Außer Kontrolle - Thread III

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Kapitel 14 - Erste Probleme

 

Kurze Zeit später zeigte es sich, dass die Arbeiten auf der Pflegestation für Frank völliges Neuland waren. Im familieneigenen Hotelbetrieb waren die Zimmermädchen fürs Bettenmachen zuständig und wenn er seines schon einmal selber machte, lag wenigstens niemand drin. Dementsprechend schwer tat er sich, doch er ärgerte sich im Stillen und gab zähneknirschend sein Bestes, um Toni nicht noch mehr in Rage zu bringen. Die meisten Bewohner der Pflegestation waren tatsächlich bettlägerig, was die Arbeit für das Pflegepersonal natürlich deutlich erschwerte. Nur einige wenige konnten noch vorübergehend im Rollstuhl sitzen.

 

Nachdem Toni Frank schon einige Male losgeschickt und Urinflaschen hatte leeren und säubern lassen, war der schließlich froh, als er hinter Toni das Zimmer einer alten Dame betrat. Klammheimlich atmete er erleichtert auf – wenigstens dieses Mal blieb ihm der beißende Uringeruch, der ihm beim Entleeren und Saubermachen der Flaschen immer entgegengeströmt war, erspart. Als er einen Schritt weiterdachte, zuckte er leicht zusammen, als urplötzlich der Gedanke an übergroße Windeln in seinem Kopf aufblitzte und sich par tout nicht mehr vertreiben ließ. Irgendwohin mussten sich die alten Damen ja schließlich auch entleeren, oder etwa nicht? Und überhaupt…was war mit dem großen Geschäft? Er hatte keine Ahnung, wie so etwas lief – bislang hatte er sich auch noch nie Gedanken darüber machen müssen, aber gerade jetzt…jetzt beunruhigte ihn die Vorstellung über die Maßen und er verfluchte im Stillen seine allzu lebhafte Phantasie.

 

Unsicher warf er Toni einen schnellen Blick zu und registrierte überrascht, wie aufgeräumt diese plötzlich wirkte. Und wie sehr ihr zuvor so mürrischer Gesichtsausdruck durch das freundlich Strahlen ihrer Augen und das kleine Lächeln auf den Lippen verändert wurde. Gewiss, sie war zu allen Patienten freundlich gewesen und hatte sich den verdrießlichen Ausdruck stets für ihn nach dem Verlassen der Zimmer aufgespart, aber das hier – das war definitiv etwas anderes. Fasziniert von der Verwandlung, die offensichtlich binnen Sekunden mit Toni vorgegangen war, konnte Frank seine Augen kaum von ihr lösen und kam erst wieder zu sich, als sanft ihre Stimme erklang.

 

„Guten Abend, Frau Schneider. Ich weiß, ich bin spät dran heute, tut mir leid“, begrüßte Toni ihre heimliche Lieblingspatientin. Die alte Dame war die beste Freundin ihrer Oma gewesen und seit deren Tod verbrachte Toni soviel Zeit mit Frau Schneider, wie sie erübrigen konnte. Ganz besonders, seitdem die alte Dame durch einen Schlaganfall halbseitig gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen war. Sie wusste genau, dass sie der alten Frau keine größere Freude machen konnte, als mit ihr für eine halbe Stunde in den Garten hinaus zu fahren. Selbst bei den unfreundlichen Temperaturen, die derzeit draußen herrschten. Es bedrückte sie schon jetzt, dass sie künftig wohl noch weniger Zeit dafür haben würde und sie überlegte schon die ganze Zeit, wie sie das der Patientin wohl am besten beibringen sollte.

 

„Toni.“ Auch Frau Schneiders Augen leuchteten erfreut auf, als sie erkannte, wer da durch ihre Tür kam. „Oh, wen hast du denn da bei dir?“, wollte sie gleich darauf wissen und warf Frank einen neugierigen Blick zu. Durch intensives Training hatte sich der Allgemeinzustand der alten Dame zwar schon wieder deutlich verbessert, doch da auch ihr Sprachzentrum durch den Anfall gelitten hatte, sprach sie noch immer etwas schleppend und undeutlich. Toni hatte sich mit der Zeit daran gewöhnt und verstand sie gut.

 

„Das ist Frank“, erklärte sie. „Er wird mir in der nächsten Zeit zur Hand gehen.“

 

„Oh.“ Wissend zog Frau Schneider ihre dünnen grauen Augenbrauen hoch und zwinkerte Frank verschwörerisch zu. Dabei wirkte ihr Gesichtsausdruck ein wenig grotesk, da ihr immer noch nicht alle Körperteile auf Anhieb gehorchen wollten. „Ärger mit dem Gesetz gehabt?“

 

„So könnte man es nennen“, grinste Frank, dem die so gebrechlich wirkende Patientin sofort sympathisch war. Ihm gefiel, dass sie die Dinge beim Namen nannte und nicht erst lange um den heißen Brei herumredete.

