Hier trefft ihr einen alten Bekannten wieder - und werdet evtl. zu Beginn ein bisschen überrascht sein :o) Aber genau das ist Sinn und Zweck der Geschichte: Überraschen und Verwirren! Wir (d.h. meine Co-Autorin Evelyne und ich) hoffen, dass uns dies gelingt. Es wird auf jeden Fall im höchsten Maße dramatisch, denn dies ist:

 

"Die wahre Geschichte einer Leiche, die evtl. gar keine Leiche ist..."


Aktuell ist die Story für den Award 2012 in 4 Kategorien nominiert, und zwar in der Kategorie "Teamwork" wie auch in der Kategorie "Special-Award" (als beste schräge Story). Außerdem wurde unser Hauptakteur als "bester eigener Charakter" nominiert und ein "Zitat" aus dieser Geschichte wurde ebenfalls vorgeschlagen. Die Autorinnen freuen sich und warten nun ab, was passiert...Warten ist doof :-(

 

Genug geredet - viel Vergnügen mit:

 

 

DEIN GRAB SEI DIR GEWISS...

PROLOG

 

"Nichts ist gewisser als der Tod, nichts ungewisser als seine Stunde." (Anselm v. Canterbury)




„Der Tat geht eine Handlungsplanung voraus …“

Intelligente Handlungsplanung befasst sich mit der automatischen Erzeugung strukturierter Anordnungen von Aktionen, deren Ausführung stets ein vorgegebenes Ziel erreichen soll.
Je nach Anwendung können diese Aktionen Operationen sein, die zum Beispiel ein technisches System ausführen muss, um ein gewünschtes Verhalten zu zeigen, oder eine bestimmte Reaktion hervorzurufen.
Es kann sich hierbei aber auch um Aufgaben oder Aktivitäten handeln, die zur Durchführung komplexer Vorhaben notwendig sind; sowohl in der Logistik, in der Einsatzplanung oder auch bei der Erstellung von bestimmten Arbeitsabläufen.

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Eine Tat, in dem hier beschriebenen Ausmaß, muss bis ins kleinste Detail geplant, Entscheidungen müssen getroffen und Schwerpunkte gesetzt werden, um das zuvor festgelegte und angestrebte Ziel zu erreichen:


Die Zerstörung des NCIS-Teams unter der Leitung von Leroy Jethro Gibbs.

 

TEIL 1

Er plante akribisch! Immer! Bis ins kleinste Detail! Ausnahmen kamen für ihn nicht in Frage! Er malte sich die Szenarien in solch minimalistischen Details aus, ging dabei derart in die Tiefe jeglicher Vorstellung, dass selbst er manchmal Schwierigkeiten hatte, es noch von der Realität zu unterscheiden. Dafür war er berühmt und berüchtigt, und viele beneideten ihn um diese Gabe. Dessen war er sich sehr wohl bewusst und er war stolz auf diese Tatsache. Der Erfolg gab ihm Recht! Was er anpackte, gelang ihm. In Perfektion! Er machte nie Fehler. Er war der Beste. Er war Mr. Thomas Smith!!!

Weiß Gott, Sonntag hin oder her, es lag noch viel Arbeit vor ihm. Bisher hatte er ja nur Gedankengänge aufgeschrieben - bis auf ein paar ausgearbeitete Momente, die noch nicht spruchreif waren – so vieles musste noch überarbeitet werden, eventuell sogar abgeändert werden, bevor er schließlich seinen Auftraggebern die Morde und somit das Ergebnis seiner Arbeit präsentieren konnte.

Thomas rückte seine Arbeitsutensilien zurecht. Auf seinem Schreibtisch herrschte - wie immer - eine strukturierte Ordnung. Die Art von Ordnungsliebe, die man ihm auch in seiner Art der Vorbereitung nachsagte. Während er grübelnd vornüber gebeugt mit seinem Bleistift spielte, fiel sein Blick auf seine Karteikarten. Feinsäuberlich sortiert nach möglichen Tatwaffen, möglichen Tatorten, Motive, Zielpersonen … die Liste war lang.

Seine Sammlung war im Laufe der Zeit vielfältig und umfangreich geworden; seine jahrelangen Recherchen hatten sich am Ende als persönlicher Glücksfall erwiesen. Alleine seine Tatwaffensammlung war sehenswert, auch wenn er sie selbstverständlich niemals einem anderen zeigen würde. Denn Tatwaffen im Allgemeinen sind Waffen, die zur Ausübung von verboten Handlungen eingesetzt werden, die am Ende entweder lediglich einen Schaden entstehen lassen oder aber gar eine Gefahr für Leib und Leben darstellten. Er bevorzugte eindeutig Letzteres und Himmel, es machte so großen Spaß. Sein erklärtes Ziel war es, von jeder einzelnen aufgeführten Waffe, von den potenziell gefährlichen Gegenständen, bis hin zu den Folter- und Hinrichtungsinstrumenten, einmal Gebrauch zu machen. Sicherlich ein utopisches Ziel, das war ihm durchaus bewusst, und doch... es gab so viele Möglichkeiten … Wie dem auch sei, diese Karteikarten würden ihm sicherlich die nächsten Tage große Dienste erweisen, wenn es darum ging, den Opfern die passende Tatwaffe zuzuordnen.

Bisher stand nur eine unwiderrufliche Tatsache fest. Die Reihenfolge! Eine Reihenfolge, die an Dramatik und Emotionen sicherlich nicht mehr zu überbieten war. Eine Reihenfolge, die mit Sicherheit wahre Kettenreaktionen der Gefühle auslösen würde. Ein kleiner glücklicher Seufzer entrang sich seiner Kehle. Hach, er liebte das!

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Notiz:

- Ziva David
- Dr. Mallard
- Abigail Sciuto
- Jimmy Palmer
- Timothy McGee
- Anthony DiNozzo
- Leroy Jethro Gibbs
- eventuell könnten zwischendurch noch weitere Agenten ums Leben kommen,
z.B. Direktor Leon Vance, FBI-Agent Tobias Fornell usw.

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Obwohl man bei einer zeitlichen Ordnung ja eher von einer Abfolge sprach, und weniger von einer Reihenfolge, die mit der ersten Zahl beginnt und mit der letzten Ziffer endet. Da die Reihenfolge aber in diesem speziellen Fall aber eine Wertung und aufeinander aufbauende Handlungen und Ereignisse beinhaltet, wäre es hier wohl am passendsten von einer Rangfolge oder einem Ranking zu reden. Ja, genau! Das war es! Ein Todesranking! Das Wort gefiel ihm und inspirierte ihn zum ersten Punkt seines Todesrankings: Ziva David.

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Memo: Mittwoch, 26.05.2016
Zielperson: Ziva David
Mögliche Tatwaffen:
- Tendenz: potenziell gefährlichen Gegenstand auswählen, z.B.:
- Messer
- Skalpell
- Krawatte
- Spritze mit lähmendem Gift (gut geeignet, wenn Ziva David noch länger leben soll)
- mit Nägeln gespickter Knüppel
- Pistole (vermutlich zu alltäglich)
- Drahtseil
Angestrebtes Ziel:
- quälen (spricht für Spritze)
- Angst erzeugen und spürbar werden lassen
- dann töten

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Ziva David, die ehemalige Mossadagentin, zittert noch am ganzen Körper und es fällt ihr offenbar schwer, ihre immer noch andauernde Erregung nach außen hin nicht zu zeigen. Mit einem glückseligen Lächeln auf den Lippen und zerzausten Locken, die ungebändigt über ihre Schulter fallen, verlässt sie den Eingang des unauffälligen Mehrfamilienhauses. Sie wirft einen kurzen Blick zurück. Nein, nicht im Zorn, es ist ein Blick, an dem sich die ungeheure Leidenschaft der letzten Stunden 1 : 1 ablesen lässt. Könnte man in ihr Inneres blicken, so würde man Tony DiNozzo erkennen; wie seine Lippen zärtlich über ihren Körper wandern, während seine Finger gleichzeitig über ihre nackte Haut streicheln. Die Augen sinnlich geschlossen, reckt sie ihm ihren durchtrainierten, sehnigen Körper entgegen. Sie biegt und windet sich, damit der Mann an ihrer Seite nur ja jede noch so verborgene Stelle an ihrem Körper erreichen kann. Kehliges Stöhnen vermischt sich mit glücksseligen Lauten, die das Vollkommene dieser Situation widerspiegeln.

Langsam und mit federnden Schritten überquert Ziva David die um diese Zeit menschenleere Straße und geht auf ihren Wagen zu. Sie ist in prächtiger Stimmung und diejenigen, die sie besser kennen, könnten schon allein anhand ihrer Körpersprache in diesem Augenblick erkennen, wie unsagbar glücklich sie ist. Noch einmal blickt sie sich um und lässt ihren Blick die Hausfront hinauf in den 3. Stock schweifen, wo ein Schatten unscharf hinter den Vorhängen auszumachen ist. Es scheint als überlege sie für einen kurzen Moment, ob sie ihr Vorhaben nach Hause zu fahren, nicht doch kurzerhand über den Haufen werfen solle. Doch dann hebt sie für einen kurzen Abschiedsgruß nur kurz eine Hand und winkt. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, als sie erkennt, dass die Gestalt hinter dem Vorhang zurückwinkt.

In der Dunkelheit erkennt man undeutlich die schwarze Statur eines Mannes im Trenchcoat, der sich im Hauseingang eines Nachbarhauses aufhält. Während Ziva David in ihrem Rucksack nach ihrem Autoschlüssel kramt, nähert er sich ihr unbemerkt. Dunkles Grollen aus der Ferne kündigt ein sich näherndes Sommergewitter an und die Wolken am Himmel verdichten sich rasch. Jetzt steht der Mann dicht hinter Ziva – im fahlen Schein des Mondes erkennt man nun deutlich seine eiskalten Augen unter dichten, über der Nasenwurzel vor Anstrengung zusammengezogenen, Brauen, in der erhobenen Hand hält er . . .

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TEIL 2

Schweiß sammelte sich auf Thomas Stirn. Sein Atem stockte und er verfluchte insgeheim die Momente, die ihn immerzu drängten, sich zu entscheiden. Verdammt, wie er es hasste, unter Zeitdruck zu arbeiten! Dieses elende Gefühl, nicht lange genug nachdenken zu können, und so am Ende vielleicht eine falsche Entscheidung zu treffen; eine Entscheidung, die sich dann wie ein roter, zäher Faden durch die weitere Zukunft zog und mit der er alles, wofür er in der Vergangenheit so hart und unerbittlich gearbeitet hatte, riskierte. Diese Angst schnürte ihm die Kehle zu. Ja, es waren genau jene Momente, in denen er Angst hatte zu versagen. Komplett zu versagen. Das durfte einfach nicht geschehen. Er musste sich endlich entscheiden.

Viel zu viel stand auf dem Spiel und es lag allein an ihm, dass das Leben so weiterlief wie bisher. Er trug eine große Verantwortung und er war sich ihrer nur zu gut bewusst. Rechnungen wollten bezahlt werden - die Hypothek für sein Haus musste bald neu verhandelt werden. Aber schließlich war er schon immer ein verantwortungsbewusster Mensch gewesen. Manchmal vielleicht sogar zu sehr. Doch was regte er sich so auf, bislang waren seine Auftraggeber schließlich noch immer zufrieden mit ihm gewesen und er wollte verdammt sein, wenn er zuließ, dass sich das in Zukunft änderte... Er würde das hinbekommen – ganz sicher, er musste das hinbekommen! Die alles entscheidende Frage war, durch was Ziva David zu Tode kommen sollte...Er wollte etwas Neues, etwas, das nachhaltig in Erinnerung blieb. Ja, verdammt, er wollte einen Knaller!

