Außer Kontrolle - Thread IV

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Kapitel 21 - Nach dem Chaos

Eine Menschentraube hatte sich inzwischen draußen auf dem Parkplatz versammelt, um neugierig zu verfolgen, ob es dem Wachpersonal gelingen würde, die Flüchtenden zu fassen. Unter ihnen waren auch Toni und die anderen Bandmitglieder, die genauso entsetzt über das Spektakel waren, wie alle anderen. Aufgeregtes und aufgebrachtes Getuschel um sie herum zeugten von dem, was die Menge über die Geschehnisse im Inneren des Einkaufszentrums dachte.

 

Fassungslos starrte Toni dem sich schnell entfernenden Motorrad hinterher. Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie sich irren musste. Dass das alles nur ein böser Traum wäre, aus dem sie gleich erwachen würde. Doch ihr Verstand sagte leider etwas völlig anderes.

 

„Hey.“ Toni zuckte zusammen, als Paul sie von hinten sachte am Arm berührte. „Ich bin´s nur. Was ist los mit dir?“, erkundigte der sich prompt erstaunt.

 

„Nichts“, antwortete Toni eine Spur zu schnell, während sie immer noch dem in der Dunkelheit entschwindenden Rücklicht des Motorrads hinterher starrte. „Was soll sein?“

 

„Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen“, meinte Paul scherzhaft. „Komm, wir gehen wieder rein. Es ist saukalt hier und die Chaoten sind sowieso längst über alle Berge.“ Er machte eine Pause und blickte kurz sinnend in die Ferne, bevor er hinzufügte: „Der mit dem Motorrad kam mir sogar irgendwie bekannt vor.“

 

„Was?“ Toni fuhr alarmiert herum. „Wie meinst du das?“

 

„Nichts, schon gut, vergiss es. Nicht so wichtig. Ich irre mich wahrscheinlich sowieso. Immerhin ging alles furchtbar schnell. Und außerdem sehen diese Typen für mich alle irgendwie gleich aus.“

 

„Hmm…“ Tonis Blick wanderte wieder in die Dunkelheit, wo längst nichts mehr von Frank und seinem Motorrad zu sehen war.

 

„Was ist denn nun? Kommst du mit?“

 

„Geht schon mal vor.“ Toni sprach seltsam tonlos. „Ich komme gleich nach.“ Sie brauchte dringend einen Moment, um sich zu sammeln. Irgendwie war in der letzten Viertelstunde ihr Weltbild schwer ins Wanken geraten. Sie hatte sich bislang eingebildet, eine recht brauchbare Menschenkenntnis zu besitzen und so wie sie Frank bislang kennengelernt hatte, hätte sie ihm eine solche Aktion nie zugetraut. Sie war nicht naiv, natürlich gab es da seine Vorgeschichte und ohne Grund war er sicher nicht zu den Sozialstunden verurteilt worden, da machte sie sich nichts vor … aber jetzt … jetzt hatte sie mit eigenen Augen miterlebt, wozu er fähig war und das erschütterte sie über die Maßen. Das Schlimmste aber war, wenn sie ehrlich zu sich selber war, dass es sie mehr erschütterte, denn erschreckte …

 

**************

 

Erst als Frank absolut sicher war, dass ihnen niemand mehr folgte, stoppte er die Maschine. Er stellte beide Füße fest auf den Boden und drehte sich um.

 

„Alles in Ordnung bei dir?“, erkundigte er sich bei Trixie.

 

„Ja, ja, a…alles k…kl…klar.“ Trixie hatte Mühe, ihr Zähneklappern unter Kontrolle zu bringen und so war ihre Antwort nur schwer zu verstehen. Auf Nicks Befehl hin hatte Trixie Frank seine Jacke vor dem Betreten des EKZ zurückgeben müssen. Jetzt hockte sie halberfroren in ihrem zerfetzten Shirt hinter Frank auf dem Sozius, und schlang zitternd ihre dünnen Arme um den mageren Oberkörper. Insgesamt betrachtet bot sie ein Bild des Jammers und versuchte doch ein schiefes Lächeln zustande zu kriegen. „W…wir haben´s g…geschafft, oder?“

 

„Ja, sieht ganz so aus.“ Frank bockte die Maschine auf, stieg ab, zog Trixie vom Sitz und schloss sie ohne irgendeinen Hintergedanken wärmend in seine Arme. Das Mädchen tat ihm schlicht leid. „Oh Mann“, sagte er erleichtert und sein warmer Atem streifte ihr Ohr. „Das war echt verdammt knapp. Mir schlottern jetzt noch die Knie.“

 

„Ohne dich wäre ich da nie raus gekommen“, flüsterte Trixie und schmiegte sich dankbar an Frank. „Du hast Kopf und Kragen für mich riskiert. Von den anderen hätte das bestimmt keiner getan.“

 

„Sicher hätten sie das“, erwiderte Frank tröstend, obwohl er es insgeheim besser wusste. „Sie haben wahrscheinlich gesehen, dass ich schon bei dir war, und dachten, wir kämen alleine klar. Hey, das sind wir ja auch – mach dir keinen Kopf. Alles ist gut.“

 

„Aber … aber wenn sie dich geschnappt hätten, wärest du in den Knast gewandert.“

 

„Hör aber auf damit“, sagte Frank bestimmt. „Hier geht niemand in den Knast.“ Er schob Trixie ein Stück von sich weg, zog dann erst seine Jacke aus und zerrte sich danach seinen Pulli über den Kopf. Den Wollpullover reichte er schließlich an Trixie weiter, die ihn immer noch zitternd aus seinen Händen entgegennahm, während sie ihn unsicher fragend anblickte. „Jetzt beruhige dich, es ist ja noch mal alles gut gegangen. Zieh´ den Pulli an. Wenn deine Zähne weiter so `nen Radau machen, finden die uns nachher doch noch. – Ach ja, das Teil kannst du übrigens behalten. Hat ja nun leider nicht geklappt mit `ner neuen Jacke für dich.“ Was nicht anders zu erwarten war, dachte er im Stillen bei sich.

 

„Ehrlich?“ Trixie schauten aus großen Augen dankbar zu ihm auf. „Was willst du dafür?“

 

„Nichts, vergiss es.“ Frank wusste genau, was Trixie glaubte ihm als Gegenleistung anbieten zu müssen. „Ich will einfach nicht, dass du dir eine Lungenentzündung einfängst, klar? Das ist alles. Ich hab´ genug Klamotten. Ich brauch´ das Teil nicht – du schon.“

 

„Danke“, sagte das Mädchen leise, zog sich den Wollpulli über den Kopf. Das Kleidungsstück reichte ihr fast bis an die Knie und als sie die Arme sinken ließ, waren ihre Hände nicht mehr zu sehen. Trixie lächelte zaghaft, bevor sie sich wieder in die wohlige Wärme von Franks Armen sinken ließ. „Meinst du, für Nick geht das mit dem Pulli in Ordnung?“, flüsterte sie dann leise. „Ich meine, dass du ihn mir geschenkt hast.“

 

Frank konnte nicht fassen, dass sie ihm diese Frage tatsächlich ernsthaft stellte, aber ein flüchtiger Blick in ihr Gesicht, belehrte ihn eines Besseren. Wieder spürte er wie langsam die Wut in ihm hoch kroch. „Hey, ich kann mit meinen Klamotten machen, was ich will. Das geht Nick einen feuchten Dreck an. Meinetwegen kannst du ihm ja erzählen, du hättest mich dafür … bezahlt. Wie auch immer. Ist mir egal“ Er löste sich von ihr und packte sie bei den schmalen Schultern. „Los, lass uns zur Fabrik zurückfahren. Ich bin gespannt, wie es den anderen ergangen ist.“

 

*************

 

Das Gelände am äußeren Stadtrand war jedoch zu ihrer Überraschung einsam und verlassen, als sie dort ankamen. Frank machte ein Feuer und die beiden Jugendlichen wärmten sich schweigend vor den Flammen. Es war ein friedliches Schweigen, da sie beide ihren eigenen Gedanken nachhingen, und keiner der Beiden gegenwärtig dazu bereit war, den Anderen daran teilhaben lassen wollte. Trotzdem kam kein unangenehmes Gefühl auf; es war schlicht gut so, wie es war. Frank war außerdem recht froh darüber, nicht reden zu müssen. Die Frage, ob Toni, die ihn im EKZ ja zweifelsfrei erkannt hatte, der Polizei – die mit Sicherheit kurz nach ihrem überstürzten Abgang im EKZ aufgekreuzt war – seinen Namen genannt hatte, beherrschte seine Gedanken. Falls ja, so könnte sich das fatal für ihn auswirken. Vielleicht wäre es besser, hier zu übernachten – nur für den Fall, dass zu Hause die Bullen auf ihn warteten. Ja, genau, er würde erst wieder nach Hause fahren, wenn er mit Toni über das Thema geredet hatte. Dass er das tun musste, passte ihm zwar nicht, aber es war unumgänglich. Morgen vor dem Dienst würde er sie abpassen und auch das Heim erst betreten, wenn er diesen Punkt mit ihr geklärt hatte.

 

Es dauerte eine ganze Weile bis nach und nach die Anderen eintrudelten. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, führte Nick den ersten Trupp an und betrat auch als Erster den durch den stetigen Verfall inzwischen deckenlosen Vorraum, in dem Frank und Trixie immer noch vor dem wärmenden Feuer saßen.  

 

„Mann, warum kommt ihr jetzt erst – wo zum Teufel habt ihr so lange gesteckt?“, empfing Frank den kleinen Trupp unverhohlen sauer.

 

„Habt ihr euch etwa Sorgen gemacht? Ist ja rührend“, lachte Nick höhnisch. „Was glaubst du denn, Frank, wo wir gesteckt haben hä? Am Bahnhof. Wir haben die Beute umgesetzt und den Rest dann sicher in einem Schließfach verstaut.“ Er hielt Frank eine volle Flasche Wodka hin. „Da! Nimm! Auch wenn du selber nicht beigesteuert hast, sollst du nicht leben wie ein Hund. Hat sich echt gelohnt heute.“

 

Frank drängte die Flasche mit einer Hand zur Seite. „Bahnhof? Schließfach? Das sind ja ganz neue Methoden“, antwortete er bissig.

 

„Ja, ist sicherer, weißt du. Sollten die Bullen hier mal unerwartet aufschlagen, so werden sie nichts finden. Nun, nimm schon. Trink. Scheiß auf das Feuer. Das  hier wärmt von innen.“

 

Frank rührte die Flasche nicht an. Stattdessen sagte er: „Ich denke, die Bullen wissen nichts davon, dass wir hier untergeschlüpft sind?“

 

„Hm, ja. Aber es kursieren neuerdings eine Menge Gerüchte in der Stadt. Und man kann schließlich nie wissen. Oder Frank?“

 

Die letzten Worte waren lauernd gekommen und Nicks Augen verrieten Frank, was er dachte. „Bullshit!“, schleuderte er dem Anführer entgegen. „Verdammt, wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich dicht halte!“

 

„Natürlich.“ Nick nickte gönnerhaft. „Das hoffe ich für dich. Aber wenn sie doch mal hier aufkreuzen sollten, dann kriegen sie uns höchstes wegen Hausfriedensbruch dran. Peanuts!“ Er machte eine Pause, während der er Frank mit zusammengekniffenen Augen musterte. “Ich muss aber zugeben, dass du mir Sorgen bereitest“, sagte er dann. „Du lässt dich hier kaum noch blicken, gehst wieder brav zur Schule, gibst den Butler für `ne Handvoll halbtoter Greise und all so´n Kram. Wer weiß schon, was in deinem Kopf so vorgeht?“

 

Frank war ehrlich heilfroh, dass Nick davon keine Ahnung hatte. Laut sagte er schneidend: „Wann geht es endlich in deine Birne rein, dass ich null Bock auf Knast habe? Ist das so schwer zu begreifen?“

 

„Mann, jetzt komm wieder runter. Hier, was hältst du von `nem anständigen Joint? Ist echt erstklassiger Stoff. Wir haben heute im EKZ ganz schön was abgegriffen und da wollte ich uns zur Abwechslung auch mal was Besonderes gönnen. Super Stoff und Premium Alk – keinen billigen Fusel. Haben wir uns verdient.“

 

Beifälliges Gemurmel wurde laut und allgemeines Kopfnicken setzte ein. Da Frank keine Lust auf weiteren Stress oder unangenehme Fragen hatte, nahm er den Joint an und zog sich auf eine Matratze zurück. „Deine erste brauchbare Idee heute“, knurrte er, bevor er sein Feuerzeug aus der Hose fingerte, die Kippe anzündete und tief inhalierte.

 

„Hey, und was war mit dem EKZ? War doch ein irrer Spaß, oder vielleicht nicht? Was für ein Adrenalinkick!“ Nicks Augen glänzten bei der Erinnerung und es war deutlich zu sehen, dass er meinte, was er sagte.

 

„Wir dachten schon, sie hätten euch doch noch geschnappt.“ Das waren die ersten Worte, die Trixie etwas zögerlich einwarf. „Ehrlich, ich hatte ganz schön Schiss!“

 

Nick ging vor dem Mädchen in die Knie und seine Rechte umfasste ihren Hals im Nackenbereich. „Schätzchen, solange ich mich um dich kümmere, sollte Schiss ein Fremdwort für dich sein. Sorg einfach dafür, dass du in Zukunft nicht wieder den Anschluss verlierst. Klar?“ Er drückte kurz zu, so dass Trixie ihren Kopf zur Entlastung vorstreckte. Prompt landeten Nicks Lippen wieder auf den ihren und er küsste sie hart und fordernd. So lange, dass Trixie nach Luft schnappte, als Nick sie endlich wieder freigab. Der lachte nur laut. Dann fingerte er am Kragen von Franks Pulli rum. „Wo hast du denn den Lumpen her?“

 

„Ich … der … den hat mir …“ Sie stotterte herum, brach ab und warf Frank schließlich einen hilflosen Blick zu.

