätte, dass er ihr noch nützlich sein würde, dann hätte sie ihn längst um die Ecke gebracht. Außerdem hatte er ihr davon abgeraten, die endlich funktionierende Technik mit den Särgen wenigstens einmal auszuprobieren. Er wollte keine Ermittlungen riskieren, die ihnen unter Umständen gefährlich werden konnten. Du liebe Güte, so ein Schisser! Sie hätte natürlich irgendeinen Penner von der Straße für ihren Versuch genommen – eine Person, die niemand so schnell vermisst hätte. Aber letztlich hatte sie doch eingelenkt – wenn auch zähneknirschend. Caulder hatte ja recht: Es war besser, keine ungewünschte Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Eine kurze Befriedigung konnte den ganzen, schönen großen Plan in Gefahr bringen und dieses Risiko konnte und wollte sie nicht eingehen. Wenn es schiefging würde sie sich das nie verzeihen können.

Seit Tagen verbrachten sie ihre Zeit ausschließlich damit, das NCIS-Hauptquartier im Auge zu behalten und diese David-Schlampe in Besonderen. Doch egal, was sie auch anstellten – egal, wohin sie dem Team auch folgten: Es gab nicht den kleinsten Hinweis darauf, wo DiNozzo derzeit steckte. Im Gegenteil, es schien fast so, als hätte es den Halbitaliener im Leben der Anderen nie gegeben. Es wirkte, als würden alle im Team um den Grauhaarigen einfach ihr Leben weiterleben – nur eben ohne Anthony DiNozzo. Doch Rebekka machte sich nichts vor. Die Suche nach ihr lief mit Sicherheit auf Hochtouren und DiNozzo war an einen sicheren Ort gebracht worden. Sie hatten Angst vor ihr und ihrer Rache und das aus gutem Grund. Das Dumme war nur, dass sie und ihr Hiwi nach wie vor auf der Stelle traten…Und dieser verdammte Schwartz rief auch nicht an.

In diesem Moment klingelte Caulders Handy und mit einem Grunzlaut griff er in seine Hosentasche. Noch mehr als schlechtes Essen hasste er es, beim Essen gestört zu werden. Doch ein Blick auf das Display hob seine Stimmung gleich um ein Vielfaches. Trotzdem musste er noch eines loswerden: „Ich mäkele nicht rum“, stellte er klar. „Das Essen IST Scheiße!“ Damit stand er auf, wandte sich um und nahm das Gespräch an. In seinem Rücken spürte er die Blicke einer ob dieser Dreistigkeit tatsächlich für einen kurzen Moment fassungslosen Rebekka.

„Hey, Paul, schön dass du anrufst. Hast du etwas herausgefunden?“ Aufgeregt begann Caulder, ruhelos im Zimmer herumzuwandern.

„Ja, habe ich tatsächlich. In den letzten Tagen hat diese Agent David mehrere lange Telefonate mit einem Anschluss in Miami geführt und jetzt kommt das Interessante: Mit der gleichen Nummer hat auch Agent Gibbs gesprochen. Es handelt sich um eine Art Klinik, was ganz Spezielles, äußerst diskret, ich hab´ nicht näher nachgeforscht. Ob die Nummer zu DiNozzo gehört, weiß ich nicht, aber es könnte eventuell passen. Das musst du schon selber rausfinden. Ich hab´ mich sowieso schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt, indem ich dir diese Informationen gebe.“

Caulder war unvermittelt stehengeblieben und sah Rebekka vielsagend an, die
bereits ungeduldig vor ihm stand und darauf wartete, informiert zu werden.

„Vielen Dank, Paul, du bist ein echter Freund“, säuselte Caulder, „Um alles weitere kümmere ich mich selbst, kein Problem. Auf jeden Fall hört sich das sehr vielversprechend an. Du verlierst doch niemandem gegenüber ein Wort?“

„Bist du verrückt, Sam?“ antwortete Paul Schwartz mit erhobener Stimme. „Das darf keiner wissen.“ Mittlerweile fühlte er sich äußerst unwohl und bereute schon fast, Sam Caulder diesen Gefallen getan zu haben. Aber er beruhigte sich damit, dass es ja lediglich eine Adresse war. Trotzdem beendete er ziemlich rasch das Telefonat, wobei das dem suspendierten Agenten vollkommen recht war. Er hatte, was er wollte. Dort in dieser Klinik hielt sich DiNozzo auf, das fühlte er.

„Was ist?“ bellte Rebekka sofort, als Caulder das Gespräch beendet hatte, los. Sie wollte endlich wissen, was los war.

„Schätzchen, du siehst hier vor dir den Mann, der soeben den Aufenthaltsort von Special Agent Anthony DiNozzo herausgefunden hat.“ Selbstgefällig zog er die Israelin in seine Arme, die sich das aufgrund dieser überaus zufriedenstellenden Nachricht mit freudig aufgerissenen Augen gefallen ließ. Ein wohliger Schauer flog über ihren ganzen Körper – endlich war sie ihrem Erzfeind wieder auf den Fersen. Dieses Wissen erregte sie dermaßen, dass sie Caulder mit heißer Lust zu küssen begann. Und als der sie fast schon grob herumdrehte, ihr mit einer ruckartigen Bewegung den Pullover über den Kopf zog und begann, mit seinen Händen hart ihre Brüste und die steifen Brustspitzen zu kneten, da stöhnte sie mit rauer Stimme auf und bog sich ihm erwartungsvoll entgegen. Sie spürte es mit jeder Faser ihres Körpers: Heute würde auch sie Erfüllung finden.

55. Kapitel

HQ – In Direktor Vance´s Büro

Immer wieder hatte Vance über das Gespräch vom Vortag mit Gibbs nachgedacht. Langsam klappte er die vor ihm liegende Akte zu und betrachtete eine Weile sinnierend das Bild ihm gegenüber an der Wand. Schließlich traf er eine Entscheidung, griff zum Hörer und drückte den Knopf der Gegensprechanlage zu seinem Vorzimmer. Seine Sekretärin meldete sich fast umgehend und Vance holte tief Luft.

„Versuchen Sie, Sam Caulder zu erreichen. Wenn Sie ihn zu Hause nicht antreffen sollten, versuchen Sie es mobil. Es ist dringend! Ich muss den Mann sprechen – so schnell wie möglich“, bellte er seinen Befehl in den Apparat und legte auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Er wusste, dass seine rechte Hand, Caulder umgehend zu ihm durchstellen würde, sobald sie ihn erreicht hatte. Noch einmal atmete er tief durch und hoffte, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er hatte zwar schon lange keine Befragung mehr selber durchgeführt, doch dieses Mal musste es sein. Gibbs war einfach zu sehr in den Fall involviert, als dass er zulassen durfte, dass er Caulder verhörte.