*****




„Das Frühstück ist fertig“, hallte es plötzlich durch den Flur und ließ ihn kurz zusammen zucken.

„Kommst du, Schatz?“, folgte gleich darauf die unvermeidliche Frage seiner Frau.

„Ja, ja…“ Er atmete einmal tief durch und streckte den steif gewordenen Rücken durch. „Ich komme. Gib mir fünf Minuten, okay?“

Thomas war bereits um vier Uhr morgens aufgestanden und mittlerweile sichtlich erschöpft von seinem Schlafmangel, der unter anderem durch die ständigen Albträume hervorgerufen wurden, die ihn in der Dunkelheit immer häufiger quälten. Immer und immer wieder träumte er von Leichen, von Mord und Totschlag, von Explosionen und Entführungen. Großer Gott, letztens hatte er sogar von seiner eigenen Autopsie geträumt, das musste man sich einmal vorstellen. Thomas schüttelte sich, um die Erinnerungen an jenen Traum abzuschütteln. Zu grausam waren die Bilder, die sich unaufhaltsam und leider Gottes auch unwiderruflich in sein Gedächtnis gebrannt hatten. So sehr er sich auch bemühte, er wurde diese Bilder nicht mehr los. Es war ein total merkwürdiges Gefühl gewesen, ausgerechnet von den Männern aufgeschnitten zu werden, mit denen er tagein tagaus zu tun hatte. Selbst, wenn es nur ein Traum gewesen war. Noch immer hatte er Jimmy Palmers wahnsinnig grinsendes Gesicht vor Augen und wie sein Speichel Tropfen für Tropfen den Weg in seinen geöffneten Brustkorb fand. Schweißnass und mit Schnappatmung war er damals – als der Traum ihn das erste Mal heimgesucht hatte – aus dem Schlaf aufgeschreckt und inzwischen war das nächtliche Umherirren in den dunklen Zimmern seines alten Herrenhauses in der Dublinstreet zu einem immer wiederkehrenden Ritual geworden; ein Ritual, mit dem er versuchte, den Geistern entgegen zu treten, die er selbst gerufen hatte, und wenigstens hin und wieder einen Hauch von Ruhe zu finden.

Zu seinem größten Bedauern, waren seine bisherigen Versuche, sich mit den Geistern zu arrangieren, nicht unbedingt von Erfolg gekrönt. Müde rieb er sich die brennenden Augen. Verdammt, er brauchte unbedingt etwas Schlaf – nein, nicht die Art von Schlaf, die er in den letzten paar Wochen gehabt hatte, sondern tiefen, traumlosen und erholsamen Schlaf. Aber so wie er sich kannte, würde es dazu wohl in der nächsten Zeit nicht kommen. Halt, da fiel ihm etwas ein. Hastig kramte er nach Stift und Papier. Das war gut – das war richtig gut! Er musste sich das unbedingt notieren, bevor er endlich dem ungeduldigen Rufen seiner Frau Folge leistete.

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Memo: Sonntag, 30.05.2016 – 9.15 h

Zielperson: ??????

Mögliche Tatwaffe: Der Fahrstuhl !!! Die Frage ist nur: Kabine oder Schacht???

Angestrebtes Ziel: Die Zielperson töten und alle Anwesenden gleichzeitig durch den Knalleffekt schockieren – pures Entsetzen hervorrufen

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„Thomas Smith!“ Seine Frau streckte den Kopf durch den Türrahmen und sah ihn ungeduldig und teilweise mahnend an. Ihre Stimme klang gespielt streng. „Könntest du bitte damit aufhören, Mordpläne zu schmieden und endlich zu mir nach unten kommen? Es ist Sonntag, der Tag des Herrn. An Sonntagen sollte man nicht arbeiten. Noch nicht einmal du. Und jetzt komm bitte endlich frühstücken.“

Thomas blickte auf und lächelte seiner Frau liebevoll entgegen. Sie hatte ja so recht. Wie immer. Er sollte tatsächlich endlich aufhören zu grübeln und mal wieder etwas ganz Alltägliches unternehmen – wie zum Beispiel mit seiner Frau frühstücken. Seiner wunderbaren, liebevollen Frau. Hübsch, unbestreitbar, aber irgendwie alltäglich. Wenn er ehrlich zu sich selber war, ein Frühstück mit der ehemaligen Mossadoffizierin Ziva David, diesem unsagbaren Rasseweib, würde er jederzeit bevorzugen. Denn bereits in seinem ständig wiederkehrenden Traum hatte er der Anziehungskraft der schönen Israelin nicht widerstehen können. Oh ja, der Traum hatte auch seine kurzen, durchaus schönen Momente gehabt. Doch die süße Erinnerung an seine Flirtversuche wurde dann jedes Mal jäh durch die abrupte Entnahme seiner Leber unterbrochen. Oh Gott, wie hatte er sich geschämt, wegen seiner angeblichen Fettleber – ob er wohl tatsächlich daran litt? Schließlich hatten Träume ja auch mit dem Unterbewusstsein zu tun. Hatte er zumindest mal irgendwo gelesen. Wer weiß, womöglich wollte seines ihm ja etwas mitteilen? Vielleicht sollte er in den nächsten Tagen, bzw. nach Abschluss dieses Auftrags, der ihm solch große Freude bereitete und der ihm endlich die Möglichkeit gab, sich an allen zu rächen, den Arzt seines Vertrauens aufsuchen und einen Gesundheits-Checkup durchführen lassen. Obwohl…sein Vertrauen in Ärzte hatte seit dem Traum schon einen kleinen Knacks davon getragen. Statt eines harmlosen Stethoskops hatte er nun immer eine gefährliche Knochensäge vor Augen. Unwillkürlich schüttelte er unwillig den Kopf. Nein, er war sich sicher, er musste sich definitiv nur mal wieder wie ein ganz normaler Mensch fühlen.

Er streckte sich und verspürte in sich plötzlich die Lust, an diesem wunderschönen Frühlingstag einen Spaziergang durch die Straßen seines Viertels zu machen. Vorbei an den teuren Villen und einfach stundenlang am Flussufer entlang zu wandern. Dort konnte er sich wenigstens für eine kurze Zeitspanne lang der Illusion hingeben, er wäre ein ganz normaler Mensch, mit einem völlig normalen Beruf, so wie früher. Auch, wenn natürlich nichts mehr so wie früher war, als er noch jeden Morgen um 7.00 h das Haus verlassen hatte und pünktlich um 17.00 h wieder zu Hause gewesen war. Im Grunde war es ja nur allzu logisch, dass seine Gedanken immer wieder um das gleiche Thema kreisten. Hier, an dem Ort, wo er seine Ideen in die Tat umsetzte, Pläne schmiedete und sich die ungeheuerlichsten Geschehnisse bis hin zur Perfektion ausmalte. Er musste mal hier raus! Und wenn er dann später ausgeruht zurückkehrte, würde ihm sicherlich auch die perfekte Mordwaffe für Ziva David einfallen.

Ein entschiedenes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. Warum zweifelte er bloß immer an sich? Er hatte bisher doch noch immer die richtige Idee gehabt und, was noch wichtiger war, er hatte seine Auftraggeber noch nie enttäuscht. Nicht ein einziges Mal. Jeden seiner Aufträge hatte er höchst erfolgreich zu einem Ende geführt, was aber durchaus auch seiner akribischen Planung zuzuschreiben war. Da machte er sich nichts vor. Kaum jemand in diesem Metier beschäftigte sich so intensiv mit seinen Zielpersonen und den Vorgaben seiner Auftraggeber. Dazu musste man natürlich schon einen gewissen Aufwand betreiben und das alles kostete ihn eine Menge Zeit. Aber der Erfolg hatte ihm bisher stets recht gegeben. Wo also bitte, hatte er nur sein Selbstvertrauen vergraben? Und wann zum Teufel war dies geschehen? Er war gut, er war sogar verdammt gut! Die Prämien für erfolgreich erledigte Aufträge landeten schließlich regelmäßig auf seinem Konto und bei diesen Summen konnte er wahrlich nicht meckern. Er hatte sich auf dem Markt etabliert und war mit der Zeit sogar zu einer angesehen Größe heran gewachsen. Er hatte sich einen Namen gemacht, den man in der Szene kannte und respektierte. Sein neuer Auftrag war ebenso vielversprechend, wie die zuvor. Sicherlich nicht einfach, aber er würde die auftauchenden Probleme schon lösen…

*****



„Thomas…ich warte…ich bewege mich hier nicht von der Stelle, bis du endlich…“

„Ich komme doch schon, Schatz. Wer könnte dem Duft deines frisch aufgebrühten Kaffees schon widerstehen?“

Kaffee??? He, da kam ihm doch gleich wieder eine Idee. Doch er wusste, wenn er sich jetzt nicht sputete, dann würde seine holde Angetraute richtig böse auf ihn werden. Und wenn sie wütend wurde, hatte sie weitaus mehr Temperament als eine gewisse Ziva David, sie konnte zur Hyäne werden. Und das ging ja mal gar nicht. Er hasste Streit – manch einer würde vielleicht sogar gehässig behaupten, dass er harmoniesüchtig wäre. Er musste diesen Gedanken einfach nur festhalten. Nicht vergessen. Später würde er dann weiter darüber nachdenken. Doch, der Gedanke hatte definitiv was für sich – er musste nur noch ein wenig daran feilen…

„THO…!“

Schnell sprang er auf. „Bin schon da.“ Er umarmte seine Frau kurz und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und ging voraus. „He, worauf wartest du noch?“, fragte er und warf seiner Frau einen frechen Blick über die Schulter zu, den diese mit einem nachsichtigen Kopfschütteln quittierte.

 


TEIL 3

Es war die richtige Entscheidung gewesen und er hatte die frische Luft, die, durch die Frühlingssonne bereits erwärmt, lauwarm um seine Nase blies, sehr genossen. Vor wenigen Minuten waren seine Frau und er nach Hause zurück gekehrt und hatten sich dazu entschlossen, den Nachmittag mit einem leckeren Stück Erdbeersahnetorte und einer Kanne Kaffee auf der um diese Tageszeit sonnendurchfluteten Terrasse ausklingen zu lassen.

Während seine Frau bereits ins Haus ging, wollte Thomas schnell noch mit dem Auto zur Konditorei fahren. Er stieg beschwingt in den Wagen und winkte seiner Frau von weitem kurz zu, während er schon routiniert nach seinem IPod in der Jackentasche griff, das er für die Dauer des Spazierganges vorsichtshalber auf lautlos gestellt hatte, da er sehr gut wusste, wie seine Frau reagierte, wenn er in der Öffentlichkeit andauernd das Handy am Ohr hatte.

Als er die Anzahl der unbeantworteten Anrufe entdeckte, schluckte er einmal schwer. Gott, konnten sie ihn nicht wenigstens an einem Sonntagnachmittag mal in Ruhe lassen? Geschickt, und all die guten Vorsätze über Bord werfend, verknüpfte er das Handy mit seiner Freisprechanlage und drückte auf die ‚Anruf erwidern‘ Taste. Es dauerte nicht lange, bis am anderen Ende abgehoben wurde.