 

Der schwieg und schüttelte nur andeutungsweise kurz den Kopf. Trixie verstand und brachte ihren Satz nicht zu Ende, aber Nick verstand auch so, was sie hatte sagen wollen. Eine spannungsgeladene Stille trat ein, bis Nick schließlich sagte. „Okay, egal. Für heute lasse ich ihn dir. Aber gleich morgen früh wird der Fetzen verbrannt, dass das klar ist.“ Sein Ton machte deutlich, dass er keinen Widerspruch duldete. Als Trixies Augen sich aufgrund seiner Worte mit Tränen füllten, hakte er nach. „Hast du mich verstanden?“ Der drohende Unterton war mehr als deutlich.

 

„Ja, ja klar. Ich werfe ihn gleich morgen ins Feuer.“

 

„Gut so“, antwortete Nick zufrieden mit sich und der Welt. Er packte das Mädchen rüde am Arm und zog sie hoch in den Stand. „Und nun komm – ich hab´ heute noch was vor mit dir – es wird dir gefallen – und warm wird dir dabei sicher auch.“

 

Trixie senkte den Kopf und folgte dem lauthals über seine zweideutige Bemerkung lachenden Nick widerspruchslos in den angrenzenden Raum. Franks wütende Blicke folgten den Beiden, doch in dieser Situation hielt er Zurückhaltung für die beste Devise, auch wenn es ihm unsagbar schwer fiel. Aber wenn er sich jetzt mit Nick anlegte, dann bekam er es gleichzeitig auch noch mit den Anderen zu tun, die ihn jetzt schon ganz offen feindselig anstarrten und die nur darauf zu warten schienen, dass er etwas unternahm. Am besten wäre es sicher, jetzt zu fahren und den Dingen ihren Lauf zu lassen – andererseits war Nick schon ziemlich zu. Wenn er in diesem Rauschzustand war, dann flippte er gerne mal aus und fasste seine Mädchen sehr grob an. Außerdem war da immer noch die offene Frage bezüglich der Polizei. Frank wog das Für und Wider ab und beschloss schließlich endgültig, über Nacht zu bleiben.

 

Er wandte sich von den anderen ab und starrte stur ins Feuer. Verdammt noch mal: Er hatte endgültig genug von Nick und seinen bescheuerten Ideen. Natürlich konnte er Nick das so nicht sagen, dann wäre er hier endgültig raus. Noch nicht, dachte er grimmig und beschloss in nächster Zeit herauszufinden, wie viel Einfluss er noch auf Trixie hatte. Sollte sich herausstellen, dass Trixie sich nicht helfen lassen wollte, dann konnte er sich immer noch zurückziehen. Genau! So würde er es machen und bis dahin würde er einfach versuchen, so wenig wie möglich bei den Anderen anzuecken.

 

Er ließ sich auf den Rücken fallen, streckte sich lang auf der feuchten Unterlage aus und seine Rechte suchte automatisch nach der Wodkaflasche, die Nick wie beiläufig im Vorbeigehen neben der Matratze abgestellt hatte. Der pure Schnaps brannte heiß in seiner Kehle, als er einen tiefen Schluck aus der Flasche nahm und sich gleich darauf dafür hasste. Trotzdem, kaum hatte das Brennen nachgelassen, nahm er einen weiteren Schluck, bevor er einem inneren Impuls folgend, die Flasche voller Wut an die nächste Wand pfefferte. Entnervt drehte er den Kopf zur Seite und bemerkte den fast mitleidigen Blick von einem von Nicks Gefolgsleuten.

 

„Ey, Mann, mach´ dir nichts draus. Du weißt doch, wie er ist. Er wird bald die Schnauze voll von ihr haben und dann kannst du sie wiederhaben.“

 

Frank gestattete sich, kurz durchzuatmen. Der Idiot glaubte offenbar, er wäre nur eifersüchtig. Glück gehabt, dachte er, denn seine unbedachte Aktion hätte ihm durchaus auch anders ausgelegt werden können. So antwortete er lediglich mit einem Nicken und einer unverständlich gegrunzten Antwort, bevor er sich wieder seinem Joint widmete und wiederum tief inhalierte. Fast dankbar nahm er kurz darauf nebulös zur Kenntnis, wie seine Gedanken durch die Drogen und den pur hinuntergestürzten Alkohol immer surrealer wurden.


Kapitel 22 - Ein denkbar schlechter Beginn

Frank fror erbärmlich, als er erwachte. Es war eiskalt und feucht. Steif stützte er sich auf den Ellbogen und blickte sich um. Die Kälteschauer, die ihm dabei über den Rücken jagten, ignorierte er so gut es eben ging. Alle anderen schliefen noch, obwohl es draußen schon taghell war. Sofern man einen tristen Novembermorgen mit leichtem Schneeregen und grau verhangenem Himmel hell nennen konnte. Er ließ sich zurück auf die Matratze sinken und streckte sich ausgiebig. Dabei kullerte eine leere Flasche Wodka seitlich von seiner Unterlage und suchte sich leise klirrend ihren Weg auf dem unebenen Boden. Tief in Gedanken versunken blickte Frank ihr hinterher. Komisch, er hätte schwören können, dass er gestern eine Flasche zwar angetrunken, aber dann wutentbrannt gegen die Wand gepfeffert hatte. Wo kam die dann jetzt plötzlich her? Tja, sagte er sich schließlich, es sah ganz danach aus, als hätte er sich später noch Nachschub organisiert und sich dann auch ausgiebig damit beschäftigt. Immerhin war diese Flasche leer. Unwillkürlich ballten sich Franks Hände zu Fäusten, während er sich maßlos darüber ärgerte, dass er offensichtlich der Versuchung einmal mehr nicht hatte widerstehen können. Okay, jetzt weiß ich wenigstens, warum mein Schädel kurz vor dem Platzen steht, dachte er. Leise stöhnend strich er sich die Haare aus dem Gesicht und bemühte sich, seine Gedanken zu sortieren. Es fiel ihm zwar schwer, aber so nach und nach fielen ihm die Ereignisse des Vorabends wieder ein.

 

„Scheiße“, fluchte er leise vor sich hin. „Wie zum Teufel soll ich ihr das bloß erklären?“

 

„Was denn?“, erklang da direkt neben ihm verschlafen die leicht heisere Stimme von Trixie, die zwischen ihm und der mit Graffiti verschmierten Wand lag und die er bis dahin noch gar nicht bemerkt hatte.

 

Frank fuhr zusammen wie vom Blitz getroffen. Großer Gott, hatte er etwa … Aber Trixie war doch mit Nick nach nebenan verschwunden. Oder etwa nicht? Doch, soweit er sich erinnerte schon. Offensichtlich war sie jedoch danach zu ihm zurückgekommen? Und er? Wie hatte er darauf reagiert? Hatte er sich etwa tatsächlich dazu hinreißen lassen unmittelbar nach Nick mit ihr …? Frank malträtierte sein lädiertes Gedächtnis, aber keine Chance. Er konnte sich einfach nicht erinnern. Immerhin … jetzt bestand eine reelle Chance, dass er diese verfluchte Flasche nicht alleine geleert hatte. Sein Blick fiel auf Trixies Gesicht, die ihn aus trüben Augen fragend anschaute und offenbar auf seine Antwort wartete.

 

„Nichts, Süße. Schlaf weiter. Du hast es nötig – war `ne harte Nacht.“ Als ihm die Doppeldeutigkeit seiner Worte bewusst wurde, verzog Frank erneut verärgert über sich selbst das Gesicht, doch Trixie schien dem keine Bedeutung zuzumessen, denn sie nickte stumm, rollte sich gehorsam zusammen und schlief Gott sei Dank auch sofort wieder ein. Frank rieb heftig mit beiden Händen über das Gesicht, in der Hoffnung, dass das seine Lebensgeister motivierte, die irgendwie an diesem Morgen so gar nicht in Gang kommen wollten. Eins war klar: Er musste unbedingt gleich noch vor Dienstantritt mit Toni reden, um herauszufinden, ob sie mit den Bullen gesprochen hatte. Falls nicht, musste er all seinen Charme in die Waagschale werfen … vielleicht gelang es ihm ja dann, sie davon abzuhalten. Aber dazu brauchte er auf die Schnelle eine plausible Erklärung für das Chaos, das er im EKZ angerichtet hatte, denn sie würde ganz sicher eine Erklärung von … Elektrisiert blickte Frank auf das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr. So ein Mist! Gleich … das bedeutete in einer halben Stunde. Wie von einer Tarantel gestochen sprang er auf und rannte, den Mann mit dem Presslufthammer in seinem Kopf tapfer ignorierend, raus zu seinem Motorrad. Dabei hatte er immer wieder überdeutlich wie ein Mantra Tonis Warnung im Ohr: Bitte sei pünktlich!

 

***********

 

Oh Mann, der Tag fing ja wirklich prima an. Das Heim lag am anderen Ende der Stadt und außerdem sah er wahrscheinlich inzwischen aus, wie der letzte Penner. Immer hart an der Grenze des Erlaubten lenkte Frank seine Maschine durch die Straßen. Das fehlte noch, dass er jetzt in eine Geschwindigkeitskontrolle geriet. Es war kein Kunststück, sich auszurechnen, dass er mit Sicherheit – selbst wenn er die zweite Flasche Wodka nicht alleine geleert hatte – noch genügend Restalkohol in seinem Blut hatte, um damit einen oder eventuell sogar auch zwei Nichttrinker in einen wahren Rauschzustand versetzen zu können. Einigermaßen erleichtert registrierte er, dass sich das Glück zur Abwechslung mal wieder auf seine Seite geschlagen zu haben schien. Auf den Straßen war kaum Verkehr und so schaffte er es tatsächlich sein Motorrad exakt fünf Minuten vor zwölf vor dem Altenheim zu parken. Grußlos rauschte er gleich darauf an einer sehr erstaunten Betschwester am Eingangstresen vorbei und erreichte schließlich punkt zwölf Uhr den Männerumkleideraum.

 

Just in dem Augenblick als Frank schwungvoll die Tür öffnen wollte, wurde diese von innen aufgerissen und um ein Haar wäre er mit Toni zusammengeprallt, die gerade – offensichtlich ziemlich angesäuert – im Begriff war, den Raum zu verlassen. Bei seinem Anblick zuckte sie förmlich zurück. „Hey, was suchst du denn hier?“, entfuhr es ihm. „Ich dachte, eure Umkleide ist wieder freigegeben.“

 

„Was ich suche?“, schnappte Toni wütend. „Die Frage müsste wohl eher lauten, wen ich gesucht habe.“

 

„Ich weiß gar nicht, was du hast.“ Frank warf einen kurzen Blick auf die Uhr, um dann zufrieden festzustellen: „Na bitte – pünktlich.“

 

„Wirklich beachtlich“, reagierte Toni, die sich bereits wieder unter Kontrolle hatte, völlig cool. „Ich hab´, ehrlich gesagt, gar nicht mehr mit dir gerechnet.“

 

„Aber wieso denn? Ich …“

 

„Spar dir deine Erklärungen“, schnitt sie ihm das Wort ab. Mit einem Gesichtsausdruck, über den Frank lieber nicht genauer nachdenken wollte, musterte sie ihn von oben bis unten. „Okay, ich habe nicht die geringste Ahnung, warum ich das tue, was ich jetzt tun werde, aber …“ Sie unterbrach sich und atmete einmal tief durch, bevor sie wieder ansetzte: „In spätestens zwanzig Minuten erwarte ich dich auf der Pflegestation. So lange werde ich Schwester Karola noch hinhalten. Aber keine Minute länger, dass das klar ist. Du hast nur diese eine Chance. Tu uns allen aber bitte einen Gefallen, bevor du dich umziehst. Geh duschen. Verdammt noch mal, du stinkst.“ Vorsichtig schob sie sich an Frank vorbei auf den Flur. Dabei achtete sie offensichtlich peinlichst darauf, ihm nicht zu nahe zu kommen. Er öffnete den Mund um sich zu bedanken, doch mit einer brüsken Handbewegung stoppte Toni seinen Versuch schon im Ansatz. „Lass es … lass es einfach bleiben, in Ordnung?“ Damit schüttelte sie kurz den Kopf und rauschte eilig den Flur entlang.

 

Da das Gespräch mit Toni ja nun erst einmal warten musste, knapste Frank sich nach einer eiligen Dusche noch kurz die Zeit ab, seine Mutter anzurufen. Zum einen wollte er sie beruhigen und zum anderen hoffte er, anhand ihrer Reaktion vielleicht feststellen zu können, ob es die Bullen jetzt wieder auf ihn abgesehen hatten, oder nicht. Die Ungewissheit hierüber machte ihn schier verrückt und er brauchte unbedingt Gewissheit, ansonsten hätte er keine ruhige Minute. Alleine wenn er nur daran dachte, dass die eventuell hier im Heim auftauchen würden, wurde ihm schlecht. Es war schließlich kein Kunststück herauszubekommen, wann er zu seinen Sozialstunden anzutreten hatte. Er war auf alles gefasst, doch zu seiner Überraschung schluckte seine Mutter die lapidare Erklärung, dass er spontan bei einem Klassenkameraden übernachtet hatte, geradezu erleichtert – vermutlich war sie schlicht froh, dass er seinen Wochenenddienst nicht vergessen hatte. Er kannte seine Mutter – wenn die Polizei im Hotel vorstellig geworden wäre, dann hätte sie ihn sofort damit überfallen. Damit lag auf der Hand, dass ihm offensichtlich eine Schonfrist blieb. Okay, jetzt mach was draus, dachte er, als er exakt siebzehn Minuten später das Schwesternzimmer der Pflegestation betrat. Toni saß mit einer Tasse Tee am Tisch und ging gerade die Aufzeichnungen der vorherigen Schicht durch.