 

Toni war überrascht, dass Frank das Genuschel von Frau Schneider offenbar direkt verstanden hatte. Sie warf ihm einen skeptischen Seitenblick zu, doch er ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. So freundlich, wie seine tiefe Stimme geklungen hatte, so freundlich lächelte er die alte Dame, der das offensichtlich sehr gefiel, jetzt an.

 

„Hilfst du mir, Frau Schneider in den Rollstuhl zu setzen?“, fragte sie barscher, als sie es ursprünglich beabsichtigt hatte.

 

„Sicher“, antwortete Frank ruhig. „Wenn du mir sagst, wie?“

 

Toni erklärte Frank kurz die nötigen Handgriffe. Eines musste sie ihm lassen. Er begriff schnell, worauf es ankam und gemeinsam war es kein Problem die schmächtige alte Dame vom Bett in den Rollstuhl zu bugsieren.

 

„Wie läuft es denn zu Hause, Toni?“, erkundigte sie sich dabei.

 

„Oh, wie immer“, gab sich Toni zu Franks größtem Ärger einsilbig.

 

„Und diese … andere Sache?“

 

Frank tat so, als interessiere ihn das Gespräch nicht die Bohne, während er interessiert beide Ohren spitzte. Vielleicht erfuhr er ja jetzt endlich etwas.

 

„Es wurde eine Regelung gefunden, die allen Seiten gerecht wird“, war die mysteriöse Antwort. Na toll, dachte er missmutig, damit konnte er rein gar nichts anfangen.

 

„Mädchen, wenn du so weitermachst, kippst du eines Tages noch um. Du weißt doch noch, was ich deiner Oma versprechen musste, oder?“

 

„Ach, Frau Schneider, Sie wissen doch: Wir Iren sind hart im Nehmen“, antwortete Toni leichthin und zwinkerte der Patientin kurz zu, bevor sie sie wieder an ihre Hilfskraft wandte. „Frank, das Bett.“

 

„Zu Befehl.“ Andeutungsweise salutierte er kurz und verwünschte sich gleich darauf dafür. Solche blödsinnigen Reaktionen würden sie nur noch mehr gegen ihn aufbringen. Er versuchte zurückzurudern, indem er sagte: „Weißt du, was ich bemerkenswert finde?“

 

„Nein, was denn?“

 

„Dass dich hier bis jetzt ausnahmslos jeder Toni nennt“, stellte er mit einem schiefen Grinsen fest. „Du scheinst ja eine Menge Freunde zu haben.“ Er meinte das durchaus als Kompliment, doch seine Bemerkung kam völlig falsch bei Toni an. Das wurde ihm spätestens klar, als er anstatt einer Antwort einen wütenden Blick aus grünen Augen über das Bett hinweg erntete. Er verdrehte lediglich die Augen und schwieg von nun an, während er stattdessen versuchte, auf seiner Seite des Bettes Toni jeden Handgriff gleichzutun. Vielleicht gelang es ihm ja, durch gute Arbeit ein paar Pluspunkte zu sammeln. Doch durch das andauernde Hinüberspähen zu Toni verzettelte er sich und geriet, wie schon in den Zimmern davor, deutlich ins Hintertreffen.

 

„Weißt du …“, sagte Toni spitz, als er sich zum wiederholten Male die Haare, die ihm durch die andauernde gebückte Haltung immer wieder nach vorn ins Gesicht fielen, zurückstrich. „ … du solltest vielleicht in Zukunft auf diese eklige Pomade verzichten.“

 

„Diese Pomade nennt sich Wet-Gel“, antwortete Frank kurz.

 

„Wie auch immer… Es ist auf jeden Fall nicht sehr hygienisch.“

 

„Frank hob ruckartig den Kopf und schaute Toni direkt in die Augen. Ihm reichte es. „Musst du eigentlich immer rumekeln?“

 

Toni blitzte aus grünen Augen nicht minder wütend zurück. „Es ist nun mal `ne verdammte Schweinerei!“

 

„Hey, weißt du was?“ Frank platzte endgültig der Kragen und er ließ die schwere Matratze, die er gerade erst angehoben hatte, mit einem vernehmlichen Knall einfach zurückplatschen. Er wies nachdrücklich auf Frau Schneiders Wecker, der auf ihrem Nachttisch stand. „Seit exakt zehn Minuten muss ich mir das hier nicht mehr antun. Schönen Tag noch. Bis übermorgen. Frau Schneider, Ihnen wünsche ich eine gute Nacht. Ach ja, und es tut mir leid.“ Ohne eine Antwort abzuwarten verließ er anschließend das Zimmer, wobei er die Tür absichtlich geräuschvoll hinter sich ins Schloss fallen ließ.