„Na, das wurde aber auch Zeit“, begrüßte ihn der ungeduldige Gesprächspartner.

„Dir auch einen schönen Sonntag.“ Diese bissige Anmerkung konnte Thomas sich einfach nicht verkneifen. „Was gibt´s denn so dringendes, dass das nicht bis morgen warten könnte?“ Ein Grinsen legte sich auf sein Gesicht. Auch wenn er gerne alleine beruflich tätig war, das Arbeiten im Team machte ihm ebenso großen Spaß, es brachte Abwechslung und Spannung in seinen manchmal doch etwas tristen Alltag.

„Ich hätte da einen Vorschlag, wie wir DiNozzo um die Ecke bringen könnten. Ich glaub´, ich kann sein dämliches Clownsverhalten nicht mehr länger ertragen.“

Thomas räusperte sich. „Du willst ihn tatsächlich jetzt schon umbringen? Reicht es nicht, ihm mal einen Denkzettel zu verpassen. Ich meine nur, wir sollten vorsichtig sein, was…“

„Ach komm schon, Thomas. No Risk, no Fun. Sind das nicht deine Lieblingsworte, mein Lieber? Wo bleibt deine Gier nach Blut? Es gab Momente, da konnte man dich in deinem Rausch Leute zu töten, nicht bremsen und jetzt machst du halt vor so einem Möchtegern-Halbitaliener.“

„Nein, du verstehst mich falsch. Ich will nur nicht voreilig handeln. Nachher verlieren wir ihn, bevor es uns gelungen ist, die anderen reichlich leiden zu lassen. Ich finde nur einfach, dass wir uns mit ihm Zeit lassen sollten. Außerdem leidet er schon alleine dadurch wie ein Hund, dass wir ihm Ziva so früh wegnehmen. Versetz dich nur mal in ihn hinein – wie er in der Pathologie steht und das zu Brei geschlagene Antlitz seiner Liebsten betrachten muss. Wie er sich fragen muss, ob es wohl auch zu diesem tödlichen Übergriff gekommen wäre, wenn die beiden nicht wie lüsterne Teenager, die ihre Triebe noch nicht unter Kontrolle haben, ihre animalischen Gelüste ausgelebt hätten…“

„Ah, du meinst, wir sollten sie alle erst richtig quälen? Nicht nur körperlich, sondern auch emotional?“

Oh ja! Genau das meinte er! Verdammt, warum war er eigentlich der Einzige, der sich auch mit der Gefühlswelt seiner Zielpersonen auseinandersetzte? Die Anderen tendierten immer nur zu einem schnellen und brutalen „Aus und Vorbei“. Natürlich konnte auch ein Schuss aus kurzer Distanz, mit einer Schrotflinte zum Beispiel, üble und grausame Wunden hervorrufen, die die Zielpersonen vor ihrem tatsächlichen Tod noch erhebliche körperliche Schmerzen erleiden ließen, aber er war schon immer ein Verfechter der These gewesen, dass auch das „Wie“ im Vorfeld eine große Rolle spielte. Konnte es denn eine größere Befriedigung geben, als eine Zielperson durch vorangegangene Taten emotional so weit zu treiben, dass sie sich schließlich selber umbrachte, weil sie sich nicht vorstellen konnte, wie sie mit dem Erlebten weiter leben konnte? Es war ihm natürlich klar, dass dies bei DiNozzo wohl nicht zu erreichen wäre – dazu war der Mann charakterlich zu sehr gefestigt, aber trotzdem…für ihn war es einfach unvorstellbar, dem Mann ein schnelles, abruptes Ende zuzugestehen.

Nein, Anthony DiNozzo, dieser aufgeblasene Affe mit Tendenz zur maßlosen Selbstüberschätzung sollte in seinem Szenario mehr als nur körperlich leiden. Er wollte sich an seinen gequälten Gesichtszügen ergötzen, dem Leid, dass der Verlust seiner Freunde emotional bei ihm hervorrief. Ja, er wollte ihm vor seinem Ableben erst einmal definitiv den Clown austreiben! Erst später wollte er dann seine hilflosen Schreie und sein Jammern, noch besser, sein leises Wimmern und Flehen, in seinen Ohren wie sachte Klaviermusik erklingen hören. Langsam und ohne Hast sollte ihm das pulsierende Leben aus den Adern weichen. Er hatte zu Hause auf seinem Schreibtisch bereits eine ganze Sammlung von grausamen Ideen, bisher war er leider noch nicht dazu gekommen, die unterschiedlichen Varianten so auszuarbeiten, dass er auch nur andeutungsweise zu entscheiden vermochte, welches dieser Szenarien, das richtige für einen wie Anthony DiNozzo sein konnte, doch Thomas war sich sicher, es würde das Schrecklichste werden, dass er bisher ...

"Also erst quälen?", bohrte sein Gesprächspartner weiter und riss Thomas damit aus seinen Überlegungen. `Sei vorsichtig, was du sagst´, mahnte er sich selbst. `Es könnte ja sein, dass du die Anderen noch brauchst. Also verschreck sie nicht gleich zu Beginn.´

„Nun, mit einem einzigen Paukenschlag das Team zu zerstören, fände ich nicht allzu reißend“, antwortete er daher mit Bedacht. „Es würde mir nur halb so viel Spaß machen. Vergiss nicht, wir haben Zeit. Es kann Tage, von mir aus ja gerne auch Monate, dauern. Langsam, schmerzvoll und …“

„Puh, schwierig“, mischte sich der Gesprächspartner wieder ein. „Das wird eine Menge Spuren hinterlassen und Abby wird so schnell nicht aufgeben. Du weißt ja, wie sie ist. Sie wird so lange herum suchen, bis sie eine Spur findet.“

„Nun, dann wird sie dieses Mal eben bei ihren Ermittlungen scheitern“, lachte Thomas Smith laut auf. „Es liegt schließlich an uns. Oder sie wird als eine der Ersten drauf gehen. Obwohl ich ja schon gerne sehen würde, wie sie um ihre Freunde trauert. Aber man kann wohl nicht alles haben.“ In Gedanken spulte er schnell seine bisherigen Notizen zu Abigail Sciuto in seinem Kopf ab.

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Memo: Dienstag, 25.05.2016 – 22.45 h

Zielperson: Abby Sciuto

Todesursache: Ersticken in ihrem eigenen Schlafsarg, der – nachdem sie eingeschlafen ist – hermetisch versiegelt wird

Angestrebtes Ziel: Panik sähen – Misstrauen und Angst muss sich breit machen – allen muss nun klar werden, dass es jeden treffen kann/wird

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„He, Thomas", holte ihn die Stimme zurück in die Realität. "Hast du schon mal in Erwägung gezogen, einen Krimi zu schreiben? Bei deinen grausamen Fantasien wären das bestimmt die absoluten Bestseller. Die Verlage würden sich um die Rechte streiten.“

„Mmh“, grummelte Smith. „Das ist nichts für mich. Weißt du, ich brauche mehr Aktion, ich will mit Menschen zu tun haben und nicht nur einsam am Computer sitzen. Nein, Bücher kann ich auch noch schreiben, wenn ich alt und runzlig bin. Noch bin ich voller Tatendrang.“

Er war ein Energiebündel. Und er hatte viele Pläne, die er erst in die Tat umsetzen wollte, bevor er sich zur Ruhe setzte. So lange diese in seinem Kopf herumschwirrten, war an nichts anderes zu denken. Manchmal machten ihn seine Gedanken schier wahnsinnig.

„Oh, ich freue mich auf jeden Fall auf die entsetzten Gesichter des Pathologenteams, wenn sie eine liebgewonnen Leiche nach der anderen obduzieren müssen“, quäkte da schon wieder die Stimme an seinem Ohr und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. „Du Thomas, sind wir grausam?“

„Klar“, grunzte er ungehalten. „Aber dafür werden wir ja schließlich auch gut bezahlt.“

„Mmh, gut. Du hast mich überredet. Schieben wir Tonys Tod eben noch ein wenig zurück und kümmern uns erst um die anderen. Du hast ganz recht: Das wird ihn fertigmachen, diesen kleinen Macho.“

„Also abgemacht.“ Thomas war natürlich von nichts anderem ausgegangen, aber er hatte inzwischen gelernt, wie wichtig es war, seine Mitstreiter bei Laune zu halten. Der Trick hierbei war, sie in dem Glauben zu lassen, sie hätten die Ideen mitentwickelt. Einen Kniff, den er mittlerweile ebenfalls – wie so vieles – fast schon bis zur Perfektion umsetzen konnte. „Hey, aber deine Idee will ich trotzdem hören.“

„Klar, morgen früh tische ich dir die grausamste Mordmethode auf, die dir je untergekommen ist. Und dann reden wir auch über diese heiße Sexszene zwischen David und DiNozzo. Das mit den versteckten Kameras war ein kluger Schachzug mein Lieber. Genial.“

„War aber auch verflucht schwierig, die da reinzukriegen, musste dafür noch zusätzlich einen Auftragskiller anheuern“, erwiderte Thomas noch immer vor sich hin lachend. „Jetzt aber genug für heute – meine Frau wartet auf ihren Erdbeerkuchen. Schönen Sonntag noch.“

Ohne ein weiteres Kommentar abzuwarten, drückte er das Gespräch weg und somit auch vorläufig die leise angeklungenen Bedenken, die ihn während des Telefonates plötzlich und unerwartet überfallen hatten. Hoffentlich verlor er bei diesem geplanten Szenario nicht irgendwann den Überblick. Er hatte schon so viele Stunden in diesem Auftrag investiert, Möglichkeiten abgewogen und am Ende wieder verworfen. Es musste irgendwann ein Ende finden. Ein Ende allerdings, das allen Beteiligten in ewiger Erinnerung bleiben sollte.

Teil 4

 

Memo: Montag, den 31.05.2016 – 03.15 h

Zielperson: Leroy Jethro Gibbs – stirbt auf jeden Fall als Letzter, jedoch wird sein Tod schon früher „eingeleitet“

Mögliche Tatwaffe: Ein mit einer Seuche – meinetwegen ähnlich wie Ebola (es muss natürlich etwas sein, dass sich eine gewisse Zeitl lang auf „toten“ Gegenständen hält) – infiziertes Werkzeug

Angestrebtes Ziel: Wie immer die Zielperson töten, jedoch den Zeitpunkt im Unklaren lassen in der Gewissheit, dass jemand, der mit Holz arbeitet, sich auch irgendwann eine kleine Verletzung zufügen wird…

Mögl. Problematik: Die Beschaffung eines solches Virus???

Positiver Nebeneffekt: Gibbs leidet länger als die anderen unter dem Verlust seiner Kollegen – nicht ahnend, dass auch er unausweichlich einem grausamen Tod entgegen sieht

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Ja, das hörte sich gut an, richtig gut. Thomas lehnte sich zufrieden in seinem bequemen Schreibtischstuhl zurück und beglückwünschte sich einmal mehr zu seiner Entscheidung, sich dieses teure Stück geleistet zu haben. Er war halt auch nicht mehr der Jüngste und sein Rücken…na ja. Noch einmal warf er einen schnellen Blick auf das Memo. Doch ja, auch beim wiederholten Lesen fand er seine Entscheidung über Gibbs Tod nach wie vor gut. Über diesen Gedanken war er sogar aufgewacht und hatte sich in aller Herrgottsfrühe in sein Arbeitszimmer geschleppt, um ihn festzuhalten. Er kannte das! Das, was einem nachts manchmal durch den Kopf spukt, war am nächsten Morgen dann plötzlich nicht mehr greifbar und dieses Risiko hatte er nicht eingehen wollen.