 

„Puh, geschafft.“ Aufatmend ließ Frank sich Toni gegenüber auf einen Stuhl fallen, streckte die Beine lang aus und gab sich betont locker, während er Toni gleichzeitig aufmerksam beobachtete. „Ein Königreich für ein Aspirin. Oder besser noch, gleich zwei.“

 

Toni blickte kaum auf, was Frank als schlechtes Zeichen wertete. Er hatte schon geahnt, dass sie es ihm schwerer machen würde, als seine Mutter. „Aspirin sind im Schrank über der Spüle“, antwortete sie kurz. „Wenn du die letzte nimmst, besorgst du neue – auf deine Kosten. Ist `ne Gemeinschaftsschachtel – alles klar?“

 

„Danke“, entgegnete Frank ungewöhnlich ernst, machte aber keinerlei Anstalten aufzustehen. Er bedankte sich nicht für das Aspirin und er ging davon aus, dass Toni das verstand.

 

„Schon gut“, antwortete sie nach einer Pause und warf ihm einen warnenden Blick zu, bevor sie zur Tagesordnung überging, denn die diensthabende Schwester hatte das Zimmer betreten, woraufhin Frank nickte, aufstand und sich erst einmal ein Aspirin organisierte. Er musste unbedingt einen klaren Kopf bekommen. Und das möglichst schnell!

 

*************

 

Der Nachmittag verging wie im Flug. Toni und Frank hatten durchgängig gut zu tun; sie leerten und säuberten Bettpfannen, wechselten Bettwäsche, verteilten später das Abendessen und halfen außerdem beim Füttern, Abräumen und Waschen der bettlägerigen Patienten. Besondere Vorkommnisse gab es keine, doch ehe es endlich etwas ruhiger auf der Station wurde, war es schon kurz nach acht Uhr abends.

 

„Ihr könnt jetzt eine Pause machen“, erklärte Schwester Karola schließlich, als sie gemeinsam zurück ins Schwesterzimmer kamen. „Ich werde inzwischen auf der normalen Station nach dem Rechten sehen und die Medikamente für die Nacht verteilen. Mit etwas Glück bin ich in einer halben Stunde wieder zurück.“

 

„Geh ruhig“, antwortete Toni. „Du kannst dir Zeit lassen. Wir sind ja da.“

 

Wohlwollend registrierte Frank, dass Toni `Wir´ und nicht `Ich´ gesagt hatte. Nachdem Schwester Karola das Zimmer verlassen hatte, genehmigte Frank sich einen heißen Tee und setzte sich, während Toni erst noch ihren mitgebrachten Salat aus dem Kühlschrank holte, sich dann ebenfalls setzte und schweigend zu essen begann. Wenn das so weitergeht, mutiere ich hier tatsächlich noch zum Teetrinker, sinnierte Frank im Stillen, als er plötzlich bemerkte, dass Toni ihn während des Essens verstohlen beobachtete.

 

„Was ist?“

 

„Nichts. – Ich dachte nur … na ja, wenn du Hunger hast …“ Toni ließ das Ende des Satzes offen und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Kühlschrank.

 

„Hm, danke.“ Frank starrte gedankenverloren in seinen Tee.

 

„Es ist noch was vom Abendessen übrig. Du musst doch Hunger haben. Es geht mich ja nichts an, aber du sahst bei Dienstantritt nicht so aus, als hättest du ein gemütliches Frühstück hinter dir. Wenn ich du wäre, würde ich die Gelegenheit nutzen. Glaub mir, die Nacht kann noch verdammt lang werden.“

 

Das waren die ersten privaten Worte, die Toni seit Stunden an ihn richtete. Na ja, zumindest halbprivat. Frank hatte zwar tatsächlich einen Riesenhunger, doch er wollte unbedingt zuvor die Sache vom Vorabend geklärt wissen. Er wusste nur nicht, wie er das Thema am besten anschneiden sollte. Er war sich hundertprozentig sicher, dass Toni ihn im EKZ erkannt hatte und es irritierte ihn sehr, dass sie bislang mit keinem Wort auf die turbulenten Ereignisse vom gestrigen Abend eingegangen war. Wahrscheinlich war sie nur zu taktvoll, um ihn direkt danach zu fragen. Obwohl … bis jetzt war sie ihm gegenüber eigentlich nicht durch besonderes Taktgefühl aufgefallen. Vielleicht sollte er einfach offen seine Karten auf den Tisch legen und sehen, wie sie darauf reagierte. Er war doch sonst nicht auf den Mund gefallen und im Grunde konnte es ihm schnurzpiepegal egal sein, was Toni von ihm dachte. Okay, vielleicht nicht so ganz, denn schließlich wollte er von ihr erfahren, inwieweit die Bullen über seine gestrige Anwesenheit im EKZ Bescheid wussten – und … na ja, außerdem wollte er, dass sie ihm positive Beurteilungen ausstellte. Um das zu erreichen, musste er sich schon gut mit ihr stellen. Allerdings, wenn er ehrlich zu sich selbst war, musste er zugeben, dass es ihm schon längst nicht mehr nur um positive Beurteilungen ging. Gut, verdammt noch mal, dachte er ärgerlich, dann ist es mir eben nicht egal, was Toni von mir denkt. Allerdings konnte er sich nicht erklären, warum ihm so viel daran lag, dass Toni einen möglichst guten Eindruck von ihm gewann. Er spürte nur ganz tief in seinem Inneren, dass es so war. Also? Was tun? Wie sollte er es angehen? Nach einer langen Gedankenpause rang sich Frank endlich zu einem Entschluss durch. Er lehnte sich zurück und räusperte sich mehrfach laut. Toni schaute ihn verwundert an.

 

„Stimmt was nicht? Geht´s dir nicht gut?“

 

„Versuchter Autodiebstahl“, antwortete Frank leise.             

 

„Wie bitte?“

 

„Das ist es. Deswegen bin ich hier gelandet. Du wolltest es doch wissen“, sagte er achselzuckend.

 

Kapitel 23 - Der Anfang vom Ende

Nach Franks überraschender Eröffnung schwieg Toni zunächst einmal. Auch ihr Gesichtsausdruck ließ zu Franks Verdruss keinerlei Rückschluss auf ihre Gedanken zu.

 

„Hey, du hast mich neulich danach gefragt. Schon vergessen?“

 

Toni legte den Kopf schief und musterte ihn prüfend. „Nein, natürlich nicht. Ich frage mich nur, warum du mir das gerade jetzt erzählst?“

 

„Na, weil … ach Scheiße, komm schon, reden wir doch nicht um den heißen Brei herum. Wir wissen doch beide, dass wir uns gestern Abend unfreiwillig noch mal begegnet sind.“

 

Toni hob eine Hand: „Stopp. Frank, du bist mir keine Rechenschaft schuldig. Was du in deiner Freizeit machst ist deine Sache. Du kannst dich drauf verlassen, dass ich nur deine hier vor Ort geleistete Arbeit beurteilen werde. Alles andere geht mich nichts an und ganz ehrlich, ich möchte auch nichts damit zu tun haben.“

 

„Hast du irgendeinem gesagt, dass du mich erkannt hast?“, warf Frank nun die Frage ein, die ihm unter den Nägeln brannte. „Ich meine, nach dem ganzen Theater gestern sind doch sicher die Bullen dort aufgekreuzt, oder?“

 

„Ja“, antwortete Toni nach einer Pause. „Sind sie. Und zu deiner Beruhigung, nein, ich habe nichts gesagt. Aber nicht wegen dir. Lass mich hier mal eins klarstellen: Ich habe genug eigene Probleme und möchte auf keinen Fall in deinen Scheiß mit reingezogen werden. Ob sie dich letztlich erwischen, oder nicht, ist mir egal.“

 

„Aber mir nicht“, widersprach Frank schnell. „Du verstehst das nicht. Okay, die Bullen haben mich geschnappt, als ich gerade dabei war, ein Auto zu knacken. Als sie mich zum ersten Mal gekrallt haben, war´s übrigens `n Bruch in `ne Tankstelle. Damals konnte ich mich gerade noch so raus winden, aber wirklich geglaubt haben die mir nicht. Freispruch aus Mangel an Beweisen – so etwas hat immer einen faden Beigeschmack. Und seit der Sache mit dem Auto sehen sie mich jetzt trotz des Freispruches als Wiederholungstäter an. Als solcher droht mir der Knast – allgegenwärtig. Wenn ich mir auch nur das Geringste zuschulden kommen lasse und meine Bewährung in den Sand setze, muss ich unwiderruflich in den Bau. Zugegeben, du kennst mich noch nicht lange, aber glaubst du allen Ernstes, ich wäre wirklich so dämlich, mir einer solchen Aktion in aller Öffentlichkeit, meine Bewährung zu versauen? Hältst du mich für so leichtfertig?“

 

„Ich weiß es nicht“, antwortete Toni ehrlich und schaute ihn zum ersten Mal direkt an. „Du warst immerhin da und du bist mit den anderen Hals über Kopf abgehauen“, setzte sie vielsagend hinzu.

 

„Klar!“ Frank strich sich müde durchs Haar. „Aber was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Abwarten und denen sagen, dass ich nichts getan habe?“ Er lachte bitter auf: „Ich bitte dich, die hätten mir doch nie und nimmer geglaubt.“

 

„Vielleicht nicht. Vielleicht aber doch. Wer weiß? Es wäre einen Versuch wert gewesen, findest du nicht? Vorausgesetzt natürlich, du warst unschuldig.“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. „Ich sollte es dir gar nicht sagen, aber ich fand es übrigens prima, dass du dem Mädchen geholfen hast. Versteh´ mich bitte richtig: Nicht, wie du es angestellt hast, aber dass du es getan hast.“

 

„Trixie? Ja, sie wäre da wohl nie alleine raus gekommen und soweit ich weiß, steht sie bei den Bullen auf der Vermisstenliste. Die hätten sie sicher zurück nach Hause geschickt.“

 

„Musst du eigentlich immer `Bullen´ sagen?“, warf Toni ein und als sie sah, dass Frank daraufhin die Augen verdrehte, fügte sie schnell hinzu: „Okay, okay, schon gut. Vergiss die Frage. Aber wäre es denn wirklich so schlimm – ich meine, wenn man sie nach Hause schicken würde?“

 

„Oh, nein, ich schätze, Trixies Stiefvater wäre hocherfreut“, antwortete Frank sarkastisch und verzog angewidert das Gesicht.

 

„Ich verstehe“, antwortete Toni gedehnt. „Hm… Aber Fakt ist doch, dass du alleine schon mit dieser Rettungsaktion deine Bewährung aufs Spiel gesetzt hast. Immerhin hätten sie euch um ein Haar erwischt. Und ihr habt ein ganz schönes Chaos angerichtet.“

 

„Das war was anderes. Trixie ist `ne Freundin. Ich konnte sie doch nicht einfach im Stich lassen.“

 

„Die anderen aus eurer Gruppe hat das aber nicht weiter gekümmert“, stellte Toni trocken fest.

 

Frank schwieg. Es überraschte ihn, dass Toni das aufgefallen war. Außerdem: Was sollte er auch groß dazu sagen? Sie hatte ja recht.

 

„Habt ihr wirklich die Leute dort beklaut während wir auf der Bühne waren?“, wollte Toni nun wissen.

 

Das war allerdings eine heikle Frage. „Na ja …“ Frank konnte ihr nicht ins Gesicht sehen und studierte, während er antwortete, intensiv die Kratzer auf der Tischplatte. „Kann schon sein. dass der Eine oder Andere zugelangt hat. Aber ich nicht. Ehrlich, das musst du mir glauben. Ich stand fast unmittelbar vor der Bühne, als das Theater urplötzlich losging. Mann, ich war noch völlig von den Socken, weil … nein, vergiss das, das gehört nicht hierher.“ Er hob den Kopf und suchte Tonis Augen. „Toni, ganz im Ernst, wenn ich etwas in der Art vorgehabt hätte, hätte ich mich doch nie im Leben vorher in eine derart ausweglose Situation gebracht. Das wäre doch total hirnrissig.“

 

„Wow, das klingt ja … richtig professionell“, sagte Toni und ihre Stimme klang merkwürdig traurig.

 

„Glaubst du mir wenigstens?“ Während Frank die Worte aussprach, realisierte er einigermaßen entsetzt, wie wichtig ihm das war.

 

„Das steht doch hier gar nicht zur Debatte. Warum macht ihr das? Ich meine, warum lauft ihr rum und beklaut die Leute? Ihr bettelt. Ihr pöbelt. Ihr knackt Autos. Ihr brecht ein. Warum das alles?“

 

Frank wurde das Gespräch zusehends unangenehmer. Und das nicht nur, weil er seit kurzem selber Probleme mit Nicks Weltanschauung hatte. Er wollte unbedingt vor Toni in einem möglichst günstigen Licht dastehen. Sie sollte nicht glauben, er wäre irgendein dahergelaufener Krimineller, dem alles egal war. Also, was sollte er ihr antworten? Um etwas Zeit zu gewinnen, stand er bedächtig auf, goss sich den letzten Tee aus der Kanne nach, setzte frisches Wasser auf und lehnte sich schließlich rücklings an die Arbeitsplatte der Küchenzeile. Dabei war er sich sehr bewusst, dass Toni ihn nicht aus den Augen ließ und schließlich ihre Schlüsse aus seinem hartnäckigen Schweigen zog.

 

„Schon okay, wenn du nicht darüber reden willst … ich meine, du musst nicht.“

 

„Doch, doch“, antwortete Frank ruhig. „Jetzt haben wir einmal damit angefangen. Es ist nur nicht so einfach zu erklären und wahrscheinlich kommen wir sowieso nicht auf einen Nenner.“

 

„Versuchs halt“, bat Toni schlicht, ungeachtet der Tatsache, dass sie noch vor wenigen Minuten erklärt hatte, dass sie am liebsten von all dem gar nichts wissen wollte.

 

„Okay – gut, ich werd´ mein Möglichstes tun.“ Frank blies die Wangen auf und pustete einmal tief durch, während er nachdachte, wie viel er ihr erzählen sollte. „Weißt du“, sagte er schließlich. „Die meisten von uns haben nicht mal mehr ein Dach über dem Kopf. Und die, die eins haben, legen keinen Wert mehr darauf.“

 

„Verstehe. Wie deine Freundin Trixie“, warf Toni ein.