Bei Caulder und Rebekka

Atemlos lagen Caulder und Rebekka nackt im Bett. Die Israelin hatte gerade einen Orgasmus erlebt, wie sie ihn schon lange nicht mehr gehabt hatte. Ihr Liebesspiel hatte heute eher etwas von einem Hahnenkampf gehabt. Zuerst hatte sie ihren Sexpartner nach Herzenslust dominiert – die Spuren davon waren noch überall an seinem Körper sichtbar – dann aber hatte er den Spieß umgedreht und sie hart und kompromisslos von hinten genommen. Doch gerade das hatte sie unglaublich angetörnt und mit einem wilden Aufschrei war sie schließlich gekommen.

Auch Caulder war voll auf seine Kosten gekommen. Ausgepumpt versuchte er immer noch, seine Atmung zu beruhigen. „Ehrlich, du bist unglaublich“ keuchte er, als schon wieder sein Mobil-Telefon läutete.

Mit einem Fluch auf den Lippen wälzte er sich aus dem Bett und ging ohne Scham zu verspüren nackt in die Küche, wo er es liegengelassen hatte. Nach wenigen Minuten kehrte er zurück. Mit einem überraschten Ausdruck im Gesicht stellte er sich vor seine Gespielin und hob vielsagend das Handy.

„He, was glaubst du wohl, wer das war?“

„Woher soll ich das wissen“, murrte sein Gegenüber unwillig. „Santa Clause?“

„Witzig, wirklich witzig. Entschuldige, dass ich nicht lache“, antwortete Caulder. „Aber dafür ist die Sache einfach zu ernst. Nein, das war Vance, der Direktor des NCIS. DiNozzo´s oberster Boss! Er will mich sprechen – in seinem Büro. Und zwar sofort!“

„Was denkst du will er von dir?“

„Keine Ahnung. Seine Sekretärin hat nichts gesagt. – Vielleicht hebt er ja meine Suspendierung auf.“

„Meinetwegen – ist doch jetzt eh egal, oder?“

„Dir vielleicht…“, antwortete Sam vielsagend, doch als ihn daraufhin ein mörderischer Seitenblick von Rebekka traf, setzte er schnell hinzu: „Vergiss nicht: Der Job könnte uns noch nützlich sein.“

Die Israelin verdrehte die Augen: „Oh ja, sicher.“ Sie hielt es für überflüssig, diesem kleinen Gernegroß an dieser Stelle mitzuteilen, dass er ganz sicher niemals mehr als Agent arbeiten würde – selbst, wenn diese bescheuerte amerikanische Behörde blöd genug wäre, ihn wieder einzustellen. „Aber ich dachte, du begleitest mich nach Miami?“

„Das werde ich auch, Süße, das werde ich auch. Nach allem, was die mir angetan haben, brauche ich einfach ein paar Tage Urlaub, bevor ich wieder voll einsteige. Ich werde Vance schon klarmachen, dass mich diese ungerechte Hetzjagd nervlich sehr mitgenommen hat.“ Er grinste gehässig. „Ein paar freie Tage losgelöst von diesem Verdacht, wird er mir nicht abschlagen können.“

„Wie auch immer. Sieh auf jeden Fall zu, dass du bald wieder hier bist. Ich werde inzwischen Erkundigungen wegen dieser Klinik anstellen und packen. Und du kümmerst dich um ein Auto. Ich will so schnell wie möglich nach Miami, aber Fliegen ist mir zu risikoreich. Zu viele Kontrollen.“

„Sollen wir mit meinem Wagen fahren oder willst du lieber was Neutrales? Das kostet aber Geld“, stellte Caulder fest, während er sich hastig anzog. Obwohl er gar nicht sicher wusste, was Vance von ihm wollte, fieberte er dem Gespräch bereits jetzt entgegen. Seiner Meinung nach konnte es nur um seine Wiedereinstellung gehen.

„Ich weiß!“ fauchte Rebekka ihn an. „Keine Sorge, soviel habe ich schon noch.“ Ihre Hochstimmung von eben war so schnell, wie sie gekommen war, wieder verflogen. Sie stieg aus dem Bett und trat an den Schrank. Aus einer Geldbörse, die in einer ihrer Jacken steckte, nahm sie mehrere Hundert Dollar, die sie Caulder hinstreckte.

„Hier, das sollte wohl fürs erste reichen.“

Mit einem Grinsen griff der blonde Agent nach dem Geld, doch Rebekka ließ nicht gleich los. Unter ihren prüfenden Blicken wurde ihm leicht unbehaglich zumute. „Was ist los?“

„Ich warne dich“, zischte Rebekka. „Wage es ja nicht, mich übers Ohr zu hauen, klar?“

„Wie würd´ ich denn“, antwortete Caulder betont cool und griff beschwingt nach seiner Jacke. „Als würde ich freiwillig auf solch guten Sex verzichten. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Warte hier auf mich – ich bin bald wieder da.“ Er küsste die Israelin flüchtig auf die Wange und verließ die Wohnung.

Rebekka schnaubte kurz verächtlich und wischte sich angeekelt mit der Hand über die Wange, kaum dass Caulder die Wohnung verlassen hatte „Das würde ich dir auch raten, mein Lieber“, sagte sie leise drohend, obwohl sie ja niemand mehr hören konnte. „Denn ansonsten werde ich dich finden und dann wirst du erleben, wie deine Knochen wie Streichhölzer brechen.“


Im HQ – Großraumbüro

Abby kam mit wehenden Zöpfen hüpfend in das Großraumbüro. Ihre große Versöhnung mit Gibbs und ihr Ermittlungserfolg hatten sie in eine immens gute Stimmung versetzt und so war sie fest entschlossen, auch andere daran teilhaben zu lassen – ob sie nun wollten oder nicht. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht blieb sie schließlich vor Gibbs Tisch stehen und trat hibbelig von einem Fuß auf den anderen – so lange, bis dieser schließlich hochblickte und sie fragend anschaute.