Er spürte eine Hand, die sich sanft auf seine Schulter legte und zuckte unwillkürlich erschrocken zusammen. Doch es war nur seine Frau – wer sollte es auch sonst sein.

„Thomas, was um alles in der Welt treibst du denn um diese Uhrzeit hier? Komm zurück ins Bett.“ Sie wirft einen Blick auf das Memo und sagt mit leichtem Entsetzen in der Stimme. „Oh, nein. Wie kannst du ihm das antun wollen? Er ist doch so ein netter Mann.“

Thomas schwieg dazu und dachte sich nur seinen Teil, denn er war da gänzlich anderer Meinung. Nett ist bekanntlich die kleine Schwester von Scheiße, schoss es ihm durch den Kopf und wenn er an seinen Albtraum aus der Pathologie denkt, wird ihm vor Wut wieder fast übel. Zunächst hatte er ja noch vermutet, Gibbs wäre auf seiner Seite, doch dann hatte er feststellen müssen, dass dies mitnichten der Fall war. Stattdessen hatte der Teamleiter die Blicke geradezu genüsslich über seinen nackten Körper auf dem kalten Stahltisch streichen lassen und sich benommen, wie ein unreifer Spanner. Gott, er hatte sich ja so entsetzlich geschämt, aber das hatte ja niemanden gekümmert. Wenn er nur daran dachte, kochte ihm immer noch die Galle hoch. Doch, seiner Meinung nach konnte er Gibbs gar nicht genug leiden lassen… Er für seinen Teil freute sich zumindest schon darauf.

„Komm ins Bett“, sagte seine Frau wieder.

„Ich kann ja doch nicht schlafen“, antwortete er.

„Oh, dafür werde ich schon sorgen.“ Sie schenkte ihm ein anzügliches Lächeln und er blickte sie überrascht an.

War das etwa ein Angebot? Um diese Uhrzeit? Sehr ungewöhnlich für seine doch stets etwas prüde Ehefrau, die normalerweise eine Befürworterin des Samstagabend-Sex nach der großen TV-Show war. Aber nun denn, an ihm sollte es nicht liegen. Guter und vor allen Dingen befriedigender Sex verhalf ja bekanntlich den Personen, die ihn praktizierten, zu einem Zustand wohliger Entspannung und wenn er gerade so darüber nachdachte wäre das bei seinen Verspannungen jetzt genau das Richtige. Also lächelte er ein wenig nachsichtig getreu dem Motto `Sicher Schatz, wenn du´s so nötig hast, werde ich´s dir schon richtig besorgen´, und folgte seiner Frau ins Schlafzimmer.

Doch nur 2 Stunden später saß er wieder – getrieben von einer seltsamen inneren Unruhe – an seinem Schreibtisch und dachte nach. Es galt noch so viel zu recherchieren, zu planen und vorzubereiten und schließlich wollte er sich keinen Fehler erlauben. Kurz schweiften seine Gedanken zurück ins Schlafzimmer und dem zurückliegenden Sex. Seine Frau hatte sich richtig Mühe gegeben und ja, auch er hatte die spontane Einlage durchaus genossen. Wenn er auch – wie so oft in der letzten Zeit – die ganze Zeit über Ziva David vor seinem inneren Auge gesehen hatte. Da war es durchaus von Vorteil, dass seine Frau immer darauf bestand, das Licht zu löschen. Hoffentlich rutschte ihm nicht mal aus Versehen im unpassendsten Moment Ziva´s Name raus. Das wäre natürlich fatal. Außerdem – so rief er sich ins Gedächtnis zurück – Ziva war tot. Es war aus und vorbei – er selbst hatte die Agentin schließlich um die Ecke gebracht. Ihr fürchterliches Ableben minutiös initiiert und praktiziert. Also vergiss sie endlich, mahnte sein Kopf, während sein Körper ihm schon wieder etwas anderes signalisierte.

Müde streckte er seine Knochen. Die Verspannungen fühlten sich jetzt tatsächlich etwas besser an – von daher war der Sex wohl schon die richtige Entscheidung für seinen Körper gewesen…dafür brummte ihm jetzt aber der Schädel vom feinsten. Ignorieren, alter Junge, befahl er sich selber. Du musst sehen, dass du voran kommst. Nicht so oft abschweifen, sondern sich auf das Wesentliche konzentrieren – darauf kam es an. Ach ja, und er durfte seinen Zeitplan nicht aus den Augen verlieren – die so immens wichtige Abfolge der Ereignisse:

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Ziva David = abgehakt und erledigt

Abigail Sciuto = das „Wie“ war inzwischen bekannt und er hatte inzwischen auch schon eine Idee, wie er die Kameras unbemerkt in ihrer Wohnung installieren konnte.

Leroy Jethro Gibbs = Für ihn galt das Gleiche wie für Abby

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Es wurde also Zeit, dass er sich Dr. Donald Mallard widmete – schließlich sollte der alte Mann noch vor der Laborgoth das Zeitliche segnen. Und hier waren noch einige Punkte unklar. Komm schon, trieb er sich selber an. Denk nach, verdammt! Vielleicht sollte er sich einfach an seinem damaligen Traum orientieren ...

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Telefonklingen durchdringt den Raum. Wieder und wieder und wieder schallt das nervtötende Tuten durch die dunkle Wohnung, bis sich endlich eine Tür öffnete und der Pathologe den Wohnraum betritt. Verschlafen schlurft er auf das Beistelltischchen zu, auf dem sich ein altmodisches Telefon mit Wählscheibe befindet, während er sich gleichzeitig den Gürtel seines seidenen Morgenmantels vor dem Bauch zubindet.

„Ich komme ja schon. Mein Gott, ich komme ja schon", murmelt er leise vor sich hin, während er nach dem Lichtschalter an der Wand tastet.

Ein Blick auf die Uhr verrät ihm, dass es gerade mal 6.30 h ist – an einem Sonntagmorgen, wenn er sich richtig erinnert. Dr. Mallard fährt sich mit der einen Hand ein paar Mal über das Gesicht und versucht so, den Restschlaf endgültig loszuwerden. Wer um Alles in der Welt konnte am Wochenende um diese Zeit nur etwas von ihm wollen? Er hatte doch alles so gut organisiert. -Ungehalten greift er nach dem Hörer, doch noch bevor er sich melden kann, ertönt bereits eine tiefe, ziemlich ungeduldig klingende Stimme an seinem Ohr.

„Ducky? Ducky? Bist du dran?“

„Jethro?! Was um Himmels Willen ist denn passiert, dass du mich in aller Herrgottsfrühe weckst. Falls du dich recht erinnerst – ich hatte mir dieses Wochenende wegen Mutters Geburtstag frei genommen.“

„Nein, das hatte ich vergessen“, gibt der NCIS-Agent am anderen Ende ungerührt zu. „Aber Jimmy Palmer hat mich bereits daran erinnert.“

„Ah.“ Dr. Mallard macht eine kurze Pause, doch Gibbs hüllt sich so lange in Schweigen, bis der Pathologe schließlich aufgibt. „Würdest du mir dann bitte verraten, warum du trotzdem anrufst?" Er verschweigt, dass er am Abend zuvor vor dem Kamin eine kleine Geburtstagsfeier für seine Mutter ausgerichtet hatte, die leider im letzten Jahr verstorben war. Dies hatte zur Folge, dass er sich selber um alle Drinks hatte kümmern müssen und genauso fühlt sich sein Kopf jetzt auch an. Allerdings befürchtet er, dass Gibbs nicht in der Lage war, hierfür das nötige Verständnis aufzubringen.

„Nun…wir könnten hier deine Hilfe gebrauchen.“

Man hört das Seufzen des älteren Herrn, der keine weitere Versuche startet, seinen Gesprächspartner überzeugen zu wollten, sondern resigniert zustimmt, gleich im Navy Yard zu erscheinen.

Doch bevor er sich auf den Weg macht, will er wenigstens schnell einen Tee zu sich nehmen. Er greift nach der Streichholzschachtel, um den Gasherd anzuzünden...



… ein ohrenbetäubender Knall durchdringt die nächtliche Stille.

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Nein, benutzte Dr.Mallard tatsächlich noch Streichhölzer? Hatte er überhaupt einen Gasherd und wenn Leroy Jethro Gibbs rief, bevorzugte dann der Pathologe nicht in der Regel den Tee in den heiligen Hallen des NCIS? Ein tiefer Seufzer entrang sich Thomas Kehle, während er den neuen Tag durch die Rolladenschlitze hindurch anbrechen sah. Wenn er doch nur nicht immer alles so ernst nehmen würde…aber er wollte sich auch auf gar keinen Fall seinen so mühsam erworbenen Ruf zerstören. Durch eine Unachtsamkeit – einen klitzekleinen Logistikfehler womöglich, hervorgerufen nur dadurch, dass er nicht richtig nachgedacht hatte. Er sah sich selber als Künstler und wahre Kunst wollte erschaffen werden, und nicht einfach dahin gerotzt, wie viele seiner Kollegen es praktizierten. Ihm ging es nicht um den schnellen Dollar. Er wollte mit seiner Arbeit etwas erschaffen; etwas, das nachhaltig in den Köpfen der Menschen in Erinnerung blieb. Nur manchmal, in den wenigen schwachen Momenten, die er hatte – wie jetzt z.B. wenn sein Kopf kurz vor dem Zerbersten stand – fragte er sich, ob er vielleicht im Begriff war, verrückt zu werden??? Doch es nutzte alles nichts. Er musste sich an die Arbeit machen. Eine kurze Notiz noch, einen Gedanken festhalten, bevor er sich wieder verflüchtigte und dann würde er sich nach einem kurzen Frühstück endlich auf den Weg machen…

 

TEIL 5

Memo: Montag, 31.05.2012 – 7.38 h

Zielperson: Dr. Donald Mallard

Mögliche Tatwaffe: Eine manipulierte Gasheizung in seinem alten Haus - Ducky fliegt mitsamt seines Hauses beim Betätigen eines Lichtschalters in die Luft (oder eben durch ein Streichholz) – Änderungen noch möglich!

Angestrebtes Ziel: Die Zielperson möglichst zu Beginn töten, da hier die anderen nicht direkt Verdacht schöpfen werden (war ja schließlich ein altes Haus) – besser jedoch noch nach Ziva David. NOCH sollen sich alle sicher fühlen…

Positiver Nebeneffekt: Es bleibt mit Jimmy Palmer zunächst wenigstens ein Pathologe übrig, der die Drecksarbeit machen kann – später müssen dann zunächst einmal die Pathologen des FBI aushelfen.

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Ja, das war für´s Erste in Ordnung; so konnte er das Memo für den Moment beruhigt zur Seite legen. Der Plan war sicherlich noch sehr ausbaufähig, aber zumindest die ungefähre Richtung war erkennbar. Eine Explosion, die als Unfall getarnt, zunächst zwar Trauer hervorrief, aber die Ermittler noch nicht vorwarnte. Im Gegenteil. Die Spurensuche würde lange anhalten, die Kriminaltechnikerin wäre beschäftigt.