 

„Sie ist nicht meine Freundin. Sie ist nur eine Freundin“, betonte Frank und schaute sie zum ersten Mal wieder direkt an. „Jemand aus der Clique halt. Aber, ja, du hast recht. Wie Trixie.“

 

„Und?“ Tonis grüne Augen ruhten forschend auf seinem Gesicht. „Zu welcher Kategorie gehörst du?“

 

Da! Da war die Frage, die Frank insgeheim befürchtet hatte. Jetzt ging es nicht mehr nur um die Gruppe – Toni fragte gezielt ihn. Im ersten Augenblick wollte er abblocken und komplett dichtmachen – eine Art Fluchtinstinkt, den er im Laufe der Zeit entwickelt hatte – doch eine innere Stimme sagte ihm, dass das bei Toni wohl eher kontraproduktiv ankäme. „Zu den Letzteren“, antwortete er schließlich zögernd, nachdem er sich nach kurzer Überlegung dazu entschlossen hatte, Toni eine etwas abgewandelte Version der Wahrheit zu erzählen – schließlich wollte er vor ihr nicht wie ein absoluter Loser dastehen. „Mein Zuhause ist `ne echte Bruchbude. Meine Mutter ist vor ein paar Jahren gestorben und mein Alter ist die meiste Zeit des Tages besoffen“, fabulierte er ins Blaue und spürte gleich darauf, wie ihm die Kehle bei dieser dreisten Lüge spürbar eng wurde.

 

„Dein Vater trinkt?“ Aus Tonis Frage klang echtes Interesse und Frank bekam ad hoc ein noch schlechteres Gewissen. „Wieso?“

 

„Wieso? Keine Ahnung? Ist mir auch egal. Ich hatte nur irgendwann keinen Bock mehr, andauernd den Prellbock von meinem Alten zu spielen. Soll er doch jemand anderen windelweich  prügeln, wenn ihm danach ist. Ehrlich, du kannst mir glauben, auf der Straße ist es allemal besser, als in der Drecksbude, die er Wohnung nennt.“ Betont cool fixierte Frank die Wanduhr, als ginge ihn das alles überhaupt nichts an. Dabei hatte er sich selten so unwohl in seiner Haut gefühlt. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass das Gespräch total aus dem Ruder lief, und er keinerlei Einfluss mehr darauf nehmen konnte. Aber jetzt noch zurückzurudern erschien ihm völlig unmöglich. Dazu war es zu spät.

 

„Und die Schule?“, fragte Toni leise. „Ich meine, du bist doch nicht blöd. Du gehst doch aufs Gymnasium, oder?“

 

„Oh, vielen Dank.“ Frank grinste schief. „Ja, zur Schule gehe ich noch: Mal mehr, mal weniger. Im Moment mal wieder mehr – gehört zu den Auflagen. Als meine Mutter noch lebte und mein Alter seinen Job noch hatte, war ihr Ziel, dass ich es mal besser haben sollte. Na ja, drauf geschissen. Mensch, nun sei doch nicht so spießig. Ich versuch´ mich dieses Jahr zum zweiten Mal am Abi und es wird wahrscheinlich wieder in die Hose gehen. Stört mich aber nicht weiter. Studieren stand für mich sowieso nicht auf dem Plan. Wovon auch?“

 

Toni blickte ihn prüfend an: „Ich habe fast den Eindruck, du gefällst dir in der Rolle des bösen Buben“, stellte sie fest.

 

„Hey, was soll das?“, fragte Frank scharf. „Du hast die Schule doch auch abgebrochen, oder? Also erzähl mir bitte nicht, ohne Abi wär´ ich nur´n halber Mensch, oder so´n Quatsch.“ Er spürte, dass er mehr und mehr in die Defensive geriet und versuchte daher, den Spieß umzudrehen. „Du hast doch auch `nen Job gefunden. Ohne Abschluss und ohne Abi! Du kommst zurecht, oder? Also bitte: Erzähl´ mir nicht, dass ein Leben ohne Abi nicht funktioniert!“

 

„Ich hatte Glück, aber eins kannst du mir glauben, ich hätte verdammt gerne bis zum Abi weitergemacht“, fauchte Toni. „Der Unterschied zwischen uns ist, dass ich nicht die Wahl hatte.“

 

Frank horchte auf. „Okay, und was bedeutet das? Warum bist du abgegangen?“, fragte er in der Hoffnung, jetzt endlich etwas mehr  über Toni zu erfahren.

 

In diesem Augenblick leuchteten jedoch zwei Patientenklingeln in Form von Lampen an einer Wand im Schwesternzimmer gleichzeitig auf und Toni reagierte zu Franks leisem Verdruss umgehend.

 

„Du gehst zu Frau Schneider“, bestimmte sie. „Sie hat wahrscheinlich nur Durst. Ich kümmere mich um den General. Der kann manchmal ein bisschen schwierig sein. Du weißt schon, das Zimmer am Ende des Ganges.“

 

„Wo bleibt denn Schwester Karola?“, fragte Frank, der seine Enttäuschung, dass das Gespräch, gerade jetzt, wo es interessant wurde, ein so abruptes Ende gefunden hatte, kaum verbergen konnte. „Sollten wir nicht besser auf sie warten?“

 

„Sie wird noch zu tun haben“, vermutete Toni. „Na los, komm schon, nicht nervös werden. Das kriegen wir schon alleine gebügelt.“ Toni war schon halb auf dem Flur und Frank setzte sich, immer noch verärgert über die verpatzte Gelegenheit, ebenfalls in Bewegung und folgte ihr. Bevor er missmutig in das Zimmer der alten Frau Schneider stapfte, warf er noch einen letzten Blick auf Tonis Rücken, die mit schnellen Schritten den halbdunklen Flur entlang eilte. Das Mädchen war ihm ein Rätsel und so wie es aussah, sollte das auch vorläufig so bleiben. Zu dumm!

 

Frank öffnete leise die Tür zum Patientenzimmer und wollte sich gerade frustriert bei Tonis Lieblingsbewohnerin danach erkundigen, was denn nun schon wieder los sei, als sich sein Ärger nach einem Blick zum Bett der alten Dame augenblicklich in helle Panik verwandelte. Frau Schneider ging es offensichtlich gar nicht gut. Dicke Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, ihr  Atem ging stoßweise, sie hatte sich erbrochen, eine dünne Speichellinie lief aus dem seltsam herunterhängenden linken Mundwinkel und nässte auf die Bettdecke und so wie es aussah krampfte der zierliche Körper unter der Decke. Aus unruhig flackernden Augenlidern blickte sie Frank angstvoll an und streckte ihm hilfesuchend ihre wie Espenlaub zitternde Hand entgegen – besser gesagt, sie versuchte es, was ihr aber nicht ganz gelingen wollte, denn ihre Hand fiel immer wieder kraftlos auf das Bett zurück.

 

Kapitel 24 - Aufregung um Frau Schneider

„Verdammt“, entfuhr es Frank erschrocken. „Frau Schneider! Was fehlt Ihnen? Sind Sie krank?“ Blöde Frage, dachte er gleich darauf. Natürlich ist sie krank! Er kam sich unsagbar dämlich vor, wie er so hilflos dastand. Er hasste es wie die Pest, nicht Herr der Lage zu sein, und davon war er in diesem Augenblick meilenweit entfernt, soviel war klar. Von Frau Schneider durfte er nichts erwarten. Sie war definitiv nicht dazu in der Lage, ihm eine verständliche Auskunft zu geben. Entschlossen trat er daher die Flucht nach vorne an. „Einen Moment noch, ja? Halten Sie durch.“ Er wollte die Frau beruhigen, doch er hörte selber, wie aufgeregt seine Stimme klang. Beruhigend klang anders. „Ich gehe und hole Toni. Sie ist nur ein paar Zimmer weiter. Bleiben Sie ruhig, okay? Nur die Ruhe! Nicht aufregen, ich bin gleich wieder da.“ Fluchtartig verließ er das Zimmer und hastete mit langen Schritten durch den Flur, während er fieberhaft überlegte, in welchem Zimmer genau der General lag. Am Ende des Ganges hatte Toni gesagt, oder? Wie auch immer. Zum vorsichtigen Austesten war keine Zeit und so platzte Frank ohne Anklopfen einfach in das letzte Zimmer auf dem Gang hinein.

 

„Hey, gut, dass du kommst“, wurde er von Toni empfangen. „Du kannst mir kurz dabei helfen, sein Bett … Um Gottes Willen, ist was passiert?“, unterbrach sie sich erschrocken nach einem Blick in Franks Gesicht.

 

„Frau Schneider! Irgendwas stimmt nicht mit ihr!“, antwortete Frank atemlos. „Keine Ahnung, was, aber du musst mitkommen! Sofort!“

 

„Okay, okay, jetzt beruhige dich mal. Traust du dir zu, dich alleine um den General zu kümmern?“

 

„Ja, ja, mach schon“, drängte Frank ungeduldig. „Toni, bitte! Beeil dich, die Frau sah gar nicht gut aus – ich kenn´ mich mit so was nicht aus, aber ich weiß nicht … nach dem, was man so liest, könnte es sein, dass sie wieder einen Schlaganfall hat!“

 

Endlich schien Toni den Ernst der Lage zu realisieren und setzte sich in Bewegung. „Hast du Schwester Karola schon informiert?“

 

„Nein, ich … ach, Scheiße!“ Wieso zum Teufel hatte er nicht gleich daran gedacht?

 

Toni eilte an die Tür, drückte den Knopf der internen Klingelanlage, die unter anderem auch die einzelnen Stationen miteinander verband, und fluchte gleich darauf laut: „Scheiß Technik! Ausgerechnet jetzt funktioniert das Mistding mal wieder nicht. Okay, hör´ zu, du hilfst nur schnell dem General zurück ins Bett und dann musst du Karola suchen gehen. Beeil dich! Ich seh´ inzwischen nach Frau Schneider.“

 

„Toni, ich komm´ schon klar. – Hau – endlich – ab!“

 

Nachdem Toni endlich verschwunden war, half Frank dem General auf sehr unkonventionelle Art zurück ins Bett. „Tut mir leid“, entschuldigte er sich dabei wiederholt. „Aber Sie haben es ja mitbekommen – ich muss dringend weg.“ Auf die Frage des alten Mannes, was denn nun eigentlich mit Frau Schneider los sei, zuckte er nur bedauernd mit den Schultern, bevor er sich endlich eilends auf den Weg hinüber in den anderen Gebäudeflügel machte. Das Glück war ihm hold, denn gerade als er durch die breite Glastür auf die normale Station stürmte und leicht verzweifelt den vor ihm verlassen daliegenden Flur registrierte, trat Schwester Karola aus einem der Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.

 

„Psst“, machte sie vorwurfsvoll in Franks Richtung und legte dabei einen Finger auf die Lippen. „Musst du so trampeln? Es ist Nachtruhe.“

 

„Frau Schneider“, stieß Frank keuchend hervor. „Es geht ihr schlecht. Toni ist bei ihr, aber Sie sollen schnell kommen. Sie wollte Sie anklingeln, aber diese Scheißanlage funktioniert nicht.“

 

Umgehend setzte sich die Krankenschwester, nicht weniger leise als zuvor Frank, in Bewegung. Er folgte ihr auf dem Fuß und war froh, als sie endlich Frau Schneiders Zimmer erreichten.

 

„Toni“, zischte die Schwester erbost, kaum dass sie die Zimmertür geöffnet und einen ersten Blick hinein geworfen hatte. „Was zur Hölle machst du da? Hör sofort auf damit!“

 

„Schon passiert – ich konnte nicht anders. Es war höchste Zeit“, hörte Frank verwundert Tonis Antwort.

 

„Hast du wenigstens den diensthabenden Arzt alarmiert?“, herrschte Schwester Karola das junge Mädchen an.

 

„Natürlich“, war die ruhige Antwort. „Nachdem ich gemessen hatte und alles soweit klar war, habe ich ihn sofort gerufen – und den Notarzt gleich dazu.“

 

„Du hättest ihr Traubenzucken geben können – du weißt, dass immer etwas im Nachttisch liegt. Oder etwas zu trinken.“

 

„Ich war mir nicht sicher, dass sie noch schlucken kann“, fauchte Toni. „Verdammt, wo bleibt denn nur der Diensthabende?“

 

Diese Frage hätte Frank Toni glatt beantworten können, denn der diensthabende Arzt des Heims drückte sich gerade mit der knappen Frage: „Wie sieht es aus?“, brüsk an ihm vorbei ins Patientenzimmer. Was zum Teufel war da los? Erbost versuchte Frank Schwester Karola zuvorzukommen, die gerade eilig auf die Tür zurauschte. Er wollte sich an ihr vorbei ins Zimmer schieben, wurde aber durch den korpulenten Körperbau der Schwester recht effektiv daran gehindert.

 

„Du wartest draußen“, herrschte die Frau den völlig überraschten jungen Mann an, bevor sie ihm kurzerhand die Tür vor der Nase zuknallte.

 

Immer noch nach Luft ringend lehnte Frank sich rücklings an die Wand. Okay, das ist also der Dank für dein schnelles Handeln, dachte er. Auch Toni hatte offenbar während seiner Abwesenheit gehandelt. Sie hatte genau das getan, worum er sie gebeten hatte und wurde zum Dank nun mies von Schwester Karola angepampt. Wie ungerecht war das denn? Frank kochte vor Wut. Zu gerne hätte er gewusst, was da gerade im Zimmer vor sich ging, doch es war offensichtlich, dass man ihn nicht dabei haben wollte. Er schüttelte frustriert den Kopf und strich sich ein paar verirrte Haarsträhnen, die sich bei seiner wilden Hatz durch die Flure aus dem Zopf gelöst hatten, hinter die Ohren. Oder hatte er womöglich etwas falsch gemacht? Nein, das konnte doch nicht sein, oder? Vielleicht hätte er sich ja direkt auf die Suche nach der Schwester machen müssen? Falls ja, wie würde sich dieser Fehler später in seiner Beurteilung auswirken? Urplötzlich jedoch überfiel ihn ein panisches Angstgefühl: Scheiß auf die Beurteilung. Was, wenn die alte Frau womöglich jetzt durch seinen Fehler starb? Frank zwang sich, nicht weiter darüber nachzugrübeln, denn das machte ihn schier verrückt. Er versuchte sich einzureden, dass er eh nichts tun konnte, außer warten, was vielleicht in dem perfiden Spiel, was hier gerade ablief, der mit Abstand mieseste Part war. Allerdings könnte er auch noch einmal nach dem alten General sehen, den er eben so überfahren hatte.