„Jaaaaa?“, erkundigte er sich zögernd. „Was ist los?“

„Ein Autogramm bitte“, kam es wie aus der Pistole geschossen von Abby und sie knallte schwungvoll eine Genesungskarte vor Gibbs Nase auf den Tisch. „Für Tony! Wenn wir ihn schon nicht besuchen dürfen, dann sollten wir ihm doch wenigstens mal schreiben. Findest du nicht auch? Ich meine, jeder freut sich doch, wenn er Post bekommt. Na ja, natürlich nur solange es keine Rechnung ist, denn Rechnungen gehören ja eher zur Kategorie „unbeliebte Post“. Weißt schon, das ist die Post, die man gerne mal ungeöffnet zur Seite legt und erst mal wieder verdrängt. Unsere Post gehört natürlich nicht dazu. Ich bin davon überzeugt, Tony wird sich auf sie stürzen und den Umschlag schneller öffnen, als du „piep“ sagen kannst.“ Sie klatschte vor Begeisterung in die Hände und redete dann ohne Pause weiter. „Natürlich ist mir klar, dass du nicht „piep“ sagen würdest, denn schließlich bist du ja kein Vogel, aber das sagt man so. Ich erklär´s dir nur, weil ich ja weiß, dass du Wichtigeres zu tun hast, als dich mit solch profanen Redewendungen auseinanderzusetzen und sie daher wahrscheinlich nicht kennst. Schließlich musst du dafür sorgen, dass dein Team funktioniert und das ist ja auch wirklich viel wichtiger, als…“

„Abs, ich…“

„Sag nichts, ich weiß, ich schweife mal wieder ab. Aber daran müsstest du doch inzwischen gewöhnt sein. Oh, Gibbs, Ich wäre zu gerne dabei, wenn Tony die Karte sieht. Hach, ich seh´ sein Gesicht förmlich vor mir…wie er sich freut, wenn er sieht, dass wir an ihn denken, auch wenn er nicht bei uns sein kann und wenn...He, du sagst ja gar nichts, findest du die Idee denn nicht gut?“ unterbrach sie sich plötzlich leicht verunsichert.

„Ähm…du redest, Abby“, meinte Gibbs und griff mit einem Schmunzeln nach der Karte. Seine Augen weiteten sich kurz, als er das Motiv darauf entdeckte: Ein Skelett mit Gipsarm und Kopfverband sowie diversen Pflastern auf den…Knochen. Darunter fand sich dann wider Erwarten einer der üblichen Genesungssprüche. „Wo um alles in der Welt bekommst du so was bloß immer her“, murmelte er dann leicht fassungslos.

„Toll, nicht wahr? Ich hab´ da so einen kleinen Laden in der Mall entdeckt. Da gibt es echt nichts, was es nicht gibt. Ehrlich Gibbs, du machst dir keine Vorstellung davon, was es da alles gibt. Stell dir vor, ich habe…“

„Das glaube ich dir unbesehen“, unterbrach Gibbs die Laborgoth, bevor diese eine neuerliche Tirade starten konnte.

„Komm schon…“ Abby klopfte mit Nachdruck auf die Karte. „Unterschreib! Bitte! Es ist doch nur eine Karte. Ducky hat schon unterschrieben. Er findet die Idee gut“, setzte sie mit Nachdruck hinzu und zog eine Schnute.

„Schon gut, schon gut.“ Der Grauhaarige griff nach einem Stift, setzte dynamisch seine Unterschrift auf die Karte und gab sie danach an Abby zurück.

„JA“, jubelte diese kurz auf. „Ich dachte schon, du sagst „Nein“.“

„Wie könnte ich“, schmunzelte Gibbs. „Gegen dich hat man doch keine Chance.“

„Ja, nicht wahr? Manchmal bin ich eben so und manchmal klappt das sogar! Ich finde das toll! – He, wo stecken denn eigentlich Ziva und Tim?“, wechselte sie dann etwas abrupt das Thema.

„Unterwegs. Tim hat die letzte bekannte Adresse von Gonzales herausgefunden und nun hoffen wir mal, dass sie diesen Typen dort auch antreffen. Ich freue mich schon sehr auf das Gespräch mit ihm.“

„Wenn es sich bei Gonzales nicht gerade um einen stadtbekannten Drogendealer handeln würde, könnte man ihn glatt bedauern“, meinte Abby mit einem schelmischen Lächeln im Gesicht. „Ich lege die Karte auf Ziva´s Tisch – pass´ bitte auf, dass beide unterschreiben, wenn sie zurück sind und einer soll die Karte dann zu mir runter bringen, okay? Ich will sicher gehen, dass sie heute noch abgeschickt wird.“

„Okay…Boss“, setzte Gibbs nach einer kurzen Pause hinzu.

„Menno, gönn mir doch meine gute Laune.“

„Tu ich doch!“

„Dann ist es ja gut. Ach übrigens: Ich habe für heute Abend einen Tisch in Jim´s Bar reservieren lassen. Ich finde, wir sollten etwas feiern.“

„Feiern? Was denn?“

„Versöhnungen“, kam es prompt von Abby. „Tony und Ziva, du und ich, na jaaa, und vielleicht ja auch du und Ducky“, setzte sie dann vielsagend hinzu, bevor sie sich schließlich in Richtung Aufzug auf den Weg machte. „Um 19.00 h in Jim´s Bar“, rief sie dem Chefermittler über die Schulter noch zu. „Und wehe, du lässt dich nicht wenigstens kurz dort blicken.“

Nachdem Abby verschwunden war, lehnte sich Gibbs weit in seinem Stuhl zurück und verschränkte mit nachdenklichem Gesicht die Hände hinter dem Kopf. Versöhnungen…Ja, davon hatte es in den letzten Tagen bereits ein paar gegeben. Im Grunde hätte Abby auch noch ihn und Tony hinzufügen können, aber davon konnte sie ja nichts wissen. Aber sie hatte wie so oft recht: Mit einer Person musste er auf dieser Ebene noch sprechen und so erhob er sich schließlich seufzend von seinem Platz und machte sich auf den Weg in die Pathologie.

 

56. Kapitel

Im HQ – Großraumbüro

Kurz nachdem Gibbs das Büro verlassen hatte, öffneten sich die Aufzugtüren erneut und Sam Caulder trat heraus. Einen Moment lang sah er sich mit einem leicht flauen Gefühl im Magen um, doch das Großraumbüro war weitgehend leer, was ihm sehr gelegen kam. Er hatte wahrlich keine Lust, sich einem Spießrutenlauf unterziehen zu müssen. Langsam setzte er sich in Richtung Treppe zu Vance´ Büro in Bewegung. Dadurch kam er auch an dem Bürobereich vorbei, in dem die Schreibtische von Gibbs´ Team standen. Er warf einen giftigen Blick in Richtung der Schreitische von Tony und Ziva als er plötzlich stutzte. Eine Karte mit einem merkwürdig verbundenen Skelett darauf erregte unwillkürlich seine Aufmerksamkeit. Langsam trat er ein paar Schritte näher und beäugte die Karte näher. Genesungswünsche …! Sofort regte sich sein Instinkt. Irgendetwas in ihm signalisierte, dass diese Karte mit DiNozzo zu tun hatte. Wusste er doch seit etwa einer Stunde, dass der sich vermutlich in einer Klinik befand, da passten solche Wünsche doch wie die Faust aufs Auge. Unauffällig sah er sich um, doch niemand schien ihn zu beachten. Dass sich ein Agent in der hinteren Ecke des Büros für sein etwas auffälliges Verhalten interessierte, bemerkte er nicht.