Thomas Smith grinste diabolisch in sich hinein. Es wären letzte Amtstaten der legendären Abby Sciuto. Die Spurenauswertung, ausgerechnet des tödlichen Unfalls ihres liebgewonnen, in die Jahre gekommenen Kollegen aus der Pathologie, der immer gute Ratschläge auf Lager hatte und mit seinen Geschichten … Ja, das war es, was Abigail Sciuto an ihrem letzten Tag tun sollte, doch noch bevor sie die Beweise vorzeigen könnte, würde sie dann Ein für Allemal von der Bildfläche verschwinden. Hach, war das schön, er konnte sich schon lebhaft vorstellen, wie ihre Kollegen auf ihr plötzliches Verschwinden reagieren würden...

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Im HQ macht sich zunehmend eine nervöse Unruhe breit. Seit dem gestrigen Abend hat niemand mehr Abby zu Gesicht bekommen. Sie fehlt unentschuldigt, was für die junge Forensikerin absolut ungewöhnlich ist. Schnell wird ermittelt: Sie hat weder Urlaub eingereicht, noch hat sie sich bei irgendjemand von den anderen telefonisch gemeldet. DiNozzo, McGee und Gibbs´ Gesichter sind gezeichnet von Sorgenfalten. Man kann erkennen, dass sie sowieso schon schwer an Ziva´s leerem Stuhl zu knabbern haben, der verlassen und scheinbar anklagend vor ihrem Schreibtisch steht; noch deutlicher wird es allerdings durch die Tatsache, dass nicht nur Gibbs alle 2 Minuten auf die Uhr schaut. Seine Mimik drückt zusätzlich Unmut und Strenge aus, doch wer ihn besser kennt, weiß, dass die Sorge um seine Laborgoth überwiegt. Und so nicken seine Agents erleichtert, als er endlich mit seinem üblichen kurzen „Nehmt euer Zeug, wir sehen nach, was los ist!“, zum Aufbruch bläst. Die beiden springen auf, greifen sich rasch ihre Rucksäcke und folgen ihrem Chef eilig in Richtung Aufzug.

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Eine Stunde später parkte Thomas seinen Wagen in der Tiefgarage, die schlechte Beleuchtung ließ diese in einem dämmrigen Licht erscheinen, das ihn unangenehm an die Atmosphäre eines Horrorfilmes erinnerte. Hinter den Säulen schienen die Dämonen zu lauern, die nur darauf warteten, ihm eine schaurige Lektion zu erteilen.

Oh Gott, da war es wieder, dieses vermaledeite Gefühl. Alles in ihm sträubte sich dagegen vor sich selber zuzugeben, dass man das Gefühl durchaus "Angst" nennen konnte. Zum wiederholten Male schon hatte er das Gefühl verfolgt zu werden. Das war ihm in der letzten Zeit schon häufiger passiert. Verrückt. Wer sollte ihn schon verfolgen? Es war wohl seine Arbeit, die langsam aber sicher auf ihn abfärbte und ihn peu à peu in den Wahnsinn trieb. Ja, genau! Er arbeitete definitiv zu viel! Vielleicht sollte er doch aussteigen, einfach alles hinschmeißen und sich auf einer einsamen Insel zur Ruhe setzen. Dort könnte er endlich das tun, was er schon immer im Sinn hatte. Und für seine Gesundheit wäre dies sicher auch nur von Vorteil. Doch vorher musste er eben noch ein wenig Geld verdienen. Schlicht und ergreifend – seine Rücklagen reichten noch lange nicht für einen vorzeitigen Ruhestand aus.

Zögerlich öffnete er die Tür und stieg aus seinem Wagen. Sein Nacken schmerzte schon wieder fürchterlich. So gut war der Sex wohl doch nicht gewesen. Und der starke Kaffee, den seine Frau ihm jeden Morgen kochte, begünstigte sein Sodbrennen mal wieder vorzüglich. Das üppig belegte Brötchen machte sich ebenso bemerkbar. Es lag wie ein Stein in seinem Magen, der hin und wieder laut und vernehmlich vor sich hin grummelte. Allerdings, wenn er genauer darüber nachdachte, war es wahrscheinlicher, dass die Geräusche durch seinen Darmtrakt verursacht wurden.

‚Wenigstens hast du noch einen Magen‘, grämte er sich, als ihm die Bilder des Traums ins Gedächtnis kamen, wie Jimmy Palmer in seinem, zuvor lieblos entnommenen, Magen herumwühlte und die Pizzareste zu Tage brachte. Das einzig positive an dieser Aktion war gewesen, dass der Multiheld Anthony DiNozzo tatsächlich grün im Gesicht wurde. Er erinnerte sich sehr gut an das kurze Hochgefühl, das er empfunden hatte, als er registriert hatte, wie übel es dem Halbitaliener beim Anblick seiner halbverdauten Essensreste geworden war. Jimmy hingegen…der war mit Feuereifer bei der Arbeit und kaum zu bremsen gewesen. Was war er doch für ein scheinheiliger Charakter. Tat immer so, als könne ihn kein Wässerchen trüben, dabei hatte er es faustdick hinter den Ohren, wie ja u.a. seine Affäre mit Agent Lee bewiesen hatte…

Jimmy Palmer, ja, auch er würde in den nächsten Tagen leiden müssen. Dafür würde er schon Sorge tragen. Die hämische Grimasse dieses…dieses Cochon hatte sich tief in seine Seele gebrannt. Er wollte verdammt sein, wenn ihm nicht eine Möglichkeit einfiel, diesem Jüngling sein dummes, hinterhältiges Grinsen für immer aus dem Gesicht zu wischen. Ach was, im Grunde wusste er ja schon seit einigen Tagen, wie er es anstellen wollte.

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Memo: Freitagabend, 28.05.2016 – ca. 20:55 h

Zielperson: Jimmy Palmer

Todesursache: lapidar – ein scheinbarer Autounfall

Angestrebtes Ziel: schocken, durch schwerste Verletzungen

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„Guten Morgen, Smith“, ertönte eine Stimme aus einiger Entfernung und riss Thomas aus seinen trüben Gedanken. Ohne dass Smith auch nur Anstalten machen konnte, den Gruß zu erwidern, redete der Mann, der nun zielstrebig auf ihn zukam, weiter. „Na, dann werden wir heute mal Taten folgen lassen, was?“ Der Mann klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Genug Vorüberlegungen, ich freu mich drauf endlich richtig loszulegen.“

„Das werden aber ziemlich grausame Bilder“, nuschelte Smith und drückte auf den Knopf für die Zentralverriegelung seines Wagens. „Und Malcom hat noch was übles mit McGee geplant.“

„Oh ja“, lachte der Mann auf. „Er hat es mir gestern schon am Telefon erzählt. Er will ihn tatsächlich noch ….“

„Ich weiß nicht“, fiel ihm Smith ins Wort. „McGee ist mir nicht so wichtig. Mir wäre es lieber, wir würden uns auf den aufgeblasenen Halbitaliener konzentrieren und ihm sein nervendes Mundwerk stopfen.“

„Ja, ja, wir wissen ja alle, dass du so deine Probleme mit ihm hast. Aber er hat auch seine guten Seiten. Ehrlich.“

Smith schüttelte den Kopf. Er wusste, dass er mit seiner Einstellung DiNozzo gegenüber bei den Anderen schnell auf Granit stieß, und wirkliche Lust auf eine neuerliche diesbezügliche Diskussion hatte er gerade nicht. Also antwortete er lediglich kurz: „Wir sollten reingehen. Sie warten bestimmt schon auf uns.“

‚Sie wollen heute wissen, wie wir sie alle töten‘, fügte er in Gedanken noch hinzu. Wenn er bedachte, was die Agenten in den letzten Jahren bereits alles durchstehen mussten, fühlte er sogar einen Hauch Mitleid. Ein paar Mal hatte er schon, seitdem er diesen Auftrag erhalten hatte, darüber nachgedacht, dass der Tod, bei all seinem Schrecken, den er angesichts seines schlechten Rufs, verbreitete, durchaus auch eine Erlösung darstellen konnte. Auch für Abigail Sciuto würde der Tod letztlich eine Erlösung sein.

 

TEIL 6

In Abby Sciutos Wohnung:


Zögernd betreten die 3 Männer die Wohnung von Abigail Sciuto.

„Abby?“ Die hoffnungsvollen Rufe der Männer durchdringen die Stille. Jeder der Agents hatte auf laute Musik gehofft und werfen sich im Flur enttäuschte Blicke zu.

„Abbs, bist du da?“

Wie wir Timothy McGee kennen gelernt haben, hat er vermutlich gerade vor lauter Aufregung einen Kloß im Hals und bekommt keinen Ton heraus. Man sieht es ihm förmlich an. Er rempelt gegen eine Kommode im schmalen Flur der Wohnung. Während er kurz überlegt, warum Abby die Möbel umgestellt hat, lässt der plötzlich auftretende Lärm die anderen zwei zusammenzucken. Danach ist es wieder still.

Die Wohnung scheint verlassen, doch Gibbs deutet seinen Agents mit einer bekannten Kopfbewegung, dass sie sich aufteilen sollen. Tim verschwindet in die Küche und Tony in Richtung Schlafzimmer. Gibbs selbst kontrolliert das Bad. Fast gleichzeitig erscheinen die Männer wieder in den Türrahmen. Allgemeines Kopfschütteln verkündet, dass niemand von ihnen erfolgreich gewesen ist.

„So wie es aussieht, war sie gar nicht zu Hause." Der Standartsatz geht leise über Tonys Lippen, doch er ist Ermittler genug, auch auf Kleinigkeiten zu achten. "Ihr Bett…also, der Sarg, ist geschlossen“, sagt Tony und weist damit auf Abby ungewöhnliche Schlafgewohnheiten hin. „Wo könnte sie bloß stecken?“

„Er ist geschlossen?“ Tim wird aufmerksam, seine Stimme klingt ungläubig. „Aber…aber sie lässt ihn doch immer offen stehen.“, stellt er fest.

Niemand kümmert sich in diesem Moment darum, woher er das weiß. Alarmiert erkundigt sich Gibbs:

„Was sagst du da?“ Mit weit ausholenden Schritten begibt er sich ins Schlafzimmer. Die anderen folgen ihm. Vor Abby´s Sarg bleiben die Männer schließlich stehen und starren auf den geschlossenen Deckel. Schließlich fasst sich Gibbs ein Herz, tritt einen Schritt vor und will mit einer Hand den Deckel anheben, der jedoch erfolgreich Widerstand leistet. „Was zum Teufel…“ Sofort beginnt er zu Rütteln und zu Zerren, doch nichts passiert.

Als Tony und Tim bemerken, was los ist, eilen sie dem Grauhaarigen zu Hilfe, doch auch sie können nichts ausrichten. Scheinbar bombenfest liegt der Deckel des Sarges auf seinem Unterteil. Panik ist auf Gibbs´ Gesicht abzulesen, als er schließlich mit Schweiß auf der Stirn ausstößt, dass er schnellstens einen Hebel benötige.