 

Entschlossen drückte Frank sich von der Wand ab und machte sich auf den Weg. Genau das würde er tun. Nach dem General zu sehen war allemal besser, als hier weiter dumm rumzustehen.

 

*************

 

Nachdem Frank sich zunächst noch einmal ausführlich bei dem alten Mann entschuldigt hatte, richtete er zuallererst einmal sein Bett wieder vernünftig her. Der General erkundigte sich besorgt nach Frau Schneider, doch Frank musste ihm mit einem erneuten Schulterzucken die Antwort schuldig bleiben. Er spürte jedoch, dass der alte Mann froh über die unerwartete Gesellschaft war und so blieb er nach dem Bettenmachen einfach noch bei ihm. Schließlich hatte man ihn bei Frau Schneider bewusst ausgeschlossen, also konnte er wohl getrost davon ausgehen, dass man ihn dort auch nicht vermisste.

 

Zu Franks Überraschung konnte man sich sehr gut mit dem General unterhalten. Der alte, so gebrechlich wirkende Mann war geistig völlig fit und nicht auf den Kopf gefallen. Nachdem ihm der General einige Anekdoten über seine Laufbahn bei der Bundeswehr erzählt hatte, musterte er Frank schließlich prüfend.

 

„Und? Willst du nicht auch mal was erzählen? Was ist mit dir?“, erkundigte er sich mit seiner etwas blechern klingenden Stimme.

 

„Was soll mit mir sein?“, stellte Frank unbehaglich eine Gegenfrage.

 

„Nun, ich beobachte dich jetzt schon, seitdem du bei uns bist. Na ja, ich sollte vielleicht einschränken, soweit es mir möglich ist“, gestand der General. „Ich bekomme natürlich nicht mehr alles mit.“

 

Frank legte den Kopf schief: „Na ja, allzu lange ist das ja noch nicht.“

 

„Ich weiß. Ich komme ja nur selten hier raus, weißt du, zuwenig Personal. Aber trotzdem: Jedes Mal, wenn du hier im Zimmer bist, verrätst du mir unbewusst eine ganze Menge über dich.“

 

„Wow, ich wusste gar nicht, dass man beim Bund auch eine psychologische Ausbildung bekommt“, antwortete Frank sarkastisch. Er hasste es analysiert zu werden.

 

Der General schmunzelte: „Oh ja, in gewisser Weise schon. Aber vielleicht bin ich auch einfach durch das ständige Nur-Herumliegen zu einem guten Beobachter geworden. – Wie sieht es aus? Willst du hören, was ich denke?“

 

„Okay. Meinetwegen, lassen Sie hören“, sagte Frank lässig und bereute es im nächsten Augenblick schon wieder. Mann, was redete er denn da? Er war sich gar nicht so sicher, ob er wirklich hören wollte, was der alte Mann von ihm dachte.

 

„Also gut, wie du willst.“ Die dünnen Lippen formten sich zu einem Lächeln, das die vielen Falten in dem alten Gesicht noch tiefer in die Haut einzugraben schien. „Jeder hier weiß, dass du nicht freiwillig hier bist. Es ist eine Strafe, vermutlich sogar eine ziemlich harte für jemanden wie dich, denn ich halte dich für sehr freiheitsliebend. Aber du nimmst sie an. Mehr noch, du versuchst sogar, dich anzupassen.“

 

„So? Tu ich das?“ Frank fühlte sich zusehends unbehaglich.

 

„Oh ja, das ist liegt klar auf der Hand. Wahrscheinlich bemerkst du es nicht einmal und reagierst unbewusst. Anfangs hast du noch den Rebell gegeben und Toni damit regelmäßig zur Weißglut gebracht. Inzwischen läuft es aber besser zwischen euch. Sie versucht, zu vermitteln, und du gehst darauf ein.“

 

Frank war wider Willen überrascht. „Wir haben ein Arrangement getroffen“, gab er sichtlich widerstrebend zu.

 

„Ach ja?“ Der General machte eine bedeutungsschwangere Pause. „Toni ist ein hübsches Mädchen. Ich schätze, das ist dir aufgefallen.“

 

„Sie ist nicht gerade glücklich darüber, dass sie mich an der Backe kleben hat“, wich Frank gekonnt aus, aber das erneute Lächeln des Generals bewies, dass er den alten Mann nicht hatte täuschen können.

 

„Ich bin mir sicher, dass das nichts mit dir zu tun hat.“

 

„Außerdem …“ Frank stockte und starrte die gegenüberliegende Wand an.

 

„Was außerdem?“

 

„Na ja, Toni ist freundlich zu mir und so weiter, aber das ist sie nur, weil sie es muss. Wenn ich meine Stunden hier abgearbeitet habe, macht sie drei Kreuze, wenn sie mich wieder los ist. Eigentlich logisch, denn dann hat sie ja auch wieder mehr Zeit für ihren Freund“, rutschte es Frank unbedacht heraus.

 

Der General hob eine seiner buschigen grauen Augenbauen, die sein Gesicht immer ein wenig bedrohlich wirken ließen. „Toni hat wieder einen Freund? Das wusste ich nicht. Na ja, seitdem ich auf dieser Station gelandet bin, läuft eben vieles an mir vorbei. Ich erinnere mich, dass sie sich damals die Sache mit ihrem Ex-Freund sehr zu Herzen genommen hat. Das ist aber schon `ne ganze Weile her. Es würde mich freuen, wenn sie wieder jemanden gefunden hat. Hoffentlich ist es dieses Mal von Dauer. Ach, das Mädchen hat einfach viel zu wenig Zeit“, setzte er abschließend bedauernd hinzu.

 

„Wie gesagt, das ändert sich ja wieder, sobald ich weg bin“, wiederholte Frank knurrig. „Dann hat sie sicher auch wieder mehr Zeit für ihren neuen Lover und kann nach Herzenslust mit ihm …“ Er unterbrach sich. „Ähm … Entschuldigung.“

 

„Ich mag vielleicht nicht mehr alles mitbekommen, aber ich weiß sehr wohl noch, was ein Lover ist und was man mit ihm tut.“ Der General musterte Frank nachdenklich. „Aber mir scheint, du weißt nicht sehr viel über Toni, nicht wahr?“

 

„Woher auch? Mir sagt ja keiner was“, erklärte Frank leichthin.

 

„Zeigst du denn Interesse? Ich meine, echtes, ehrliches Interesse?“

 

Frank zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung – denke schon.“

 

„Ich sage immer: Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es auch wieder heraus. Klingt blöd und antiquiert, ich weiß, aber da ist was Wahres dran, Junge, glaub mir.“

 

„Mag sein.“ Frank stand auf. „Hören Sie, ich glaube, ich sollte mich langsam mal wieder vorne sehen lassen. Bevor die gleich noch meine Bewährungshelferin aus dem Bett klingeln.“

 

„Na, so schlimm wird es schon nicht werden“, lächelte der General.

 

„Sie haben ja keine Ahnung.“ Frank verdrehte die Augen.

 

„So, glaubst du? Hör zu, ich würde mich ehrlich freuen, wenn du dich mal wieder hier sehen lässt. Es ist manchmal ganz schön einsam hier. Natürlich nur, wenn du während deiner Schichten mal etwas Zeit erübrigen kannst.“

 

„Haben Sie denn keine Verwandten?“

 

„Doch, aber die sind leider beruflich sehr einspannt. Sag, du spielst wohl nicht zufällig Schach?“

 

„Schach? Doch, sehr gerne sogar.“

 

„Wie gesagt, ich würde mich freuen.“

 

Frank nickte und lächelte andeutungsweise. Was hatte Toni gesagt? Der alte Mann wäre schwierig? Nun, das konnte er bislang nicht bestätigen. Er fand ihn sympathisch. „Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber …“

 

Die Tür öffnete sich und Toni steckte ihren Kopf ins Zimmer. „Hallo General, ich wollte nur kurz nachsehen, ob bei Ihnen alles in…“ Da entdeckte sie Frank, der am Fußende des Bettes stand. „Hier steckst du“, rief sie überrascht aus. „Wir dachten schon, du wärest gegangen.“

 

„Sehen Sie? Noch Fragen?“, sagte Frank angesäuert zum General, bevor er sich zu Toni umdrehte: „ Und? Habt ihr schon angerufen?“

 

„Was?“ Toni wirkte verwirrt. „Wen sollten wir denn anrufen?“

 

„Na, meine Bewährungshelferin. Hoffentlich habt ihr die arme Frau nicht völlig umsonst aus dem Schlaf geholt.“

 

„Spinnst du? Was redest du denn da für einen Mist?“

 

„Oh, doch nicht? Gut, ich dachte schon.“ Frank ging zur Tür. „Gute Nacht, General. Ich lass´ mich bestimmt mal auf `ne Partie Schach sehen. Schicht hin oder her. Versprochen.“

 

Er schob sich schnell an Toni vorbei durch die Tür und verschwand in Richtung Schwesternzimmer. Toni folgte ihm völlig verdattert, nachdem sie dem General erst noch mitgeteilt hatte, dass Frau Schneider auf dem Weg ins Krankenhaus sei, sie ihm aber mehr nicht erzählen durfte. Als sie schließlich kurz nach Frank den Raum betrat, war der bereits dabei, den Tisch abzuräumen.

 

„Hey, Danke, dass du noch einmal nach dem General gesehen hast. Er meinte, du hättest dich sehr gut um ihn gekümmert.“ Ein abfälliges Schnauben war die einzige Reaktion, die sie daraufhin erntete, wobei Frank noch nicht einmal aufblickte. „Kannst du mir verraten, was das eben sollte?“, fragte sie ziemlich verunsichert.

 

„Keine Ahnung, wovon du sprichst.“

 

„Na, der blöde Spruch mit deiner Bewährungshelferin.“

 

„Nichts, vergiss es“, antwortete Frank kurz angebunden, während er weiter verbissen die definitiv inzwischen sicher schon hygienisch einwandfreie und porentief saubere Tischoberfläche mit einem Schwamm malträtierte.

 

„Mann, du kannst vielleicht komisch sein“, meinte Toni. „Übrigens, Frau Schneider geht es schon etwas besser. Sie wird ein paar Tage im Krankenhaus bleiben müssen, aber das wird schon wieder. Es hätte aber auch schiefgehen können – es war auf jeden Fall richtig von dir, sofort Hilfe zu holen.“

 

„Schön – freut mich, das zu hören.“ Frank hob den Kopf und schaute Toni abwartend an.

 

„Ich meine das ernst. Ehrlich, wenn du nicht …“ In diesem Augenblick beendete mal wieder eine Patientenklingel das Gespräch der beiden. Toni verdrehte die Augen und warf Frank einen entschuldigenden Blick zu. „Sorry. Schwester Karola ist noch beim Diensthabenden. Ich glaube, wir müssen noch mal ran.“

 

Kapitel 25 - Überraschende Einladung

„Gib´ dir keine Mühe, ich versteh´ schon, die Arbeit wartet“, sagte Frank äußerlich emotionslos und warf mit einem eleganten Bogen den Schwamm in die Spüle, bevor er sich in Bewegung setzte.

 

Toni seufzte und folgte ihm. Offenbar war im Moment nicht mit ihm zu reden. Vielleicht später, tröstete sie sich im Stillen. Irgendwie konnte sie Franks Unmut ja sogar verstehen. Es war sein gutes Recht, eine Erklärung zu verlangen. Doch ihre Hoffnung auf etwas Zeit sollte sich nicht erfüllen. Sie hatten die restliche Nacht über so viel zu tun, dass sie kaum einmal zum Luftholen kamen. Es war wie verhext und in Null Komma Nichts ging die tiefschwarze Nacht in einen grauen Morgen über. Die beiden Jugendlichen verteilten das Frühstück und halfen wieder, dort wo es nötig war, beim Füttern und der Morgenwäsche. Dazwischen wuselte die Krankenschwester der Frühschicht mit Medikamenten und frischen Verbänden herum.

 

Am späten Vormittag war Frank soweit, dass er nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand. Doch er beklagte sich mit keinem Wort, sondern orientierte sich stumm an Toni, die wie ein gut geöltes Uhrwerk funktionierte. Es kam ihm vor, als sei sie sein Fels in der Brandung. Wenn sie nicht an seiner Seite gewesen wäre … vermutlich hätte er schon längst die Segel gestrichen. Seine Wut war zu diesem Zeitpunkt schon lange verraucht. Was hätte es auch gebracht, sich weiter da hinein zu steigern? Nichts. Es kostete nur unnötig Energie und die paar Reserven, die er noch hatte, benötigte er dringend für den Rest der Schicht. Er fühlte sich inzwischen wie einmal durch den Fleischwolf gedreht. Verstohlen beobachtete er Toni, während sie ihre restlichen Kräfte bündelten, um gemeinsam eine schwergewichtige bettlägerige Patientin trocken zu legen, was gar nicht so einfach war, da diese ihnen kaum behilflich sein konnte. Wie zum Teufel macht sie das nur, fragte sich Frank unwillkürlich. Toni war nach wie vor freundlich, lächelte und arbeitete einfach immer weiter. Lediglich an ihren Augen war abzulesen, dass auch sie müde war.