Schnell drehte er die Karte um und las die von Abby verfassten Zeilen, doch zu seiner Enttäuschung fand er keine weiteren Hinweise auf DiNozzo´s derzeitigem Aufenthaltsort. Irgendwie hatte er gehofft, vielleicht noch etwas Wichtiges dazu zu erfahren. Eine Adresse womöglich – ja, das wär´s gewesen. Rebekka wäre sicherlich beeindruckt gewesen. Schade eigentlich. Etwas enttäuscht legte er die Karte zurück auf den Tisch.

In diesem Moment wurde er an der Schulter gepackt und rüde herumgerissen. Er sah sich einem wutentbrannten Gibbs gegenüber. Der junge NCIS-Agent, dem Caulder zuvor aufgefallen war, hatte ihn verständigt, dass sich jemand an ihren Schreibtischen zu schaffen machte, woraufhin Jethro schnellstens zurück ins Büro geeilt war. Und jetzt stand er hier vor dem verhassten Kerl, der ihre ganze Behörde in Verruf und Tony in Verdacht gebracht hatte.

„Was zum Teufel haben Sie hier zu suchen?“, schleuderte ihm der ranghöchste Agent des NCIS gift- und gallespuckend entgegen. Offensichtlich hatte er Mühe, seine Wut im Zaum zu halten. Die Adern an seinem Hals traten deutlich hervor und er spürte sogar seinen Puls pochen.

Einen Moment lang lief Caulder ein kalter Schauer des Schreckens über den Rücken, dann hatte er sich aber schon wieder gefangen.

„Fassen Sie mich gefälligst nicht an!“, fauchte er Gibbs entgegen und schüttelte brüsk dessen Hand ab. „Ich bin zu Vance bestellt, außerdem geht Sie das überhaupt nichts an!“

„Das hier ist aber nicht Vance` Büro!“ Jethro stieß ihn mit der Hand gegen die Schulter, drängte ihn gegen den Schreibtisch und baute sich bedrohlich nur wenige Zentimeter vor Caulder´s Gesicht auf. „Was zum Teufel haben Sie hier an Ziva´s Schreibtisch verloren? Los! Raus mit der Sprache!“

„Mir ist lediglich diese äußerst geschmackvolle Karte ins Auge gestochen. Ist das ein Verbrechen?“, schrie nun der in die Enge gedrängte, suspendierte NCIS-Agent. „Und jetzt gehen Sie mir gefälligst aus dem Weg!“ Er versuchte, sich an Jethro vorbei zu drängen, was dieser aber vehement zu verhindern wusste. Dieser Kerl hatte Dreck am Stecken, das fühlte der erfahrende Agent ganz genau und er war nicht gewillt, jetzt locker zu lassen. Caulder wankte – er hatte Angst vor ihm – Gibbs konnte den Angstschweiß förmlich riechen.

Bevor es jedoch zu weiteren Handgreiflichkeiten kommen konnte, donnerte Vance` befehlende Stimme von der Galerie zu ihnen herab. „Sofort Schluss damit! Agent Gibbs, treten sie von dem Mann zurück!“

Gibbs dachte jedoch nicht daran und hatte schon seine Hand am Revers von Caulder´s Jackett.

„AGENT GIBBS! Das war ein Befehl!“ Vance ließ keinen Zweifel daran, dass es ihm ernst war. Dabei war ihm weniger an Caulder, als an Gibbs gelegen. Er wollte unbedingt verhindern, dass sein Senior-Agent sich Schwierigkeiten einhandelte, indem er womöglich seinen Widersacher durch einen gezielten Faustschlag ins Land der Träume schickte. Er konnte ja nicht ahnen, dass Gibbs dem Nestbeschmutzer nur Angst einjagen wollte, in der Hoffnung, dass dieser dann einknickte.

Noch einige Augenblicke bedachte Gibbs den straffällig gewordenen Agenten mit einem tödlichen Blick. „Ich krieg´ Sie, Caulder. Darauf können sie sich verlassen!“, raunte er ihm mit eisiger Stimme zu. Damit drehte er sich abrupt um und verließ mit einem Seitenblick zu Vance, der alles sagte, was ihm im Moment durch den Kopf ging, das Büro. Er hielt es hier keine Sekunde länger aus, wenn er nicht doch noch jemandem an die Gurgel gegen sollte.

Aufatmend strich Caulder sich sein Sakko glatt, bevor er erneut zusammenzuckte.

„Caulder! In mein Büro! Sofort!“, drang Director Vance´ Stimme an sein Ohr.

Langsam setzte sich Caulder in Richtung Treppe in Bewegung. Diese unerfreuliche Szene mit Gibbs hatte ihn zwar vorübergehend aus der Fassung gebracht, doch inzwischen hatte er sich wieder weitgehend im Griff. Er würde genau das tun, was er sich im Vorfeld vorgenommen hatte. Er würde sich dem Gespräch mit Vance stellen, es blieb ihm auch gar nichts anderes übrig, wenn er seinen Job wirklich wieder zurück haben wollte. Und sollte das Gespräch für ihn unangenehm werden oder wider Erwarten womöglich in die falsche Richtung laufen, dann würde er einfach erst einmal das tun, was er bislang auch getan hatte: Leugnen. Einfach alles abstreiten! Dann musste die Behörde auf jeden Fall zuerst alles daran setzen, ihm das Gegenteil zu beweisen. Und das – da war er sich sicher – würden sie so schnell sicher nicht schaffen. Schließlich war er immer sehr vorsichtig gewesen. Selbstbewusst betrat Caulder die Galerie und anschließend Vance´s Vorzimmer ohne anzuklopfen. Was dieser Gibbs konnte, konnte er schon lange.

***************

Das altbekannte `Pling´ ertönte und Tim und Ziva betraten mit Gonzales im Schlepptau das Büro, das auf den ersten Blick wie ausgestorben wirkte.