Kurz darauf kommt Tony mit einem Stockschirm zurück und zuckt gleichzeitig entschuldigend mit den Schultern. Doch Gibbs reißt ihm das Teil aus den Händen und setzt es an. Es knirscht und knackst ein wenig, dann bricht der Schirm mit einem ächzenden Geräusch entzwei.

„Da!“, ruft Tony in diesem Augenblick aus und weist in eine Ecke des Schlafzimmers. Dort stand ein Golfsack, aus dem verschiedene Schläger hervorlugten. Schläger aus stabilem Metall, doch…

„Seit wann spielt Abby denn Golf?“, wirft Tim verwundert ein. Die Frage war durchaus berechtigt. Hätten sie nicht davon wissen sollen?

„Ist doch jetzt egal.“ Tony schnappt sich schon einen der Schläger und setzt ihn mit Gibbs´ Hilfe gekonnt als Hebel ein. Wieder knirscht es fürchterlich, doch dann – Stückchen für Stückchen – bewegt sich der Sargdeckel schwerfällig nach oben. Endlich gelingt es ihnen, den Deckel ganz aufzuklappen und nun stehen sie – fassungslos – vor ihrer toten Freundin, die friedlich mit auf der Brust gefalteten Händen, in ihrem Bett liegt und nur zu schlafen scheint. In den Gesichtern der Agents steht Entsetzen, Ungläubigkeit, Wut und Trauer.

McGee´s Hand schießt in seine Hosentasche, während er stoßweise etwas von einem „Rettungswagen“ vor sich hin murmelt. Gleich darauf findet er sein Handy, drückt eine Taste und klemmt es mit zitternden Fingern ans Ohr. Doch noch bevor eine Verbindung zustande kommt, drückt Gibbs seinen Arm sanft wieder herunter.

„Tim, sie ist tot.“ Sein Blick aber, sagt mehr als mögliche Worte.

„NEIN…Nein…wir müssen sie wiederbeleben, bis der Arzt kommt. Wir müssen…“ Tim will der Wahrheit einfach nicht ins Auge blicken.

„TIM! Sieh her.“ Gibbs berührt sanft Abby´s kalte Wange und weist seinen jungen Agenten darauf hin, dass die Kriminaltechnikerin bereits Totenflecken aufzuweisen hat. Wenn du jemanden anrufen willst, dann ruf Palmer. Er soll so schnell wie …“ Er unterbricht sich und räuspert sich einmal laut, bevor er mit rauer Stimme weiter spricht. „Ruf ihn einfach an, okay?“

Bedrückt und mit Tränen in den Augen nickt Tim und tut, was Gibbs von ihm verlangt. Tony gesellt sich an die Seite seines Chefs, der in stummer Verzweiflung inzwischen Abby´s eiskalte Hand hält. Er zeigt auf Gibbs Handoberfläche, die ein übler Kratzer ziert.

„Du hast dich verletzt, Boss.“

„Was du nicht sagst.“ Gibbs lacht bitter auf und blickt ebenfalls auf seine Hand. „Das ist nicht von eben – ich bin gestern Abend mit dem Hobel abgerutscht. Dummerweise war meine Hand im Weg. Unwichtig, so ein Kratzer bringt mich nicht um.“

„Aber das solltest du behandeln lassen. Sieht nicht gut aus.“

Eine Kopfnuss ist die Antwort und DiNozzo zuckt nur mit den Schultern. Dann spricht er das aus, was bis jetzt niemand zu fragen gewagt hat:

„Boss, glaubst du…“ Er stockt. Zu unvorstellbar kommt ihm seine Vermutung vor.

„Was, DiNozzo? Was soll ich glauben?“

„Glaubst du, da hat es jemand auf uns abgesehen? Ich meine, das ist doch merkwürdig. Erst Ziva, dann Ducky und jetzt Abby…“ Er stockt wieder und seine Augen scheinen plötzlich einen Punkt an der Wand zu fixieren. „Was zum Teufel ist das?“ Tony weist auf einen winzigen roten Punkt auf einem der Regale mit viel Deko an der Wand. Er war ihnen zuerst gar nicht aufgefallen, doch jetzt schreitet er alarmiert darauf zu.

Ein finsterer Blick von Gibbs folgt ihm. „Ruf erst Palmer an und dann kümmerst du dich um den Rest.“

 

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TEIL 7

Nach Dr. Mallards dramatischen Ausfall, wäre Palmer wohl tatsächlich die einzige Alternative. Sicherlich keine allzu schlechte, denn dass er Fachwissen besaß, hatte er in der Vergangenheit schließlich schon des Öfteren bewiesen und endlich gab es für ihn die langersehnte Gelegenheit selbstständig eine Leiche zu obduzieren. Ha, was heißt eine? Erst die diversen Einzelteile, die man von Dr. Donald Mallard mühsam in den Trümmern seines Hauses zusammengetragen hatte und dann noch Abigail Sciuto. In seinem Albtraum hatte der alte Pathologe Jimmy Palmer letztlich noch gebremst in seinem Tatendrang. Zu recht, wie er es selbst empfand. Jimmy hatte sich da noch nicht komplett unter Kontrolle und die abartige Vorstellung wie er mit größter Freude an Leichen herum schnitt, ihnen Nieren, Milz, Leber und andere lebenswichtige Teile rüde entriss, in halbverdautem Mageninhalt rumwühlte und mit der Knochensäge und dem Skalpell wild herum hantierte, bevor er einen zuvor ausgeweideten Körper zu guter Letzt wieder wenig kunstvoll, aber dafür mit weit ausholenden Stichen zunähte... Unwillkürlich schüttelte es Thomas. Nein, er wollte sich keine Gedanken mehr darüber machen. Noch immer überzog ihn eine leichte Gänsehaut wenn er daran zurückdachte.

„Worauf wartest du?“ Der Mann fuchtelte mit seiner rechten Hand vor Smith Nase herum. „Der Fahrstuhl ist da. Oder hast du Zweifel, dass du die Fahrt überlebst? Für welche Alternative hast du dich eigentlich entschieden?“, flüsterte der Andere und zuckte merklich zusammen, als er den tadelnden Blick von Smith begegnete. Sie sollten sich über solche Sachen besser nicht in der Öffentlichkeit austauschen. Manchmal hatten ja bekanntlich selbst die Wände Ohren.

„Noch für keine“, grummelte Thomas missmutig und setzte dann ein verlegenes Lächeln auf. „Nee, ehrlich, ich war einfach zu sehr mit den anderen beschäftigt.“

„Mit wem?“

„Nun, Ziva David ist tot, Dr.Mallard ebenfalls. Auch Abby hat inzwischen das Zeitliche gesegnet.“ Während Thomas emotionslos seine Mordopfer aufzählte, kramte er hektisch in seiner Aktentasche nach den Notizen. „Außerdem habe ich mich am Freitagabend noch genauer mit...zum Kruzifix, wo hab´ ich´s denn nur hingetan? Himmel...", durchfuhr ihn plötzlich ein eiskalter Schreck. "Nicht, dass ich das aus Versehen entsorgt habe...", murmelte er dabei leise vor sich hin. "Das wäre echt fatal - Mann, ehrlich, das war geradezu genial! Ich könnte schwören, dass ich die Notizen in die Tasche getan habe - gestern Abend lagen sie noch auf meinem Schreibtisch und ich bin mir fast sicher, dass…" Immer noch wuselte er nervös in sämtlichen Fächern seiner alten Aktentasche herum. Schließlich blickte er frustriert auf. "Verdammt, Elisabeth", stieß er unheilschwanger hervor.

"Elisabeth? Was hat denn jetzt deine Frau damit zu tun?", fragte sein Gegenüber konsterniert. Manchmal waren die Gedankensprünge von Thomas wirklich nur sehr schwer nachzuvollziehen.

"Sie musste mal wieder unbedingt das angebliche Chaos auf meinem Tisch aufräumen. Gott, wenn sie meine Notizen weggeschmissen hat, bring´ ich sie um."

"Thomas, jetzt beruhige dich doch erst einmal. Sag mir lieber mit wem du dich beschäftigt hast? DiNozzo?"

"Ach, Quatsch, DiNozzo. Was ihr bloß alle immer mit dem habt. - Hey, da sind sie ja." Aufatmend beförderte Smith zwei ziemlich zerknüllte DIN-A-4-Seiten ans Tageslicht und versuchte etwas hilflos, sie zu glätten, bevor er sie an seinen Gesprächspartner weiterreichte. "Sie waren wohl nach unten durchgerutscht. Hier, sieh´s dir an."

Der Mann nahm die Blätter entgegen und lächelte nachsichtig, bevor er einen Blick darauf warf. "Ein Wunder eigentlich, dass du noch auf freiem Fuß bist, so chaotisch wie du dich manchmal anstellst. Nun stell dir bloß mal vor, die Seiten wären jemand anderem in die Hände gefallen..."

"Sind sie aber nicht", konterte Thomas verstimmt. Es ärgerte ihn immer wieder maßlos, wie sich die anderen manchmal über seine Planungen und seine Arbeitsweise lustig machten. Was sollte das? Der Erfolg gab ihm schließlich recht. Ohne ihn wäre das Projekt doch schon lange zum Scheitern verurteilt gewesen – so viel war mal klar. "Also? Was sagst du?", fragte er dann, während er gespannt die Mimik des anderen beobachtete, der sich inzwischen in Thomas´ Notizen vertieft hatte.

"Hmm", brummelte sein Partner. "Du hast recht. Das ist gut - das ist richtig gut! Ja, ich denke, da werden unsere Auftraggeber mit einverstanden sein!"
Thomas nahm das Lob huldvoll lächelnd entgegen - nichts anderes erwartete er.

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Mit rot unterlaufenen Augen und sichtlich betrübt, verlässt Jimmy Palmer das Navy Hauptquartier. Sein schleppender Gang und die hängenden Schultern des Mannes unterstreichen die Traurigkeit, die sich unweigerlich in seinem Innern ausgebreitet hat. In der Hand hält er zwei Fotos, die Profilaufnahmen von Ziva und Ducky zeigen. Fotos jener Personen, die er noch wenige Minuten zuvor auf den kalten, stählernen Tischen der Pathologie, obduziert hatte. Vollkommen in Gedanken versunken, bewegt er sich auf seinen Wagen, der auf dem hinteren Teil des Parkplatzes steht, zu. McGee und DiNozzo, die ein Stück weit entfernt ebenfalls auf dem Parkplatz stehen und sich zutiefst niedergeschlagen über die unfassbaren Geschehnisse der letzten Tage unterhalten, bemerkt er ebenso wenig, wie den Mann im dunklen Trenchcoat, der sich in der Nähe des Haupteingangs herumdrückt und seit geraumer Zeit auf der gegenüberliegenden Parkbank sitzt. Alibimäßig studiert er anscheinend hochinteressiert den Sportteil einer Tageszeitung.

Man erkennt sofort die eiskalten Augen jenes Killers, der zuvor schon Ziva David auf brutalste Weise über den Jordan geschickt hat, wovon Jimmy Palmer natürlich keine Ahnung hat. Langsam steht der Mörder auf, faltet akribisch die neuste Ausgabe der Washington Post zusammen, folgt dem jungen Pathologen unbemerkt und sieht zu, wie der in seinen Wagen steigt. Auch er steigt in einen unauffälligen Wagen und nur wenige Sekunden später verlassen beide Fahrzeuge an McGee und DiNozzo vorbei, die Jimmy noch kurz verabschiedend zuwinken, den Parkplatz. Alles scheint normal. Das Wetter ist gut, es ist wenig Verkehr um diese Zeit und DiNozzo und McGee vertiefen sich sofort wieder in ihre erregte Diskussion.