 

Endlich wurde es Zeit für das Mittagessen und das Ende der Schicht rückte in verlockende Nähe. Während Frank die Verteilung und das Füttern dieses Mal allein übernahm, bereitete Toni parallel zusammen mit der Examinierten die Ablösung und Übergabe vor. Als Frank seine Aufgaben erledigt hatte und ins Schwesternzimmer zurückkehrte, war bereits alles erledigt und die Krankenschwester schon wieder auf der Station unterwegs. Toni kochte gerade frischen Tee, als er hereinkam und sich schwer auf einen der Stühle plumpsen ließ.

 

„Was ist los?“, fragte sie nachdem sie ihm einen schnellen Blick zugeworfen hatte. „Du siehst so nachdenklich aus.“

 

„Das täuscht.“ Frank rang sich mit Mühe ein schiefes Grinsen ab. „Ich bin gar nicht mehr in der Lage, klar zu denken. Ich weiß im Moment nicht, was schlimmer ist: Der Hunger oder die Müdigkeit. Aber eins weiß ich mit absoluter Sicherheit: Ich bin viel zu kaputt, um darüber nachzudenken.“

 

Toni lächelte. „Das geht allen beim ersten Mal so“, sagte sie tröstend. „Nicht weiter tragisch. Mach dir keinen Kopf. Ich war auf jeden Fall froh, dass du da warst.“

 

„Im Ernst?“ Frank hob zweifelnd den Kopf und sah zu, wie Toni den fertigen Tee in Kannen umfüllte.

 

„Sicher“, antwortete sie schlicht. „Du warst gut. Dabei war ganz schön was los.“

 

„Wohl wahr. Das hätte ich nicht vermutet.“

 

„Na ja, es ist schon was dran, dass viele ältere Leute Schlafprobleme haben. Aber so heftig wie letzte Nacht war es schon lange nicht mehr. Hey, wenn ich dir einen Tipp geben darf: Du solltest nie versuchen, nachts bei alten Leuten einzubrechen. Sie könnten wach sein.“

 

„Sehr komisch, wirklich.“ Frank verzog verstimmt das Gesicht. „Ein echter Schenkelklopfer.“

 

„T´schuldigung“, sagte Toni. „Du hast recht. Die Bemerkung war blöd. Ich hab´ nicht nachgedacht.“

 

„Geschenkt.“ Frank war sehr einsilbig. Aber das lag weniger daran, dass er beleidigt war, sondern schlicht daran, dass er zum umfallen müde war. Doch das konnte Toni natürlich nicht wissen und so zuckte sie nur noch einmal entschuldigend mit den Achseln.

 

Als die Ablösung kam, durfte Frank gehen, da seine Anwesenheit bei der Übergabe nicht nötig war. Mit einem Kopfnicken verabschiedete er sich. Toni blickte ihm nachdenklich hinterher, was er jedoch gar nicht mehr realisierte. Während er sich umzog, kam er sich vor, wie eine Marionette. Seine Gliedmaßen gehorchten ihm zwar, doch trotzdem war es, als gehörten sie nicht wirklich zu ihm. Als zöge jemand anderes die Fäden und lenkte ihn. Gott, was bastelte sein müdes Hirn da bloß für einen Unsinn zusammen? Er brauchte unbedingt `ne Mütze voll Schlaf. Mechanisch zog Frank sich um, schulterte seinen Rucksack, schlurfte mit gesenktem Kopf zur Tür und prallte beim Verlassen des Raumes auf dem Flur fast mit Toni zusammen, die offenbar nun auch auf dem Weg in ihren wohlverdienten Feierabend war.

 

„Hoppla.“ Frank ging zwei Schritte rückwärts und gab den Weg für sie frei. „Siehst so aus, als hören wir den Dienst damit auf, womit wir ihn auch begonnen haben.“ Als er Tonis verständnislosen Blick bemerkte, setzte er erklärend hinzu: „Gestern Mittag sind wir auch fast zusammengestoßen. – Seid ihr schon fertig mit der Übergabe? Das ging aber flott.“

 

Er hatte damit gerechnet, dass Toni an ihm vorbei weiter in Richtung Umkleide gehen würde, doch das tat sie seltsamerweise nicht. Im Gegenteil, sie machte sogar einen Schritt auf ihn zu und blieb schließlich so dicht vor ihm stehen, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm ins Gesicht sehen zu können.

 

„Na jaaa … es war ja nicht Besonderes los“, entgegnete sie vielsagend.

 

Frank hob eine Augenbraue. „So? Und was bitte schön war mit Frau Schneider?“ Er schaute zu Toni runter, sah ihren Gesichtsausdruck und winkte ab. „Nein, sag nichts. Ich will es gar nicht wissen. Lässt du mich bitte vorbei“, bat er. „Ich bin völlig am Arsch und hey, kaum zu glauben, aber ich habe endlich frei. Klärt eure Geheimoperationen ohne mich.“

 

„Hör zu …“, druckte Toni herum und rührte sich nicht von der Stelle. „Ich habe mich gefragt, ob … ich meine natürlich nur, wenn du nicht zu müde bist … aber das bist du ja, das hast du ja gerade schon gesagt, aber, na ja, ich weiß nicht, vielleicht hättest du ja trotzdem Lust … Wenn du natürlich schon was anderes vorhast …“

 

Frank konnte nicht anders. Das Grinsen schlich sich von ganz allein auf sein Gesicht. So hatte er die selbstsichere Toni bislang noch nie erlebt.

 

„Hey! Warum lachst du mich aus?“, fuhr sie ihn an.

 

„Ich lache dich nicht aus. Ich weiß nur nicht, worauf du hinaus willst“,  antwortete Frank ehrlich.

 

„Okay.“ Toni holte tief Luft. Es fiel ihr nicht leicht, ihren Vorschlag vorzubringen. „Kaffee“, stieß sie schließlich hervor. „Ich meine, hast du Lust, mit mir noch irgendwo `nen Kaffee zu trinken?“ Fragend blickte sie Frank ins Gesicht. „Was ist? Ich würde sehr gerne noch etwas mit dir besprechen. In Ruhe.“

 

Die Einladung kam überraschend und mit Sicherheit war der Zeitpunkt nicht gerade glücklich, doch Frank schaltete trotz seiner Müdigkeit blitzschnell. Das war die Gelegenheit, endlich etwas über Toni zu erfahren. Sein Bett musste warten. Wer wusste schon, wann sich ihm noch einmal so eine Chance bieten würde. „Ich dachte, du trinkst nur Tee“, antwortete er mit einem Augenzwinkern.

 

„Nicht nur. Manchmal brauche ich einfach eine Dosis Koffein.“

 

„Du sprichst mir aus der Seele. Ich auch. – Okay, ich bin einverstanden. Aber nicht hier“, wagte Frank einen vorsichtigen Vorstoß. „Momentan will ich nur noch hier raus.“

 

„Nein, ich dachte vielleicht irgendwo in der Stadt. Ich lad´ dich ein, ich meine, falls du kein Geld hast.“

 

„Schon gut“, lächelte er mit dem Anflug eines schlechten Gewissens. „Ich hab´ schon verstanden. Ich warte draußen auf dich, okay? Ich muss dringend an die frische Luft, sonst breche ich auf der Stelle zusammen und schlafe ein.“

 

„Oh, wir können es auch verschieben, wenn dir das lieber ist.“

 

„Kommt gar nicht in die Tüte. Die Chance auf ein Date mit dir werde ich mir doch nicht entgehen lassen.“ Er grinste geradezu unverschämt spitzbübisch und seine blauen Augen blitzten. „Ich will schließlich nicht, dass meine `Beurteilerin´ sauer auf mich wird.“

 

„Hey, ich will nur mit dir reden. Das ist kein Date“, warf Toni schnell ein.

 

Frank lachte und zwinkerte erneut. „Natürlich nicht.“ Er hob eine Hand und wies in Richtung Tür. „Du findest mich draußen. Bis gleich.“

 

*************

 

Vor dem Haupteingang atmete Frank erst einmal tief durch. Die frostige Novemberluft belebte seine müden Lebensgeister wieder etwas. Er schüttelte sich und warf einen Blick nach oben. Leichter Schneeregen fiel aus tief hängenden grauen Wolken und Frank ärgerte sich, dass er mit dem Motorrad unterwegs war. Bei einem solchen Wetter wäre das Auto eindeutig bequemer – allerdings auch schwerer zu erklären, wie er sich gleich darauf sagte. Nun denn, es war sowieso nicht zu ändern, also blieb ihm nichts anderes übrig, als das Beste daraus machen.

 

Er zog den Reißverschluss seiner Jacke bis unters Kinn, bezog Warteposition auf dem Metallgeländer neben der Eingangstür und grübelte darüber nach, was Toni zu dieser plötzlichen Einladung veranlasst haben mochte. Er vermutete, dass es etwas mit dem Zwischenfall in der Nacht zu tun hatte, doch sicher war er sich nicht. Nun denn, er würde es bald erfahren und dann würde er versuchen, seinerseits etwas über Tony herauszubekommen. Er musste sich etwa zehn Minuten gedulden, bis Toni schließlich, warm eingepackt, in der Tür erschien. Sie trug ihr Haar offen und wickelte sich gerade ihren bunten, offenbar aus Wollresten selbstgestrickten Schaal mehrfach um den Hals.

 

„Da bin ich“, verkündete sie und blickte ihn abwartend an.

 

Frank ließ sich vom Geländer rutschen. „Okay, dann kann´s ja losgehen. „Wohin willst du?“

 

„Ins Einkaufszentrum?“

 

Frank erstarrte mitten in der Bewegung. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, Toni hätte ihren Vorschlag ernst gemeint, doch dann bemerkte er das verräterische Aufblitzen in ihren Augen und das angedeutete Schmunzeln ihrer Mundwinkel.

 

„Schätze, das muss wohl nicht sein?“ Sie lächelte kurz.

 

„Nee, nicht wirklich“, murmelte Frank verstimmt. Was sollte das? Wollte sie ihn vielleicht verarschen?

 

„Hab´ ich mir gedacht. Tut mir leid, aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. – Schlag du was vor“, bat sie dann. „Ich geh´ nicht so oft weg.“

 

„Gegenüber vom Gymnasium ist ein kleines Cafe“, schlug Frank nach kurzem Nachdenken vor. „Ist ganz gemütlich und hat humane Preise.“

 

„Okay, das kenne ich. Aber es ist ein ganz schönes Stück von hier bis in die Stadt. Den Bus können wir uns abschminken.“ Sie wies mit dem Kopf zur Straße, wo gerade der Linienbus vorbeirumpelte. „Der nächste fährt erst in einer Stunde.“

 

„Da vorn steht meine Kiste. Was meinst du? Traust du dich? Ich leih´ dir meinen Helm.“

 

„Ich weiß nicht.“ Toni wirkte nicht besonders glücklich über seinen Vorschlag. „Ich bin noch nie auf einem Motorrad mitgefahren“, gestand sie dann.

 

„Ist keine große Sache. Du musst nichts können. Einfach nur festhalten. Für den Rest bin ich zuständig.“

 

Toni warf einen zweifelnden Blick auf Franks Motorrad, das seitlich vor dem Heim geparkt stand. „Ist das wirklich deins, oder …?“ Toni ließ das Ende des Satzes offen und Frank fiel siedendheiß auf, dass – nach der Räuberpistole, die er ihr am Abend zuvor erzählt hatte – selbst ein eigenes Motorrad in seinem Besitz für Toni sehr unglaubwürdig rüberkommen musste.

 

„Die Maschine ist nicht geklaut, falls du das denkst“, erklärte er daher schnell. „Sie gehört einem alten Schulfreund. Er studiert außerhalb und ich darf die Kiste benutzen, wann immer er nicht in der Stadt ist.“

 

„Hm … netter Freund.“ Toni klang nicht sonderlich überzeugt.

 

„Ja, er ist ganz in Ordnung“, sagte Frank leichthin und beschloss, das erst einmal so stehen zu lassen. „Was ist denn nun? Verschieben oder Mitfahren?“ Er hielt Toni den Helm hin und war sich sehr bewusst, dass das eine durchaus gewagte Frage war.

 

Nach einem kurzen Zögern nahm Toni den Helm aus Franks Händen entgegen. „Es ist kein Date, klar?“, stellte sie dabei noch einmal nachdrücklich fest. „Und tu mir einen Gefallen … fahr´ bitte vorsichtig, okay? Diese Dinger sind mir irgendwie unheimlich.“

 

„Kann es sein, dass du ein wenig kompliziert bist?“, fragte Frank grinsend. „Aber okay, Punkt 1: Es ist kein Date, das habe ich kapiert. Punkt 2: Ich werde sehr vorsichtig fahren. Versprochen. Du brauchst keine Angst zu haben. – Können wir jetzt? Mir wird langsam kalt.“

 

Toni nickte, setzte Franks Helm auf und nestelte ungeschickt am Verschluss herum, als sie plötzlich seine – entgegen seiner Aussage von zuvor – überraschend warmen Finger an ihren spürte. Fahrig blickte sie hoch – genau in seine Augen, die wie so oft in letzter Zeit zunehmend Verwirrung in ihr auslösten - und versteifte sich merklich.

 

„Keine Panik – ich will dir nur helfen. Komm her …“ Es klickte und der Verschluss rastete ein. Frank schwang sich auf den Sitz und schaute sie auffordernd an. „Hey, du musst schon aufsitzen, wenn du mit willst.“ Daraufhin schwang sie tatsächlich ein Bein über die Sitzfläche und er spürte, wie sie sich vorsichtig in Position rückte. „Ja, genauso. Richtig so. Füße unten auf die Raster und jetzt einfach nur an mir festhalten. Da ist nichts dabei.“

 

Das versuchte Toni sich auch einzureden, aber die direkte Nähe zu Frank machte sie nervöser, als sie es sich vorgestellt hätte. Zögernd legte sie die Hände um seine Taille und erst als er den Motor startete, packte sie richtig zu.