„Was ist denn hier los?“, fragte Tim verwundert.

„Ja“, stimmte Ziva zu, die Gonzales an den Handschellen hinter sich her zerrte. „Ist ja gar keiner da. Merkwürdig.“

„He, was soll das?“, rief von weiter hinten der Kollege aus dem anderen Team, der Gibbs auf Caulder aufmerksam gemacht hatte. „Bin ich vielleicht Niemand?“

„Sorry – nein, natürlich nicht“, antwortete Tim schnell. „Ich hab´ dich gar nicht gesehen. Weißt du, wo Gibbs steckt?“

„Nein, nach dem Tumult vor ´ner Stunde ist er verschwunden und seitdem nicht wieder aufgetaucht.“

„Tumult? Was für ein Tumult?“, fragte McGee verständnislos.

„Caulder war hier und Agent Gibbs … nun, ich denke er hätte ihm wahrscheinlich zu einer neuen Kauleiste verholfen, wenn Director Vance nicht eingegriffen hätte.“

„WAS! Verdammt, das hätte ich gerne gesehen“, murmelte Tim.

„Ich auch. Was dieses Schwein wohl hier wollte?“, überlegte Ziva. „Hmm, vielleicht ist Gibbs ja unten im Labor? Tim, übernimmst du Gonzales? Bring ihn doch schon mal in einen Verhörraum – ich suche inzwischen nach Gibbs.“

„Aber ich könnte doch auch…“, wandte McGee ein.

„Bitte, Tim. Vielleicht habe ich ja Glück und erreiche Tony noch. Heute
Abend bleibt ja nicht viel Zeit, wenn wir uns in Jim´s Bar treffen wollen. Ich
mach´s auch kurz, versprochen, Und dann mache ich mich direkt auf die Suche nach Gibbs, okay?“

„Gut, einverstanden.“ Tim packte Gonzales am Arm und schob ihn vor sich her. „Na los, komm schon, beweg dich.“ Eisern schob der MIT-Absolvent den sichtlich widerstrebenden Mann vor sich her.

Ziva griff zum Telefon und wollte gerade die Nummer der Klinik wählen, als sie die Karte auf ihrem Tisch bemerkte. Gerührt griff sie danach und konnte ein Schmunzeln über das eigenwillige Motiv der Genesungskarte nicht unterdrücken. Abby…sie war schon eine treue Seele, dachte sie bei sich. Was hätte sie bloß ohne die Unterstützung ihrer Freundin in den letzten Wochen getan? Sie hatte keine Ahnung. Ihre Gedanken schweiften kurz in die Vergangenheit ab. Früher hätte sie sich nie von jemand anderem helfen lassen – schon gar nicht ihren Kummer mit jemandem geteilt. Selbst wenn es jemand probiert hätte – sie hätte denjenigen weggestoßen und sich in sich selber vergraben. Es waren traurige Zeiten gewesen und sie war froh und dankbar, dass sie endlich vorbei waren.

Das Telefon klingelte und Ziva seufzte. Chance vertan, dachte sie bei sich und meldete sich. „David.“

„Nicht so förmlich. Ich bin´s doch, Abby“, kam es entrüstet zurück.

„Sorry, ich hab´ nicht auf´s Display geschaut“, antwortete Ziva. „Was ist los?“

„Ich warte auf die Karte – die Ausgangspost geht bald raus. Gibbs hat dir doch Bescheid gesagt, oder?

„Nein, aber ich habe sie auch so gefunden – sie ist witzig.“

„Ja, nicht wahr?“, freute sich Abby. „Kannst du sie mir kurz runter bringen? Ich komm´ hier gerade nicht weg.“

„Mach´ ich. Tim hat aber noch nicht unterschrieben. Ich geh´ kurz zu ihm und dann komme ich. A pro pos: Gibbs ist nicht zufällig bei dir?“

„Gibbs? Nein, sonst hätte ich doch wohl auch kaum vermutet, dass er dir Bescheid gesagt hat. Als ich ihn zuletzt gesehen habe, war er an seinem Platz.“

„Okay.“ Ziva wirkte ein wenig abwesend. Wo zum Teufel steckte Gibbs? Sie brannte cntindarauf, dem Verhör von Gonzales hinter der Scheibe beizuwohnen. Schließlich ging es darum, Tony sauber zu waschen…oder hieß es reinzuwaschen? Egal! Auf jeden Fall wollte sie dabei sein!

„Ziva?“, plärrte Abby´s Stimme aus dem Hörer.

„Ja, ja, schon gut. Bin schon unterwegs. Bis gleich.“ Die Israelin griff nach der Karte und machte sich auf den Weg.


57. Kapitel

In Rebekkas Wohnung

Rebekka hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte, richtete sich auf und stemmte ihre Hände ins Kreuz. Packen gehörte nicht gerade zu ihren Leidenschaften und so war sie froh, dass Caulder endlich zurückkam und sie Hilfe bekam. Doch als gleich darauf die Tür derart laut ins Schloss knallte, dass sie unwillkürlich zusammenzuckte, verzog sie ihre Lippen zu einem hämischen Grinsen. So wie es schien, war die Besprechung mit dem Direktor des NCIS anders gelaufen als ihr Kumpan es sich vorgestellt hatte. Nun, umso besser für sie, dann klemmte der Idiot wenigstens nicht in letzter Sekunde seinen Schwanz ein. Schließlich sollte er ihr in Miami noch von Nutzen sein, da wollte sie ihn nicht jetzt schon umbringen müssen. Sie hielt sich zurück und wartete, bis Caulder mit vor Wut verzerrtem Gesicht das Schlafzimmer betrat. Er warf einen Blick auf den offenen Koffer, der auf dem Bett lag und herrschte sie brüsk an:

„Was ist? Bist du fertig? Bevor wir uns auf den Weg nach Florida machen, müssen wir schließlich auch noch kurz bei mir vorbei.“

Die Israelin macht die berühmte imaginäre Faust in der Tasche, bevor sie überaus höflich fragte:

„Und? Wie ist es gelaufen? Geben sie dir deinen Job wieder?“

Mehr als ein wütendes Schnaufen bekam sie nicht zur Antwort. Caulder drehte sich auf dem Absatz um, ging in die Küche und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Rebekka spürte, wie die Wut in ihr hochkochte. Was erlaubte sich dieser blöde Ami? Wenn er glaubte, er könnte so mit ihr umspringen, dann hatte er sich aber gründlich geirrt. Bedächtig folgte sie ihrem Liebhaber in die Küche, der an die Arbeitsplatte gelehnt sein Bier mit tiefen Schlucken gleich aus der Flasche trank.