 

Wie vom Donner gerührt blickte Toni auf die geschlossene Tür. „Das ist jetzt nicht wahr“, sagte sie dabei mehr zu sich selbst. „Dieser verdammte…“ Den Rest des Satzes schluckte sie aus Rücksicht vor Frau Schneider mit Mühe hinunter.

 

„Ich glaube, der junge Mann hat Feierabend.“ Die Freundin ihrer Oma wies ebenfalls auf ihren Wecker, der ein Viertel nach acht Uhr anzeigte.

 

„Na und, ich vielleicht nicht?“, fauchte Toni erbost. „Ich bin schließlich nur wegen ihm mit meiner Arbeit noch nicht fertig. Weil er so verdammt langsam ist.“

 

„Toni“, versuchte Frau Schneider besänftigend auf das junge Mädchen einzuwirken. „Erwartest du nicht ein bisschen viel? Du machst das immerhin schon seit fast zwei Jahren. Und ich finde, der junge Mann hat sich wirklich Mühe gegeben.“

 

„Ach ja, finden sie?“ Toni zitterte vor unterdrückter Wut.

 

„Ja, das finde ich. Wer weiß, vielleicht wäre er ja geblieben, wenn du nicht so entsetzlich unfreundlich zu ihm gewesen wärst. Was sollte das denn? So kenne ich dich ja gar nicht.“

 

„Er ist unverschämt! Und er provoziert mich am laufenden Band“, beharrte Toni störrisch. „Er ist einfach ein Ekelpaket.“

 

„Ach, Mädchen, er wehrt sich doch nur. Komm, setz dich zu mir und lass uns reden. Was ist denn bloß los mit dir?“

 

Toni seufzte tief, setzte sich zu Frau Schneider an den Tisch und redete sich ihren ganzen Kummer von der Seele. Zum ersten Mal sprach sie ihre Befürchtungen, dass ihr alles über den Kopf wachsen würde, laut aus. Frau Schneider war seit dem Tod ihrer Oma die Einzige, bei der sie sich wenigstens hin und wieder einmal aussprechen konnte. Mike gegenüber hatte sie immer ein schlechtes Gewissen, der Kontakt zu ihren ehemaligen Schulfreundinnen war längst eingeschlafen und mit ihrem Vater konnte sie unmöglich über ihre Sorgen reden. Sie hatte einfach niemanden mehr und manchmal überkam sie einfach nur das heulende Elend – wie gerade jetzt.

 

„Mädchen, Mädchen“, sagte die alte Dame sanft und tätschelte unbeholfen linkisch Tonis Arm. „Ich werde dir jetzt mal etwas sagen, ganz egal, ob du es hören willst, oder nicht. Ich wette, Schwester Maria hat sich gewiss etwas dabei gedacht, als sie dir den jungen Mann an die Seite gegeben hat. Er hat sicher seine eigenen Probleme und ganz bestimmt keine Ahnung von deinen Sorgen. Woher sollte er auch. Also vergraul ihn nicht und lass ihn dir einfach eine Hilfe sein.“

 

„Der Typ hält mich für eine Kriminelle“, brauste Toni empört auf.

 

„Dann belehr´ ihn eines Besseren. Oder du klärst ihn auf. Glaub mir, davon, dass du dich die ganze Zeit über nur mit ihm zankst, werden deine Nerven bestimmt nicht besser.“

 

„Ich weiß ja“, antwortete Toni deprimiert. „Ich hoffe nur, er macht mir nicht noch zusätzlichen Ärger.“

 

„Warten wir es ab. Und jetzt hilf mir bitte zurück ins Bett – ich bin müde. Und dann solltest du auch Feierabend für heute machen.“

 

Nachdem Toni schließlich ein paar Minuten später das Zimmer verlassen hatte, blieb Frau Schneider sehr nachdenklich zurück. Hoffentlich hatte sie in ihrem Bestreben, das Beste für Toni zu wollen, keinen Fehler gemacht.


Kapitel 15 - Feierabend

 

Toni kam trotz aller Eile an diesem Abend wieder mal zu spät zur Bandprobe, die die anderen, extra wegen ihr, erst für neun Uhr angesetzt hatten. Allerdings hatte sie um diese Zeit gerade erst geschafft, das Altenheim zu verlassen. Es kam genauso, wie sie es erwartet hatte: Dennis starrte sie schon feindselig an, kaum dass sie den Probenraum betreten hatte. Es war schier zum Verzweifeln.