 

Kapitel 26 - Toni taut auf

 

Frank hielt Wort und fuhr tatsächlich extrem vorsichtig, was Toni natürlich nicht wissen konnte. So zivilisiert wie selten zuvor lenkte er seinen heißgeliebten Ofen durch die Straßen stadteinwärts und eine halbe Stunde später saßen sie sich in einem kleinen Cafe gegenüber. Toni rieb verzweifelt ihre Handflächen aneinander.

 

„Ganz schön kalt auf so `nem Ding“, stöhnte sie. „Einen vernünftigen Bogen würde ich jetzt nicht mehr auf die Reihe kriegen, soviel steht mal fest.“

 

„Wie bitte.“ Frank guckte verständnislos. „Was für´n Bogen?“

 

„Ich spiele Geige“, erklärte Toni mit einem Lächeln.

 

„Geige. Wow.“ Frank war beeindruckt. „Ich dachte, Keyboard.“

 

„Auch. Bei uns in der Familie spielen wir alle mindestens ein Instrument.“

 

„Aha. – Praktisch.“ Mehr fiel Frank dazu nicht ein.

 

Toni zuckte mit den Achseln. „Na ja, es geht so. Viel kann man damit halt nicht anfangen.“

 

Die Getränke, die Frank beim Hereinkommen bestellt hatte, einen schwarzen Kaffee für sich und einen Cappuccino für Toni, wurden an ihren Tisch gebracht und beide legten sofort ihre Hände um die Tassen, um sie zu wärmen. Beide lachten kurz und für Außenstehende musste es so aussehen, als ob hier einfach zwei Jugendliche saßen, die Spaß miteinander hatten. Frank lehnte sich schließlich entspannt zurück und wartete ab. Das Gespräch war verebbt und die Situation wurde langsam ein wenig unangenehm. Toni kümmerte sich nach wie vor intensiv um ihre kalten Hände und ignorierte Franks prüfende und abwartende Blicke. Offensichtlich schien sie noch nicht dazu bereit, zu sagen, warum sie ihn auf einen Kaffee eingeladen hatte. Schließlich war Frank die Warterei leid.

 

„Also, nun mal raus mit der Sprache. Wie komme ich zu der Ehre?“

 

„Welche Ehre?“

 

„Na, hier mit dir zu sitzen und Kaffee zu trinken.“

 

„Red´ nicht so ein Blech. Das ist doch keine Ehre. Ich dachte nur, ich wäre dir eine Erklärung schuldig. Oder meinetwegen auch mehrere.“

 

„Stopp“, wurde sie von Frank unterbrochen und er hob eine Hand. „Du bist mir gar nichts schuldig. Muss ich dich wirklich daran erinnern, was wir abgesprochen hatten? Jeder macht sein Ding und so weiter und so weiter. Das bedeutet letztlich, dass keine Erklärungen notwendig sind, richtig?“

 

„Ich weiß ja, aber ich möchte es. Dir erklären, meine ich. Das, was letzte Nacht … vorgefallen ist. Natürlich nur, wenn du es hören möchtest.“

 

„Ich brenne darauf.“ Frank lächelte breit. „Ehrlich, ich bin ganz Ohr. Ich lege nur Wert darauf festzuhalten, dass es ganz alleine deine Entscheidung ist, was du mir erzählst und ich dich zu nichts gedrängt habe.“

 

„Es ist wegen Frau Schneider. Du hast dich doch sicher darüber gewundert, als Schwester Karola dir so einfach die Tür vor der Nase zugeschlagen hat.“

 

„Falsch“, warf Frank ein. „Ich habe mich nicht gewundert – ich habe mich geärgert“, stellte er trocken fest.

 

„Zu Recht. Also gut, ich muss etwas ausholen. Bei meiner Verhandlung ging es um folgendes: Irgendjemand hatte den Behörden gesteckt, dass ich im Heim unter anderem Arbeiten verrichtet habe, für die ich nicht die nötige Qualifikation mitbringe und sie daher eigentlich streng genommen nicht machen dürfte. Der Richter hat mich nun dazu verdonnert, eine Ausbildung zur Alten- und Krankenpflegerin zu machen, wenn ich weiter wie bisher im Heim arbeiten will. Also besuche ich jetzt neben der Arbeit noch die Berufsschule und muss mich im Heim zurückhalten, bis ich die entsprechenden Prüfungen bestanden habe. Ich darf bestimmte Arbeiten nicht mehr alleine verantworten, sondern nur noch mit einer ausgebildeten Kraft an meiner Seite die mich sozusagen `anlernt´.“

 

„Gut, kapiert. Und was hat das nun mit Frau Schneider zu tun?“

 

„Frau Schneider leidet an Diabetes und gestern Abend kam es – aus welchem Gründen auch immer – bei ihr zu einer Unterzuckerung. Das bedeutet, dass der Glucoseanteil in ihrem Blut extrem niedrig war. Ich kenne die Anzeichen, sie hatte das schon einmal und meine Oma litt auch an Diabetes. Eine Unterzuckerung kann sehr gefährlich werden, wenn man nicht sofort handelt. Normalerweise hilft als Erstmaßnahme, bis der Notarzt eintrifft, die Gabe von Traubenzucker oder auch zuckerhaltigen Getränken, aber nachdem ich den Blutzuckerspiegel bei Frau Schneider gemessen und festgestellt hatte, dass der Wert in höchstem Maße alarmierend war, bekam ich Angst. Sie stand bereits unter Schock und ich musste befürchten, dass sie womöglich jeden Moment bewusstlos wird. Außerdem krampfte sie und ich wusste nicht, ob ihr Schluckreflex noch funktioniert. Ich … ich wollte nicht alles noch schlimmer machen, nur dadurch dass ich nichts tue. Daher habe ich das getan, was eigentlich in einem solchen Notfall nur eine examinierte Krankenschwester tun darf. Ich konnte nicht einfach dastehen und abwarten bis Schwester Karola oder der Arzt auftauchen. Also habe ich Frau Schneider intramuskulär eine Dosis Glukagon verabreicht. Ich weiß, wie das geht und das Medikament liegt seit dem letzten Vorfall im Zimmer griffbereit. Glukagon erhöht zunächst einmal recht schnell den Blutzuckerspiegel und hilft, dass der Patient wach bleibt. Der Arzt hat ihr dann später zusätzlich noch Glucose intravenös gespritzt und letztlich entschieden, dass sie auf jeden Fall vorsichtshalber noch für ein paar Tage in die Klinik kommt, bis sich ihre Werte reguliert haben und sich dauerhaft wieder in normalen Bahnen bewegen. Außerdem hat der Schock sie sehr geschwächt und Frau Schneider ist ja sowieso nicht die Kräftigste. Als der Krankenwagen kam, war sie zwar schon wieder ansprechbar, aber immer noch sehr verwirrt – aber ich gehe davon aus, dass sich das in der Klinik relativ schnell wieder geben wird. Langer Rede, kurzer Sinn: Ich habe getan, was ich für richtig hielt und was nötig war, aber ich durfte es nicht tun. – So einfach ist das – deshalb war Schwester Karola auch so entsetzt, als sie ins Zimmer kam und bemerkte, was ich tat.“

 

„Ich verstehe das Theater nicht“, wandte Frank ein. „Ich meine, was hättest du denn tun sollen? Zuschauen, wie sie ins Koma fällt? Das wäre sie doch, oder?“

 

„Das kann man nicht mit Bestimmtheit sagen. Kann sein, kann aber auch nicht sein, aber die Folgen wären auf jeden Fall unabsehbar gewesen. Hypoglykämische Schocks können schwere Spätfolgen nach sich ziehen. Trotzdem, nach allem was passiert ist, hätte ich auf jeden Fall auf Schwester Karola warten müssen “, antwortete Toni. „Ich bin aber froh, dass ich es nicht getan habe“, setzte sie schließlich fast trotzig hinzu.

 

Frank wirkte ärgerlich. „Aber das ist doch … der totale Schwachsinn. Immerhin wusstest du, was du tust.“

 

Toni zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck. „Ich hab´ die Regeln nicht gemacht.“ Insgeheim tat es ihr gut, dass Frank offenbar auf ihrer Seite war. „Der springende Punkt ist, dass ich auf den Job angewiesen bin. Irgendwer im Heim kann mich ganz offensichtlich nicht leiden. Nicht einmal Schwester Maria weiß, wer mich verpfiffen hat. Oder sie will es mir nicht sagen, keine Ahnung. Dann kamst du ins Spiel. Das gab Schwester Maria die Möglichkeit, uns so einzusetzen, wie wir jetzt arbeiten. Damit konnte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und sie hat es sogar irgendwie hinbekommen, dass ich finanziell keinen Verlust habe. Was nicht fair war, ist, dass ich dich habe spüren lassen, dass mir diese Anfängerarbeiten ziemlich stinken, dabei kannst du am allerwenigsten dafür, was im Moment abgeht. Es tut mir leid. Im Grunde genommen sollte ich froh darüber sein, dass du da bist“, schloss sie schließlich leise.

 

„Übertreib´s nicht“, schmunzelte Frank. „Aber das ist echt krass. Du hast wirklich keine Ahnung, wer dahintersteckt?“

 

Toni schüttelte den Kopf. „Nicht den blassesten Schimmer.“

 

„Schöne Scheiße.“

 

„Du sagst es.“

 

„Seit wann machst du den Job eigentlich schon?“ Ein vorsichtiger Vorstoß erschien Frank an dieser Stelle durchaus angebracht.

 

„Knapp zwei Jahre.“              

 

„Also hast du die Schule vor zwei Jahren schon abgebrochen?“

 

„Nicht direkt. Erst nach den zehn Pflichtjahren. Aber ich hab´ vorher schon nachmittags und in den Ferien im Heim gejobbt. Ein gutes halbes Jahr nach dem Tod meiner Mutter, bin ich dann endgültig abgegangen. Damals lebte meine Oma noch im Heim. Sie war die beste Freundin von Frau Schneider. Leider ist sie letztes Jahr gestorben. Na ja, so kam eben eines zum anderen. Und bis vor kurzem lief ja auch alles super. Wo kein Kläger, da kein Richter. Ich bin nicht naiv – natürlich war mir bewusst, dass das alles nicht in Ordnung ist und Schwester Maria sicherlich auch, aber wir brauchten das Geld und sie zusätzliches Personal. Ich hätte nie vermutet, dass nach all´ der Zeit plötzlich aus dem Nichts noch ein Kläger auftaucht. So, jetzt weißt du Bescheid“, schloss Toni schlicht.

 

Frank konnte seine Betroffenheit nur schlecht verbergen. „Und jetzt befürchtest du, dass es neuen Ärger gibt?“, fragte er schließlich nach einem kurzen Zögern.

 

Toni schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Zum Glück war es Frau Schneider und Schwester Karola hält dicht, da bin ich mir sicher. Das war ja auch einer der Gründe, warum sie dich da raushalten wollte. Wir haben mit dem Diensthabenden vereinbart, dass sie es war, die Frau Schneider das Glukagon verabreicht hat.“ Sie zuckte mit den schmalen Schultern. „So steht es zumindest jetzt im Bericht – und auch in Frau Schneiders Patientenakte.“

 

„Okay, ich verstehe“, meinte Frank gedehnt. „Keine Sorge. Ich kann sehr schweigsam sein.“

 

„Davon bin ich ausgegangen“, lächelte Toni. „Sonst hätte ich dir das sicher nicht so ausführlich erzählt. Aber deshalb habe ich dich nicht eingeladen – also … nicht nur.“

 

„Nicht? Warum denn noch?“, wunderte Frank sich.

 

„Ich wollte einfach mal in Ruhe mit dir reden. Ich wollte weiteren Missverständnissen vorbeugen und ja, dazu gehört natürlich auch, dass du verstehst, warum das gestern so abgelaufen ist. Außerdem na ja … du hast mir schließlich auch alles erzählt.“

 

Frank dachte an seine gelungene Mischung aus Lüge und Wahrheit und fühlte sich prompt erneut unwohl. Um Zeit zu gewinnen ordnete er sich erst umständlich die feuchten Haare, bevor er fragte: „Und jetzt? Ich meine, jetzt sind doch alle Missverständnisse ausgeräumt, oder nicht? Wie geht´s jetzt weiter?“

 

„Jetzt können wir hoffentlich noch besser zusammenarbeiten.“ Toni schaute ihrem Gegenüber offen ins Gesicht. „Mir war wichtig, dass du weißt, dass ich keine Vorurteile gegen … na ja, gegen Leute wie dich habe. Ich bin nur in letzter Zeit einfach manchmal mies drauf.“

 

„Ist wohl alles `n bisschen viel“, warf Frank ein.

 

„Quatsch“, wehrte Toni schnell ab – vielleicht eine Spur zu schnell. „Okay, wenn ich dich also noch mal blöd anmaulen sollte, nimm´s einfach nicht persönlich, in Ordnung?“

 

„Okay, okay, brich dir bloß keinen ab. Ich hab´s geschnallt“, antwortete Frank betont cool. Ihm lag mittlerweile daran, möglichst zügig das Thema zu wechseln. Außerdem wollte er die Gelegenheit nutzen, noch mehr über Toni zu erfahren. „Noch einen Cappuccino“, fragte er daher lässig.

 

„Gerne.“

 

Kapitel 27 - Butter bei die Fische

Frank bestellte Nachschub und erkundigte sich dann scheinbar beiläufig: „Ist es dir nicht schwergefallen, damals einfach so von der Schule abzugehen? Ich meine, du stehst doch auf Abi und das ganze Brimborium.“

 

Toni schüttelte so heftig den Kopf, dass die roten Locken flogen. „Nicht einfach so. Es gab keine andere Lösung. Wir mussten sehen, dass wir die Familie zusammenhielten. Dazu brauchten wir Geld.“ Sie zuckte mit den schmalen Schultern. „Kann man halt nichts machen. Immerhin hab´ ich `nen Job. Andere suchen monatelang und finden nichts. Mein älterer Bruder hat sein Abi noch gemacht. Er ist eineinhalb Jahre älter als ich.“ Sie überlegte kurz. „Hm, könnte sogar sein, dass er damals in deiner Stufe war.“

 

Frank dachte nach und erinnerte sich vage an einen Jungen aus seiner ursprünglichen Stufe, dessen Leben damals durch einen Unfall aus der Bahn geworfen wurde. Es war seinerzeit das Gesprächsthema in der Schule gewesen. Doch da der Junge nicht die gleichen Kurse belegt hatte wie er, war Frank die Geschichte ziemlich gleichgültig gewesen.