„Ich finde dein Benehmen zum kotzen“, fauchte sie ihn an. „Ich habe schließlich nur höflich gefragt, wie es gelaufen ist!“ Hach, sie ließ es sich nicht anmerken, aber es machte großen Spaß, den Finger noch einmal auf die Wunde zu legen.

Caulder hob eine Hand und ließ sie gleich darauf wieder fallen. „Nicht jetzt, okay? Ich will mich erstmal wieder beruhigen.“

„So schlimm?“, erkundigte sie sich vermeintlich mitfühlend.

„Schlimmer! So wie es aussieht hat diese bescheuerte Irre aus dem Labor eine Videoaufnahme aus dem Hauptquartier ausgegraben, die mich angeblich belastet. Vance sprach davon, dass sie Lippen lesen kann! Ist so was überhaupt vor Gericht beweiskräftig? Ich meine, die kann sich ja Gott weiß was aus den Fingern saugen. Himmel…“ Er schlug so hart mit der Faust gegen die Kühlschranktür, dass diese aufsprang. „…wer kann denn so was ahnen. Vance wollte, dass ich Stellung zu den Vorwürfen nehme, aber ich habe das Gefühl, er hat mir nicht alles gesagt. Irgendwas haben sie noch in Petto und jetzt wollen sie mich endgültig kaltstellen. Also habe ich vorsichtshalber die Aussage verweigert. Weißt du, was er daraufhin zu mir gesagt hat? `Caulder, Sie nehmen sich besser einen Anwalt!´“ Er spie den letzten Satz förmlich aus. „ICH, Ich soll mir einen Anwalt nehmen! Und was ist mit DiNozzo? Braucht der etwa keinen?“

Rebekka dachte sich ihr Teil, doch sie hütete sich, ihn in ihre Gedankengänge einzuweihen. Stattdessen überwand sie sich, ging die paar Schritte auf Caulder zu und schmiegte sich in seine Arme. „Tut mir Leid für dich. Ehrlich“, log sie wie geschmiert und lies zu, dass er geistesabwesend mit ihren Brustwarzen zu spielen begann. „He“, raunte sie lediglich, als nur Augenblicke später seine Bemühungen in eine eindeutige Richtung abzudriften schienen. „Nicht jetzt! Es ist nicht der richtige Zeitpunkt. Lass uns abhauen. Ich bin soweit fertig. Den Leihwagen habe ich eben schon abgeholt. Wir fahren noch kurz bei dir vorbei und dann machen wir uns auf den Weg nach Miami. Und heute Abend suchen wir uns ein lauschiges Motel, da kannst du dann deinen Gelüsten nach Herzenslust nachkommen, okay?“

„Versprochen?“, fragte er heiser, denn die Lust hatte ihn schon wieder fest im Griff.

„Habe ich dich jemals belogen?“, fragte Rebekka hemmungslos und lächelte ihr Gegenüber süß und verführerisch an.


In Jim´s Bar

„Hey, was ist los mit dir?“, erkundigte sich McGee bei Abby. „Du guckst so traurig.“

„Genau“, sagte nun auch Ziva. „Ich dachte, wir wollten hier ein wenig Versöhnungen feiern. Aber du schaust eher, als wäre jemand über den Potomac gegangen.“

Jetzt schlich sich doch ein kleines Lächeln auf Abby´s hübsches Gesicht. „Oh, Ziva, ich fürchte, du wirst es nie lernen. Es heißt „über den Jordan gegangen“, verbesserte sie ihre Freundin sanft.

„Aber warum denn bloß?“ Ziva schüttelte verständnislos den Kopf. „Schließlich sind wir hier in Washington und nicht in Israel! Ich meine, gut, ich bin gebürtige Israelin und wenn ich noch dort wäre, hätte ich natürlich gesagt „über den Nahar ha-Jarden gegangen“, das ist nämlich der hebräische Name für den Jordan, aber so…?“ Ziva´s Gesicht drückte ihre Verwirrung perfekt aus. „…das ist doch völlig widersinnig.“

Die anderen am Tisch mussten nun alle lachen und Ziva stimmte schließlich in das Gelächter mit ein. „Du hast recht, Abby. Ich lerne es wohl nie…ihr mit euren Redewendungen und Sprichwörtern. Schade, dass Tony nicht hier ist. Der hätte jetzt auch sicher seinen Spaß gehabt.“

„Oh ja“, stimmte Ducky ihr zu. „Den hätte er bestimmt. Aber ich bin davon überzeugt, meine Liebe, dass er schon sehr bald wieder mit uns lachen wird.“

„Ja, ich auch“, meinte Ziva. „Wir telefonieren viel und es scheint ihm wirklich schon viel, viel besser zu gehen. Aber er vermisst uns.“

„Du meinst wohl `dich´“, sagte Tim daraufhin trocken.

„Natürlich vermisst er mich“, antwortete Ziva in seine Richtung. „Aber er vermisst auch `uns´. Das ganze Team. Ich soll euch übrigens herzlich von ihm grüßen.“

„Danke!“, kam es einstimmig von den anderen.

„Und? Hast du die Karte weggeschickt?“, fragte Ziva nun wieder an Abby gewandt.

„Natürlich“, antwortete diese nach einem kurzen Zögern. Zum wiederholten Male blickte sie zur Tür. „Scheint so, als würde er nicht mehr kommen“, sagte sie dann mehr zu sich selbst und ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich wieder.

„Ach, darum geht´s“, grinste Tim, dem plötzlich ein Licht aufging. „Gibbs und du, ihr hattet ja auch heute eure ganz persönliche „Versöhnung“, nicht wahr?“

„Mensch, Tim!“, rief Abby erbost. „Dir erzähle ich auch nichts mehr. Du bist ja schlimmer als die Tageszeitung!“

„Genau!“, ertönte in diesem Augenblick eine wohlbekannte Stimme und McGee´s Kopf bekam einen kleinen Ruck nach vorn.

„He!“, protestierte der lachend. „Boss, was soll das? Ich bin nicht Tony!“

„Aber der ist nun mal zurzeit nicht greifbar“, meinte Gibbs ungerührt und zog sich einen Stuhl heran. „Da muss halt ein anderer herhalten und da ich mich nicht schon wieder mit den Frauen anlegen möchte…sorry, Elfenkönig, aber du erscheinst mir gerade als der beste Reservist!“ Der Teamchef drehte sich um und wartete, bis Jim hinter der Bar auf ihn aufmerksam wurde. Dann bestellte er per Handzeichen eine weitere Runde Getränke, bevor er sich schließlich wieder seinen Kollegen zuwandte, die ihn, inzwischen wieder ernst geworden, fragend musterten.