Kurz darauf geschieht es: Zunächst hört man quietschende Reifen, dann die schrillen Schreie einiger Passanten und einen kurzen, aber offenbar sehr heftigen Aufprall. Sich ineinanderschiebendes Metall verursacht kreischende Geräusche, bevor eine geradezu unheimliche Stille eintritt. McGee und Dinozzo rennen, nach einem kurzen Schreckmoment, der Geräuschkulisse folgend auf die Straße, wo sie einige Meter weiter den nur noch halb so langen Kleinwagen von Jimmy Palmer sehen, der an dem Metallsicherheitszaun einer angrenzenden Behörde sehr unsanft zum Stehen gekommen ist. Öl läuft in einer im Sonnenlicht schimmernden Linie auf die Straße und Unheil verheißender Rauch steigt aus der Motorhaube und schlängelt sich gen Himmel.

Die beiden Agents rennen entsetzt zur Unfallstelle, wo sich bereits einige Zeugen darum bemühen, Jimmy Palmer zur Hilfe zu kommen. Jedoch ist der Rahmen des Unfallfahrzeuges so stark verzogen, dass sich die Türen nicht mehr öffnen lassen. Durch die Windschutzscheibe erhaschen sie einen kurzen Blick auf panisch aufgerissene Augen hinter dicken Brillengläsern, während Palmers Mund zu einem lautlosen letzten Schrei aufgerissen ist. Blut fließt in Strömen über sein makaber zermalmtes Gesicht, aus einer Stirn, die mit den zerborstenen Glasscheiben der Frontscheibe gespickt ist. Das Grinsen, für das Jimmy Palmer so berühmt/berüchtigt ist, wurde für alle Zeiten aus seinem Gesicht gewischt, denn spätestens nachdem die Anwesenden die Metallstrebe bemerkt haben, die sich wie eine Lanze in den Brustkorb von Palmer gebohrt hat, dürfte jedem klar sein, dass hier jede Hilfe zu spät kommt… Fassungslos vor Entsetzen blicken sich Tim und Tony an – wohl unfähig, der Realität ins Auge zu blicken, dass sie schon wieder einen Kollegen verloren haben. Keiner von Beiden nimmt Notiz von dem Mann im Trenchcoat, der zu Fuß herankommt und sich mit scheinbar betroffener Miene unter die Schaulustigen mischt.

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TEIL 8

Thomas Smith saß auf einem der ungemütlichen Drehstühle und fuhr sich mit schweißnassen Händen durch die Haare. Die Klimaanlage schien aus dem Mittelalter zu sein und brachte nur wenig Abkühlung in die abgedunkelten Räume. Gelangweilt rollte er zwischen seinen Fingerspitzen kleine Papierkügelchen und schnippte sie ziellos durch die Gegend. Ausnahmsweise fand er Gefallen an einer der Lieblingstätigkeiten des nervigen Special Agent Anthony DiNozzo. Normalerweise fand er solche Sachen kindisch - ja beinahe nervtötend und wenn Tony ein solches Verhalten an den Tag legte, bekam er regelmäßig die Krise, aber das blöde Geschwätz um ihn herum war einfach zu l a n g w e i l i g.

Doch was wunderte er sich? Er hätte es von vorneherein wissen müssen. Zwar hatte er sich von der Besprechung wieder einmal mehr erwartet, doch seine Kollegen zeugten auch heute wieder von purer Unkreativität und absoluter Fantasielosigkeit. Kein einziger passabler Vorschlag war bisher dabei gewesen. Und zusätzlich zur Unfähigkeit seiner Kollegen wurde er bei seinen Vorschlägen von allen Seiten mit begeisterten Ah- und Oh-Rufen überschüttet. Das Gewimmere ‚Gut‘, ‚Klasse‘, ‚Hervorragend‘ nervte ihn inzwischen beinahe mehr als die Tatsache von Mittelmaß umgeben zu sein. Smith wünschte sich jemanden an seiner Seite, der ihn forderte. Seine einigermaßen guten Ideen aufgriff und sie gemeinsam mit ihm ausformte. Jemand der seine verborgenen Gedanken bereits im Ansatz lesen konnte und schon beim ersten Satz wusste, worauf er hinaus wollte. So, genau so und nicht anders stellte er sich eine gute und produktive Zusammenarbeit vor. Wie damals mit Samuel Knorr. Was für ein Mann! Smith gestattete sich, kurz gänzlich abzuschalten und für einen Moment in die Vergangenheit abzuschweifen.

Gemeinsam hatten Sam und er den Mord an einem alten, stinkreichen Ehepaar geplant, bis ins kleinste Detail, bis zum bitteren Ende. Ja, das waren noch Zeiten gewesen. Sam war ihm wirklich ein ebenbürtiger Partner gewesen. Es hatte solchen Spaß gemacht mit ihm über die Tatwaffen zu philosophieren, die grausamen Fesselmethoden zu erörtern und am Ende alles fast schon protokollarisch in die Tat umzusetzen. Sie hatten beide eine solche Freude daran gehabt, dass Blut durch die Gegend spritzen zu sehen, die panischen Schreie der Frau zu hören, ihre Todesangst förmlich zu spüren. Es war besser als in seiner Fantasie. Die Gedanken, die sich öffneten, zur Realität wurden… Das war wie eine Sucht. Leider hatte Samuel das Ende nicht überlebt. Am Abend des finalen Showdowns war er an einem Herzinfarkt gestorben.

„Smith? Was halten Sie von dieser Methode?“ Sein Auftraggeber wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht umher. Scheinbar war er zu lange abwesend gewesen.

„Von welcher?“, raunte er unwillig und blickte in die, aus seiner Sicht betitelte, Versagerrunde. Jeder Einzelne grinste ihm entgegen. Jeder Einzelne wartete auf seine Antwort, als würde er gleich die Lösung für das Problem der globalen Erwärmung verkünden. Großer Gott, wo war er hier bloß hingeraten? Die blitzenden Zähne erinnerten ihn an die weißen Beißerchen von Jimmy Palmer, als er sich damals bei der Durchführung seiner Autopsie über seinen Oberkörper gebeugt und ihm ohne ein Wort des Bedauerns die Milz entrissen hatte. Der böse Blick seines Auftraggebers riss ihn allerdings aus seinen Gedanken und brachte ihn zurück in die Gegenwart.

„Ein Scharfschütze?“, nuschelte er und lächelte ironisch zurück. „Ich bitte Sie. Das merkt er doch viel zu spät. Ich mein, er sieht es nicht kommen. Ein Windhauch, ein Tsccccchhhh und das war es? Nein, ich will die Angst in seinen Augen sehen, ich will, dass die kleinen Äderchen in seinen Augen platzen und ich will die blutunterlaufenen Pupillen voller Panik erkennen können, kurz bevor er das Zeitliche segnet. Qualvoll. Leidvoll. Hingebungsvoll. Voller Pein! Sofort tot? Nein, das überzeugt mich nicht.“

„Also doch die Foltermethode?“, mischte sich das kleine graue Männchen ein, das ihm gegenüber saß. Smith war dieser Kerl von Anfang an nur als unnützes Accessoire vorgekommen und daher erstaunte es ihn sehr, dass dieser sich jetzt zu Wort meldete.
„JA, Folter geht schon in die Richtung“, nickte er ihm gönnerhaft zu. „Aber es ist doch noch ein bisschen zu gewöhnlich.“

„Nun“, der Boss räusperte sich. „Ich schlage vor, Mr. Smith, Sie überraschen uns morgen mit einer Mordmethode, die einem Bundesagenten würdig ist. Fisher kümmert sich um die falsche Spur, die zum angeblichen Serienmörder führen soll. Und Harry, Sie überdenken das mit den Kameras nochmals. Das ist ja alles schön und gut, die Livebilder sind vermutlich wirklich fesselnd, bzw. anregend, aber wenn sie nur dazu beitragen, dass sie uns auf die Schliche kommen, sind sie wohl doch eher ein Risiko. Gegebenenfalls müssen Sie sich da was anderes einfallen lassen. Und Sie alle sehen zu, dass nichts, ÜBERHAUPT nichts, nach außen dringt. Haben wir uns verstanden? Ich muss hoffentlich nicht erwähnen, was mit ihren Vorgängern passiert ist, die sich nicht an die Verschwiegenheitsklausel gehalten haben. Bis morgen.“

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Memo: Mittwoch, 02.06.2016 – ca. 15.00 h
Zielperson: Anthony DiNozzo
Todesursache: Selbstmord
Angestrebtes Ziel: DiNozzo so weit treiben, dass er sich selber das Leben nimmt. Aber wie???

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Schwermütig und voller Zweifel kaute Thomas auf seinem Bleistiftende herum und stierte auf die Notiz vor ihm, die er soeben schnell mit krakeligen Buchstaben aufs Papier gebracht hatte. Er war unzufrieden mit sich selber. War es das? War das tatsächlich die Lösung, um die Person, die er am wenigsten aus dem Team leiden konnte, zu eliminieren? Strenggenommen war das ja noch nicht einmal eine Elimination…er stutzte kurz. Elimination? Ein komisches Wort; gab es das überhaupt? Hörte sich irgendwie komplett bescheuert an.

„Nicht abschweifen, Thomas, nicht abschweifen jetzt“, sagte er streng zu sich selber und erschrak beinahe, als er seine eigene Stimme hörte. So weit war es also schon mit ihm gekommen. Er führte Selbstgespräche. Und das alles nur wegen diesem verfluchten Halbitaliener. Die anderen warteten nun schon seit Tagen auf seinen Vorschlag, wie man DiNozzo am besten um die Ecke bringen konnte. So langsam musste er ihnen etwas präsentieren. Bislang war es ihm noch immer gelungen, sie zu vertrösten, aber er wusste sehr gut, dass dies nicht mehr lange gelingen würde. Schließlich war ein Großteil der Truppe bereits Geschichte und so führte langsam aber sicher kein Weg mehr an DiNozzo vorbei. Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Kehle – warum zum Teufel fiel ihm bloß immer alles so schwer, wenn es um Anthony DiNozzo ging? Normalerweise waren ihm Selbstzweifel jeglicher Art fremd und so mordete er sich seit Jahren höchst erfolgreich durch die Lande. Aber bei Anthony DiNozzo versagten all seine Instinkte und Talente und dies ärgerte ihn mehr, als er bereit war zuzugeben. Was fiel diesem Kerl bloß ein, ihn – Thomas Smith – derartig zu blockieren???

„Thomas? – Bist du da?“

Verärgert blickte er auf, als er die Stimme seiner Frau hörte. „Ich bin im Arbeitszimmer. Was ist denn los?“

„Ich wollte dir nur sagen, dass ich jetzt einkaufen fahre. Welches dieser Duftbäumchen wolltest du noch für deinen Wagen haben?“

Duftbäumchen!!! Er saß hier und wälzte wichtige Probleme und Elisabeth behelligte ihn mit…Duftbäumchen. Wie profan! Und wie verflucht störend!