 

„Was macht dein Bruder jetzt?“, fragte er. „Studieren?“

 

„Machst du Witze?“, fragte Toni trocken. „Ich sagte doch eben, dass wir jeden Euro brauchen. Nein, er arbeitet auf dem Bau. Was ist mit dir? Lass mich raten: Hm … Ehrenrunde, nehme ich an.“

 

Frank nickte und grinste schief. „Ich hatte einige Fehlstunden und dadurch `ne Menge Stoff versäumt. Einige der Lehrer meinten sogar, bei mir tendiere der Wiedererkennungswert gegen Null.“

 

„Ich schätze, damit lagen sie gar nicht so falsch“, kicherte Toni.

 

Frank fiel plötzlich auf, dass er Toni noch nie herzhaft hatte lachen sehen. Auch ihr Lächeln setzte sie eher sparsam ein, doch wenn sie es tat, lächelte sie nicht nur mit dem Mund. Ihr Lächeln erreichte die Augen und ließ sie strahlen. Gott, Tonis Augen waren normalerweise schon der helle Wahnsinn, aber wenn sie lächelte …

 

„Was ist? – Du starrst schon wieder so komisch. Lass das!“

 

Frank zuckte ertappt zusammen und kehrte zurück in die Realität. „Hey, wer kennt schon den anderen wirklich“, sagte er locker. „So was gibt´s doch heutzutage gar nicht mehr.“

 

„Findest du? Doch nur, wenn du Niemanden an dich heran lässt“, wandte Toni ein.

 

„Quatsch. Damit hat das nichts zu tun. Wir spielen doch alle bloß Theater. Schlüpfen in Rollen – wie es uns gerade in den Kram passt und präsentieren nach außen hin nur das, was wir wollen, das die Anderen von uns sehen. Zumindest solange, wie wir uns unter Kontrolle haben. Komm schon, sei ehrlich, was ist mit dir? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du dir von anderen so einfach hinter die Stirn gucken lässt.“

 

„Okay, da hast du Recht“, gab Toni zu. „Normalerweise nicht. Aber irgendwie scheint das in letzter Zeit auch nicht mehr so richtig zu funktionieren. Keine Ahnung, warum. Schwester Maria meint sogar, in mir könne man lesen, wie in einem offenen Buch. Ehrlich, ich fände es schon schlimm, wenn das nur ansatzweise stimmen würde“, seufzte sie und lehnte sich entspannt zurück. „Wahrscheinlich fehlt mir bloß die Zeit, mich andauernd zu verstellen – in eine Rolle zu schlüpfen, wie du es ausdrückst. Kann ja auch ganz schön anstrengend sein. Meist komme ich gar nicht dazu, nachzudenken, was die anderen von mir denken könnten. Ich handele einfach.“ Sie überlegte kurz, bevor sie ihn prüfend musterte und hinzufügte: „Ich finde, deine These übrigens recht interessant …“

 

Frank schwieg vorsichtshalber. Toni hatte das Ende des Satzes offen gelassen, doch er wusste ziemlich genau, worauf sie hinauswollte und hielt es für besser, nicht darauf zu antworten. Doch bevor die Pause wieder zu lang und somit irgendwann ins Peinliche abdriften konnte, nahm er den Gesprächsfaden wieder auf. „Also lebst du jetzt mit deinem Bruder zusammen. Was ist mit deinem Vater?“

 

Toni seufzte. „Okay, du lässt ja doch nicht locker. Aber gut, wenn du es wirklich wissen willst…“ Sie erzählte ihm eine Zusammenfassung ihrer Lebensumstände. „Seitdem sorgen Mike und ich für den Lebensunterhalt“, erklärte sie schließlich abschließend, so als wäre es das natürlichste von der Welt. „Wir wollten unbedingt alle zusammenbleiben – schon wegen der Kleinen. Dafür mussten wir Prioritäten setzen. Mit dem, was wir beide verdienen, kommen wir einigermaßen zurecht. Tja, so ist das bei uns. Alles ziemlich chaotisch, aber irgendwie läuft es immer weiter.“

 

„Und es gab wirklich damals keine andere Lösung?“

 

Toni schüttelte wieder den Kopf. „Keine, die uns nicht getrennt hätte. Uns ist zumindest keine eingefallen. Die Behandlung meines Vaters hat `ne Menge Geld verschlungen. Er hat am Anfang alles versucht, um vielleicht doch wieder auf die Beine zu kommen, aber es war aussichtslos. Verstehst du, meine Eltern waren Künstler durch und durch. Wir haben immer aus dem Vollen gelebt, solange das möglich war.“ Ihre Augen glänzten, als sie geradezu begeistert von der Vergangenheit sprach. Um ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen gestikulierte sie, während sie sprach, mit den Händen. Sie wirkte in dem Moment so lebendig, wie Frank sie noch nie erlebt hatte. „Mein Vater war ein ziemlich bekannter Pianist – viel unterwegs und selten zu Hause. Aber in den Ferien waren wir immer zusammen unterwegs – die ganze Familie – und wir hatten verdammt viel Spaß!“

 

Toni schwieg einen Moment und schien in Erinnerungen zu schwelgen, während sie mit wehmütigem Gesichtsausdruck ins Leere starrte. Frank ertappte sich dabei, dass er die Luft anhielt. Er würde den Teufel tun und sie jetzt unterbrechen.

 

„Er hat in den bekanntesten Häusern der Welt gespielt“, fuhr Toni schließlich fort. „Aber durch seine langwierigen Behandlungen und die darauf folgende Depression geht das natürlich nicht mehr. Außerdem brauchen wir einen Erwachsenen im Haus – das Jugendamt sitzt uns wegen der Kleinen permanent im Nacken. Unser System ist ganz einfach: Papa ist zu Hause und hält uns das Jugendamt vom Hals und mein Bruder und ich sorgen für das nötige Kleingeld. Das funktioniert. Na ja, ,meistens. Zum Glück hat sich das Jugendamt bis jetzt immer vorher angemeldet – so konnten wir bisher immer dafür sorgen, dass er zumindest so lange nüchtern blieb, bis die wieder weg waren.“

 

Frank war tief betroffen. Er wusste gar nicht, was er sagen oder wie er reagieren sollte. So langsam dämmerte ihm, was der General gemeint hatte.

 

„Hey, nun mach nicht so ein Gesicht.“ Toni lächelte wieder. „Du siehst aus, als hätte dir meine Story die Laune versaut. Uns geht es doch nicht schlecht. Denk bloß mal an deine Freundin Trixie. Der geht es doch viel schlechter. Wir haben unser Auskommen und wir sind zusammen. Damit haben wir das erreicht, was wir wollten. Die Auftritte mit der Band werfen nebenbei auch noch ein bisschen Kohle ab. Deswegen passte mir übrigens auch der Wochenenddienst nicht in den Kram. Wir waren ursprünglich auf den Samstag gebucht, konnten den Auftritt aber glücklicherweise einen Tag vorziehen.“

 

„Verstehe“, meinte Frank. „Du hast ganz schön was um die Ohren.“

 

„Reine Gewohnheitssache.“ Toni zuckte mit den Achseln. „Halb so wild.“

 

„Und jetzt sitzt du hier mit mir, weil du denkst, du bist mir was schuldig, obwohl du eigentlich Besseres zu tun hast.“ Himmel, er fühlte sich irgendwie beschissen.

 

„Wie gesagt, ich wollte keine weiteren Missverständnisse. Die Zeit bis Weihnachten wird sicher noch hart – da kann ich auf zusätzlichen Stress gerne verzichten.“

 

„Ach ja.“ Frank nickte. Er hatte nach wie vor damit zu tun, sich nicht anmerken zu lassen, wie mies er sich seit Tonis Bericht vorkam. „Ich erinnere mich. Und? Jetzt, wo alle Missverständnisse ausgeräumt sind … ich meine, wie kommst du nach Hause?“

 

„Mit dem Bus, schätze ich. Der nächste fährt in …“ Toni warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr. Frank bemerkte bei der Gelegenheit zum ersten Mal den schlichten, schmalen Goldreif an ihren Ringfinger. Während der Arbeit hatte er das Schmuckstück noch nie bemerkt. Er wollte nicht darüber nachdenken, doch irgendwie, ohne dass er es steuern konnte, verselbstständigten sich seine Gedanken mal wieder. Toni trug einen Ring. Na und? Die meisten Menschen trugen Ringe. Manche sogar an jedem Finger einen. Da war absolut nichts dabei. Verdammt, warum erschreckte ihn dann seine Beobachtung so? Dafür gab es überhaupt keinen Grund.

 

„… ertragen?“, beendete Toni ihren Satz und Frank starrte sie verwirrt an. Er hatte keinen Schimmer, was Toni von ihm wollte. Dadurch, dass er wie gebannt auf den Ring geblickt hatte, war ihm völlig entgangen, was sie gesagt hatte.

 

„Was?“, fragte er daher nicht sehr intelligent.

 

„Ich habe gefragt, ob du mich noch so lange ertragen kannst?“

 

„Wieso?“ Frank hatte immer noch keinen Plan, wovon sie sprach. „Was meinst du?“

 

„Sag mal, bist du jetzt total von der Rolle? Der nächste Bus fährt erst in einer halben Stunde. Ich wollte wissen, ob du Zeit und Lust hast, noch ein wenig mit mir hier zu warten? Alleine ist das ziemlich öde.“

 

Frank riss sich zusammen. „Klar können wir zusammen hier warten, aber ich hab´ `ne bessere Idee. Was würdest du davon halten, wenn ich dich nach Hause bringe?“

 

„Echt? Das würdest du tun?“

 

„Ich hab´ nichts vor und mittlerweile bin ich eh wieder hellwach.“ Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. „Außerdem ist es vielleicht besser, wenn ich mich in nächster Zeit nicht allzu häufig mit meiner Clique herumtreibe.“

 

„Wow, du spielst doch nicht etwa mit dem Gedanken dein böser-Bube-Image aufzugeben“, neckte Toni. „Richter Dohmen wäre begeistert, wenn er dich hören könnte – selbst, wenn das alles natürlich nur ein Rollenspiel ist“, setzte sie grinsend mit einem Augenzwinkern hinzu,

 

Frank verzog verärgert das Gesicht. „Hör mir auf mit dem Richter. Der und Becker sind doch überhaupt nur schuld an meiner Scheißsituation.“

 

„Aber das stimmt doch nicht“, fuhr Toni auf. „Ich meine, Becker hat schließlich nicht versucht, den Wagen zu knacken, oder? Mann, wenn du so denkst, dann … Aber ich sollte wohl besser meinen Mund halten. Geht mich im Grunde ja auch nichts an.“ Sie wusste selber nicht, warum sie sich so aufregte. Auf der einen Seite schien Frank ein netter Kerl zu sein, doch er schaffte es immer wieder, diesen positiven Eindruck durch solch blöde Äußerungen in Windeseile wieder zu zerstören. Dabei konnte, nein, es sollte ihr sogar egal sein, wie er tickte. Das letzte, was sie derzeit gebrauchen konnte, waren weitere Komplikationen in ihrem Leben.

 

„Schon gut, reg dich nicht künstlich auf, du hast ja Recht“, knurrte er. „Aber jetzt erzähl mal, wie bist du eigentlich an Becker gekommen?“ Themenwechsel geglückt, gratulierte er sich im Stillen.

 

„Dr. Becker ist ein alter Freund meines Vaters.“

 

Dann haben wir ja was gemeinsam, dachte Frank, doch er hütete sich, das laut zu sagen. Allerdings ließ die gefürchtete Gegenfrage nicht lange auf sich warten.

 

„Und du?“

 

„Ich …?“ Frank versuchte, etwas Zeit zu gewinnen. Mann, es war anscheinend wirklich so. Eine Lüge zog unweigerlich die nächste nach sich. Er musste verdammt aufpassen, dass er sich nicht verzettelte.

 

„Wer sonst? Wie kam es dazu, dass Becker dich vertreten hat?“

 

„Ach, die alte Leier“, wich Frank gekonnt aus. „Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der Becker kennt. Er wurde mir empfohlen. Ich hatte mir allerdings etwas mehr von ihm versprochen.“

 

„Du bist schon ein komischer Kauz“, meinte Toni nachdenklich und musterte ihn prüfend.

 

„Das bedeutet dann wohl, dass du doch lieber auf den Bus warten willst?“, fragte Frank trocken.

 

„Nein.“ Toni winkte der Bedienung. „Das heißt, ich bin dazu bereit, mir noch einmal den Arsch abzufrieren.“ Dass sie sich sogar irgendwie darauf freute, verschwieg sie wohlweislich. Sie bezahlte und stand auf. „Du hast wohl nicht zufällig ein zweites Paar Handschuhe dabei?“

 

Frank grinste: „Ich werde daran denken in Zukunft ein zweites Paar einzustecken, okay? Bis dahin …“ Er hielt Toni einen seiner Handschuhe hin. „ … würde ich vorschlagen, wir teilen, in Ordnung?“

 

„Gerne. Lass uns fahren. Ich bin hundemüde und zu Hause wartet noch `ne Menge Arbeit auf mich. Übrigens …“ Bevor sie den Handschuh überstreifte, streckte sie ihren Arm vor und drehte ihre Hand einmal von links nach rechts. „Das ist der Ehering meiner Mutter. Hübsch, nicht wahr?“

 

Autsch! Auch das noch, sie hatte ihn voll erwischt.

 

To be continued - allerdings in einem neuen Thread !!!

 

 

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