„Und? Wie ist die Vernehmung gelaufen?“, platzte Ziva schließlich heraus, als Gibbs sich wie gewohnt erst einmal in Schweigen hüllte.

„Na ja, ich würde mal sagen solala“, antwortete Gibbs und verzog das Gesicht bei der Erinnerung an die Vernehmung von Gonzales, denn die hatte sich wider Erwarten ganz schön lange hingezogen. Der Dealer hatte sich als eine harte Nuss entpuppt, doch letzten Endes war es Gibbs dann doch gelungen, ihn mit einem Mittel zu knacken, dass er eigentlich sonst nur als allerletzte Lösung in Erwägung zog. Aber hier war es schließlich darum gegangen, Tony ein für allemal zu entlasten und dafür war ihm jedes Mittel recht. „Ich musste ihm einen Deal anbieten, sonst hätte er wohl nicht gesungen. Aber nun kann ich gleich morgen zu Vance gehen und dann kann er Sam Caulder endgültig entlassen und dafür sorgen, dass Tony´s guter Ruf wieder hergestellt wird.“

„JA!“ Ziva ballte erleichtert die Faust. „Ich muss nachher gleich Tony anrufen! Der wird sicher ganz aus der Hütte sein.“

„Aus dem Häuschen“, verbesserte Jimmy Palmer sie mutig.

„Fängst du jetzt auch noch damit an?“, fauchte Ziva Ducky´s Gehilfen an, der gleich abwehrend beide Hände hob und sich duckte.

„Nimm´s mir nicht übel“, bat ihr Chef. „Aber das habe ich schon getan. Das war ich ihm einfach schuldig.“ Er drehte sich wieder in Richtung Bar. „He, Jim, was ist los? Wo bleiben die Getränke? Wir haben was zu feiern.“

Jim, der an diesem Abend ziemlich gestresst wirkte, rief zurück: „Moment noch, okay? Ich bin gleich bei euch.“

 

58. Kapitel

Am gleichen Abend – Miami Traumacenter

Auch Tony war es nach Gibbs´ Anruf zum Feiern zumute. Ein Problem war gelöst und dass er nun über jeden Verdacht erhaben war, nahm ihm eine große Last von der Seele. Caulder, dieser Drecksack, der ihm diese Suppe eingebrockt hatte, würde entlassen werden und für sein Vergehen in den Bau wandern. Sein Boss hatte ihm erzählt, dass mal wieder Abby´s Unbeirrbarkeit den Stein ins Rollen gebracht hatte. Sie war einfach die Beste! Gleich morgen würde er sie anrufen und sich bei ihr bedanken. Mehr konnte er von Miami aus ja nicht bewerkstelligen, aber das war wirklich das Mindeste, was er tun konnte. Jetzt mussten seine Freunde nur noch Rebekka ausfindig und dingfest machen. Nur noch… Er verzog kurz das Gesicht. Wenn das mal so einfach wäre…Nein! Tony hob entschlossen den Kopf und verbot sich, weiter an Rebekka zu denken. Die hatte heute keinen Platz in seinen Gedanken – es gab Wichtigeres als diese kranke israelische Terroristin. Es gab etwas zu Feiern und er wollte verdammt sein, wenn er diese Gelegenheit nicht nutzte. Er griff nach einer recht guten Flasche Rotwein, die ihm Emilio nach einigem Zureden besorgt hatte. Das generöse Trinkgeld, das ihm Tony zugesteckt hatte, hatte ihm die Entscheidung natürlich entschieden leichter gemacht, aber das war dem Halbitaliener egal. Seine Freunde in DC feierten am Abend in Jim´s Bar und er würde es ihnen gleich tun. Gut gelaunt verließ er sein Zimmer, in der Hoffnung, auf jemanden zu treffen, der seine Freude mit ihm teilte. „Man muss die Feste feiern wie sie fallen“, murmelte er leise zufrieden vor sich hin und machte sich erwartungsvoll auf den Weg.

Nachdem er schon ca. eine halbe Stunde erfolglos das Haus und den Garten durchstreift hatte, beschloss er aufzugeben und durch den Hintereingang zurück in sein Zimmer zu gehen. Die erste Euphorie war verflogen und er war schon etwas enttäuscht, dass ihm noch nicht einmal Randy über den Weg gerollt war. Doch ein Blick auf seine Armbanduhr zeigte ihm, dass es tatsächlich schon recht spät war. Vermutlich waren sie alle schon im Bett – schließlich war es ein normaler Wochentag und am nächsten Morgen begannen bereits um 8.00 h die ersten Therapiestunden. Wer also vorher noch frühstücken wollte, musste sich entsprechend früh aus den Federn bemühen. Besser, er ging auch ins Bett, damit er am nächsten Tag pünktlich war. Mit hängendem Kopf ging er am Rand des Pools entlang auf den Hintereingang zu.

„Tony?“

Der Braunhaarige schreckte zusammen und schaute sich um. Etwas abseits saß am Rand des Pools bei den Umkleidekabinen fast versteckt eine zierliche Gestalt in einem der für die Patienten bereitstehenden Liegestühle. Anna, registrierte er gleich darauf erleichtert. Verdammt! Das er immer noch so schreckhaft reagierte, ärgerte ihn sehr, doch Anna zuliebe zauberte er ein Lächeln auf sein Gesicht und ging langsam und bedächtig auf die junge Frau zu.

„Anna, was machst du denn um diese Zeit noch hier draußen so ganz alleine?“

„Ich sitze oft abends hier und schaue auf´s Wasser. Das beruhigt meine Gedanken.“

„Und du hast keine Angst hier so allein im Dunkeln?“, tastete Tony sich vor und setzte sich vorsichtig auf den Rand der Nachbarliege.

„Nicht hier“, antwortete Anna. „Hier bin ich sicher. Ich wünschte, ich könnte für immer hier bleiben.“

„Ja“, antwortete Tony langsam und folgte ihren Blicken auf die spiegelglatte Wasserfläche des Pools, das im Zwielicht der wenigen Laternen merkwürdige Schatten warf. „Ich verstehe, was du meinst. Mir ging es am Anfang auch so.“

„Jetzt nicht mehr?“, hakte Anna ein und schob ihre Sonnenbrille, die sie zu jeder Tages- und Nachtzeit trug, nach oben, um Tony forschend in die Augen blicken zu können.