„Thomas?“

„Ja, doch. Ist mir egal – bring mir halt irgendeins mit. Aber bloß kein Vanille – davon wird mir immer schlecht.“

„Weiß ich doch, Schatz. Bis später dann.“

`Bist du immer noch nicht weg´, dachte er grimmig. Laut säuselte er: „Ja, mein Schatz. Bis später. Lass dir ruhig Zeit.“

Thomas brauchte einen Moment, um sich wieder in seine Gedankenwelt zu vertiefen. Seine Frau war ja wirklich eine nette Person und sie nahm ihm auch viel ab, aber manchmal war sie einfach nur…lästig. Er verzog ein wenig abfällig sein Gesicht. Sie schien es nicht begreifen zu wollen, dass Künstler in ihrer Schaffensphase nichts mehr hassten, als unterbrochen zu werden. Leider hatte ihn die Störung nun vollends raus gebracht. Verdammt! So sehr er sich auch bemühte…jetzt kam er noch weniger voran als zuvor. Es war zum Verrücktwerden. Nun ja, vielleicht sollte er den anderen die Selbstmordidee doch erst einmal präsentieren und dann sehen, wie sie reagierten. Allerdings hatte das nicht wirklich etwas mit Folter zu tun – das würden vermutlich sogar diese Blödmänner bemerken. Sollte er Ablehnung spüren, konnte er ja immer noch so tun, als habe er sie nur testen wollen und als hielte er die große, die wahre Überraschung, wie DiNozzo sein klägliches Leben beenden würde, ganz bewusst noch im Verborgenen. Denn wenn er ehrlich zu sich selber war: So wirklich das Wahre war die Selbstmordvariante tatsächlich nicht.

Verdammt! Er brauchte unbedingt eine zündende Idee…

 

TEIL 9

Leroy Jethro Gibbs sitzt grübelnd an seinem Schreibtisch. Es ist Abend und bereits ruhig geworden im Großraumbüro. Tony hat er aufgrund seiner nervlichen Verfassung vorzeitig nach Hause geschickt und McGee hat sich eben auf den traurigen Weg in Abby´s verlassenes Labor gemacht. Den Raum, um den sie alle am liebsten seit Tagen einen großen Bogen machen. Doch es nützt ja nichts, sie müssen an die Geräte, an Abby´s Computer, an ihren heißgeliebten Major Massenspektrometer, an ihre Programme! Und da Tim McGee derjenige von den Übriggebliebenen ist, der Abby am häufigsten zur Hand ging und der sich noch am ehesten mit ihren komplexen Programmen auskennt, trifft es mal wieder ihn.
Gibbs denkt an den gestrigen Nachmittag, als er McGee zum ersten Mal seit Abby´s Tod vor einigen Tagen hinunter begleitet hatte. Wie ihm unversehens die Tränen in die Augen geschossen waren, als er Bert – das von der Laborgoth so innigst geliebte furzende Nilpferd – wie eine stumme Anklage auf ihrem Schreibtisch hatte stehen sehen. Direkt neben einem leeren Becher Caf-Pow. Die Stille in diesem Raum, der früher immer so voller Leben und auch Lautstärke gewesen war, war für ihn schier unerträglich gewesen und beinahe fluchtartig hatte er das Labor wieder verlassen.

Bei der Erinnerung an diese Szene werden Gibbs´ Augen prompt wieder feucht und er ist froh, dass er in diesem Augenblick alleine ist. Müde wischt er sich über die Augen und fragt sich im Stillen, wie es bloß so weit hatte kommen können? Wie hatte er es so weit kommen lassen können? Er ist verzweifelt und es ist offensichtlich, dass er sich selber die Schuld an der Situation gibt. Ihm ist klar, dass DiNozzo womöglich recht mit seiner Vermutung hat, die er in Abby´s Wohnung geäußert hat. Irgendjemand trachtet in geradezu perfider Weise dem Team nach dem Leben – löscht einen nach dem anderen aus und so wie es aussieht, haben sie dem Unbekannten Täter nichts – aber auch gar nichts – entgegenzusetzen. Er ist geschickt – hinterlässt keine Spuren. Das Einzige, was sie derzeit haben, ist die kleine Allerweltskamera, die sie in Abby´s Wohnung gefunden haben und die Tim nun gerade im Labor analysiert und auf Fingerabdrücke untersucht. Wahrscheinlich umsonst, wie Gibbs sich realistisch eingesteht.
Er sieht auf, als die Aufzugstür sich mit einem leisen Zischen öffnet und ein ihm fremder Mann herauskommt, der sich zielsicher auf seinen Schreibtisch zubewegt.

„Special Agent Gibbs?"

„Der bin ich“, antwortet der so Angesprochene. `Noch´, fügt er in Gedanken hinzu und fährt fröstelnd zusammen. `Wenn mich der Täter nicht erwischt, gehe ich wahrscheinlich an einer simplen Grippe ein.´ Seit einigen Tagen fühlt er sich zunehmend schlecht, doch noch versucht er, diese Tatsache vor seinen Kollegen zu verbergen. Er hat sich selbst befohlen, diese Krankheit einfach zu ignorieren, bis sie diesen Wahnsinnigen geschnappt hatten. Dann, erst dann durfte er wieder an sich selber denken. Und keine Sekunde früher.

„Mein Name ist McGregor. Ich bin Pathologe beim FBI. Agent Fornell schickt mich. Er sagte, Sie brauchen hier meine Hilfe.“

„Die brauchen wir in der Tat – uns sind die Pathologen ausgegangen. Unten stapeln sich die Leichen und wir…“

„Ich verstehe“, wird er unterbrochen. „Wie komme ich zur Pathologie?“

Bei der ungewohnten Unterbrechung zieht Gibbs die Brauen kurz hoch, doch er ist schon längst nicht mehr in der Verfassung, etwas gegen diese Ungehörigkeit zu sagen. Kurz erklärt er dem Mann den Weg und bittet ihn gleichzeitig darum, dass er Tim aus dem Labor zu ihm hochschickt.

McGregor nickt, doch er geht nicht gleich, sondern bleibt unschlüssig so lange vor Gibbs´ Tisch stehen, bis dieser ungehalten wieder aufblickt. „Ist noch was?“

„Ja…“ McGregor zeigt auf die Wunde an Gibbs Hand. „Das sieht nicht gut aus. Die Wunde ist entzündet und…Entschuldigen Sie, dass ich das sage, aber Sie sehen aus, als ob sie Fieber haben. Soll ich mir das mal näher ansehen?“

„Nicht nötig – kümmern Sie sich um die Toten“, fertigt Gibbs den hilfsbereiten Aushilfspathologen brüsk ab. „Mir fehlt nichts. Das ist lediglich ein Kratzer. Was wir brauchen sind Ergebnisse was unsere Toten anbelangt. Also machen Sie sich an die Arbeit.“

„Natürlich. Agent Fornell hat glücklicherweise erwähnt, dass Sie…eine sehr freundliche Ader haben. Sonst wäre ich jetzt unter Umständen beleidigt. Trotzdem…Sie sollten einen Arzt aufsuchen.“

„Das werde ich – einen Arzt und keinen Pathologen. Noch bin ich nämlich nicht tot. Klar?“

„Sonnenklar.“ McGregor zuckt die Schulter und wendet sich wieder dem Aufzug zu.

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Thomas Smith stöhnte gequält auf, es wurmte ihn so sehr, dass er nicht richtig voran kam, dass er das Gefühl hatte, sein Hals schwelle langsam zu einem Fußballgroßen Ekzem an. Es nahm ihm fast die Luft zum Atmen. Es war Zeit für ein Mind Map! In der Regel kam er ja mit einem schlichtem Brainstorming klar, aber bei Anthony DiNozzo schien er größere Geschütze auffahren zu müssen. Wenn es ihm schon par tout nicht gelingen wollte, den Schnösel auf Papier zu beseitigen, wie dann erst in der Realität. Er pfiff leise durch die Zähne und legte ein schiefes ironisches Lächeln auf. Mordmethode: MINDMAP … Diese Methode eignete sich besonders gut zur Sammlung von Ideen. Es half, zu strukturieren und thematisch in die Tiefe zu gehen. Zusätzlich war es gut, um die Zusammenhänge und Beziehungen untereinander aufzuzeigen. Im Gegensatz zum Brainstorming wurden seine Ideen von Anfang an besser strukturiert und er konnte besser erkennen, woran er alles zu denken hätte.

Leise vor sich hin murrend stand er auf – es half nichts, ihm lief die Zeit davon. Er stieg die Treppen in den kleinen Keller seines Hauses hinab und legte den Klappschalter links neben der Tür um. Es war lange her, dass er zuletzt hier unten gewesen war. Die nackte, altersschwache Glühbirne, die von der Decke hing, verteilte ihr diffuses Licht in dem spärlich möblierten Raum. Ein paar Vorratsregale an der hinteren Wand und – sehr wichtig – das gut sortierte Weinregal an der anderen. Elisabeth kümmerte sich um alles, was mit dem Haushalt zusammenhing und solange der Weinvorrat immer seinen Vorstellungen entsprach, mischte er sich da auch nicht großartig ein. Er hatte wahrlich Wichtigeres zu tun. Aber wenn er sich hier so umsah…einen Besen hatte dieser Raum mit Sicherheit schon lange nicht mehr gesehen. Nun gut, Schwamm drüber, dachte sich Smith. Schließlich war er nicht hier, um die hausfraulichen Qualitäten seiner Frau zu kontrollieren.

Suchend blickte er sich um. Den alten großen Flipchartblock, dessen Papier sich inzwischen aufgrund mangelnder Inanspruchnahme und der ständigen Feuchtigkeit, die hier unten herrschte, an den Ecken bereits aufrollte, bewahrte er direkt hinter der alten Truhe seiner Großmutter auf, die bereits einen leicht modernden Geruch in dem Gemäuer verströmte. Er liebte dieses antike Stück, doch noch mehr liebte er deren Inhalt. Darin, und das war sein allergrößter Schatz, versteckte er die beste Flasche Scotch, die er seiner Meinung nach je zu Gesicht bekommen hatte und vermutlich würde ihm auch nie wieder etwas Vergleichbares in die Finger fallen. Schon allein aus diesem Grunde musste er gut darauf aufpassen. Gut, dass Elisabeth nichts davon wusste. Und auch von seinen restlichen Verstecken! Seine Frau war absolut gegen Alkohol - schon sein obligatorisches Gläschen Wein am Abend war ihr ein steter Dorn im Auge. Es war ihr in all den Jahren nicht gelungen, ihm dieses Laster, wie sie es abfällig nannte, auszutreiben, was sie – wie Thomas sehr wohl wusste – extrem wurmte. Hin und wieder gönnte er sich nun mal gerne ein kleines feines Tröpfchen – was war daran falsch? Aber da er keine Lust auf die ständigen Diskussionen hatte…nun ja, im Laufe der Zeit hatte er einfach einen gewissen Erfindungsreichtum entwickelt. Und dieser Scotch – er hob die Flasche beinahe ehrfürchtig aus der Truhe und betrachtete sie liebevoll – ja, den hatte er sich für einen ganz besonderen Moment aufgehoben. Einen Moment, der ihm weit mehr bedeutete, als der Tod des ewigen Mitläufers McGee…

 

To be continued - allerdings in Thread II


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Kommentare: 1
  • #1

    Juicer Reviews (Freitag, 26 April 2013 11:07)

    This post was precisely what I had been in search of!