„Nein, jetzt nicht mehr“, sagte Tony mit fester Stimme. „Es geht mir besser – ich weiß, dass es mir noch nicht wirklich gut geht und dass ich deswegen noch bleiben muss, aber ich bin dankbar für die Erfolge, die sich nach der relativ kurzen Zeit schon zeigen. Und ich freue mich schon jetzt darauf, wenn ich irgendwann in mein altes Leben zurückkehren kann, zu meiner Verlobten, zu meinen Freunden und Kollegen. Kannst du das verstehen?“

„Natürlich…“ Anna zog ihre Sonnenbrille wieder vor die Augen und wandte zusätzlich ihren Blick in eine andere Richtung. Tony wartete ab und schwieg. Er hatte inzwischen gelernt, dass Gespräche mit Anna Zeit und Geduld erforderten, da sie oftmals große Pausen zwischen ihren Sätzen machte. So war es auch dieses Mal. In ihrer Stimme schwang tiefe Trauer mit, als sie schließlich weiter redete. „Ihr geht schließlich alle irgendwann.“

„Und das macht dir …Angst? Oder macht es dich traurig?“

Anna schüttelte leicht den Kopf „Weder – noch – ich habe mich daran gewöhnt.“

„Trotzdem willst du bleiben“, stellte er fest und als Anna nun zustimmend nickte fuhr er fort. „Randy bleibt auch! Er wird den Laden irgendwann übernehmen.“

„Ja…das ist gut“, antwortete Anna schlicht.

„Finde ich auch. – Hast du eigentlich keine Verwandten oder Freunde, die sich um dich kümmern, wenn du entlassen wirst?“

„Ich will nicht entlassen werden!“ Zum ersten Mal zeigte Anna einen Anflug von Temperament. „Ich dachte, du verstehst mich!“

„Das tue ich doch“, sagte Tony schnell. „Aber andererseits meinte Randy, dass du den Ausflug am Wochenende eventuell mitmachen würdest – da musst du doch auch die Klinik verlassen.“

„Das ist was anderes – es wäre eine Ausnahme gewesen, aber da du nicht mitfährst hat sich die Sache ja eh erledigt. Lass gut sein – ich will nicht mehr darüber sprechen, okay?“

Tony raufte sich durch die Haare. „Es ist nur so, dass es für mich schwer vorstellbar ist, dass…“ Er stoppte und machte eine Handbewegung. „Vergiss es.“ Dann griff er zu seiner Geldbörse und entnahm ihr eine seiner Visitenkarten. „Hier, bitte nimm das.“

„Wozu?“

„Weil ich möchte, dass du weißt, dass du mich jederzeit anrufen kannst, wenn du das Bedürfnis danach hast. Auch wenn ich entlassen bin. Jederzeit, hörst du? Und sollte ich nicht direkt drangehen können, dann sprich auf den AB oder die Mail-Box. Ich rufe dich dann so schnell wie möglich zurück. Und wenn du es möchtest, komme ich dich auch besuchen.“

„Wirst du dann deine Verlobte – Ziva – mitbringen?“

„Wenn das okay für dich ist. Du wirst sie bestimmt mögen. Ich könnte mir vorstellen, dass ihr euch gut verstehen würdet“, setzte Tony noch hinzu, obwohl er sich da gar nicht soooo sicher war. Zu verschieden waren diese beiden Frauen, aber auch Ziva hatte in ihrem Leben schon viel Fürchterliches erleben und mitmachen müssen…es gab also durchaus Parallelen. Erleichtert registrierte er, wie Anna die Karte zögernd an sich nahm, einen kurzen Blick darauf warf und sie dann akribisch in ihrer riesigen Handtasche, die Gott weiß wie viele geheimen Fächer hatte und die Anna ausnahmslos immer mit sich herumschleppte, verstaute.

„Was hattest du eigentlich mit dem Wein vor?“, wechselte Anna danach sehr abrupt das Thema und wies auf die Flasche, die Tony neben der Liege abgestellt hatte.

„Oh, die Flasche…ich…ich…ähm…“ Die junge Frau hatte es mal wieder geschafft und Tony aus dem Konzept gebracht. Er räusperte sich und setzte noch einmal an: „Ich hatte eigentlich gehofft, noch jemanden zu finden, mit dem ich etwas feiern kann“, gab er dann zu.

„Statt dessen findest du mich“, stellte Anna nüchtern fest.

Täuschte er sich oder hatte er gerade eben ein winziges Lächeln auf Anna´s Gesicht gesehen? „Nun…eigentlich hast eher du mich gefunden“, antwortete er mit einem Schmunzeln. „Hey, möchtest du vielleicht einen Schluck? Ich könnte bestimmt noch irgendwo Gläser…“

„Tony – das ist ja wirklich nett von dir, aber ich muss Medikamente nehmen, wie du weißt.“

„Oh, ja sicher, sorry.“

„Was gibt´s denn zu feiern?“

„Na ja, meine Leute drüben in DC haben heute einen großen Coup gelandet. Das wird mir sehr helfen, wenn ich wieder arbeitsfähig bin.“

„Oh, bedeutet das, dass du nun doch am Wochenende die Tour zu Clark´s Abschied mitmachen kannst? Das würde ja alles ändern.“

Erwartungsvoll blickte Anna Tony ins Gesicht und er konnte sich nicht helfen: Er brachte es nicht übers Herz, Anna – der offenbar doch sehr daran lag, diesen Ausflug mitzumachen, selbst wenn sie es nicht zuzugeben bereit war – zu enttäuschen. Außerdem, was sollte schon groß passieren? Schließlich wusste niemand außer seinen Freunden, wo er untergeschlüpft war. Und von denen würde es garantiert niemand weiter erzählen. Er ging ihm deutlich besser und er war sicher untergebracht…was sprach also dagegen, dass er seiner neuen Freundin diesen kleinen Gefallen tat? Es ging schließlich nur um wenige Stunden…

„Tony?“

„Ja“, sagte er schließlich und holte einmal tief Luft. „Das bedeutet es. Ich werde den Ausflug mitmachen. Eigentlich hatte ich ja vor, dich kurz vor Abfahrt damit zu überraschen, aber das klappt ja wohl jetzt nicht mehr.“ Tony machte ein betont zerknirschtes Gesicht.

„Versprochen?“, fragte Anna zaghaft.

„Versprochen“, bekräftigte Tony mit fester Stimme und als er sah, wie sich jetzt tatsächlich ein wirkliches Lächeln auf Annas Gesicht zeigte, war er mehr denn je davon überzeugt, dass er das Richtige tat.

 

To be continued - im nächsten Thread!

 

 

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