 

„Kein Wort“, bat sie matt und hob abwehrend eine Hand. „Nicht heute. Ich kam einfach nicht früher weg, okay? Akzeptier´ es, oder lass es sein…“

 

Da Dennis spürte, wie sehr Toni noch immer unter Strom stand, gab er klein bei und sagte lediglich. „Okay, dann lasst uns wenigstens jetzt endlich anfangen.“

 

Später, als sie gegen Mitternacht aufräumten, fragte Paul Toni leise: „Was war denn wieder los?“

 

„Nichts, außer dass mein zweiter Mann mich um Punkt Acht einfach hat sitzenlassen. Dabei waren wir noch lange nicht mit der Arbeit fertig. Den Rest musste ich dann alleine erledigen.“

 

„Roman? Vielleicht hat er ja `nen neuen Lover“, mutmaßte Paul. „Das ist doch sonst nicht seine Art.“

 

„Nein, nicht Roman.“ Müde strich Toni sich eine widerspenstige Locke aus dem Gesicht. „Wir haben mal wieder einen, der seine Sozialstunden bei uns abdrücken muss. Einer von diesen schwarzen Chaoten. Und Schwester Maria hatte die glorreiche Idee, den Typen ausgerechnet mir aufs Auge zu drücken.“

 

„Hey, das hab´ ich euch ja noch gar nicht erzählt“, fiel es Paul ein. „Ich hab´ letzte Woche auch die Bekanntschaft von einem der Schwarzen gemacht.“

 

„Was? Du bist beklaut worden?“, fragte Dennis. „Scheiße.“

 

„Nein, eher das Gegenteil war der Fall.“ Paul erzählte seinen Freunden kurz, was geschehen war. „Na ja, wie auch immer“, schloss er schließlich. „Den leeren Kanister hat er natürlich nicht zurück gestellt – hatte ich auch nicht wirklich erwartet. Aber am nächsten Tag muss der Typ noch mal dagewesen sein. Vor unserer Garage stand auf jeden Fall ein nagelneuer Benzinkanister. Doppelt so groß und randvoll!“

 

„Wie jetzt? Ist nicht dein Ernst?“, staunten die Anderen.

 

„Doch. Ich fand´s ja auch merkwürdig. Vielleicht stimmt ja gar nicht alles, was so über die geredet wird. Vielleicht wollen sie sich durch ihr Äußeres einfach nur abgrenzen.“

 

„Na, ich weiß nicht“, meinte Toni zweifelnd. „Ich hab´ auf jeden Fall Schiss vor denen. Besonders, wenn sie im Rudel aufkreuzen. Ehrlich, dann wechsele ich lieber die Straßenseite.“

 

„Damit wollte ich ja auch nur sagen, dass man sie nicht alle vorschnell über einen Kamm scheren sollte. Ich meine, wenn so einer tatsächlich bei euch zum Arbeiten aufkreuzt … wer weiß, vielleicht ist ihm seine Bewährung ja wichtig und er will sie nicht versauen.“

 

„Mann, hängt ihm doch alle `nen Heiligenschein um“, antwortete Toni böse. „Ich will nach Hause. Gute Nacht zusammen.“

 

„He, warte doch“, rief Mike seiner Schwester hinterher. „Ich komme mit.“

 

„Nein“, winkte Toni ab und fügte dann etwas sanfter hinzu. „Ich fahr´ heute nicht mit dir. Ich brauche dringend noch ein bisschen frische Luft. Bis dann.“

 

Nachdem Toni den Raum mit einem kurzen Winken verlassen hatte, blickte Paul seinen besten Freund vielsagend an: „Du solltest gut auf sie aufpassen. Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs sind gefährlich.“

 

„Lass sie in Ruhe“, fauchte Mike. „Hack du nicht auch noch auf ihr rum.“

 

„Nichts liegt mir ferner“, meinte Paul ernst. „Im Gegenteil, ich mache mir ernsthaft Sorgen um sie. Sie sieht echt mies aus in letzter Zeit. Völlig fertig. Irgendwann kippt sie aus den Latschen.“

 

„Verdammt, was soll ich denn dagegen machen?“, fragte Mike verzweifelt. „Du weißt doch, was bei uns abgeht.“

 

Paul zuckte mit den Schultern. „Ich meinte ja nur dass du gut auf sie aufpassen solltest – behalt´ sie einfach im Auge.“

 

*********

 

Frank war ebenfalls extrem schlechter Laune, als er von seiner ersten Schicht nach Hause kam. Er knallte seine Tasche in die nächstbeste Ecke, zog sich aus und ging ins Bad. Nach einer ausgiebigen Wechseldusche, während der er sich etwas beruhigte, fuhr er hinunter in die Hotelküche, und organisierte sich noch etwas zu essen. Im Speisesaal setzte er sich abseits von den anderen Gästen an den leeren, für die Familie reservierten Tisch, und stopfte lustlos seine Mahlzeit in sich hinein. Dabei verfiel er in dumpfes Grübeln.

 

„Hey, du siehst aus, als sei das deine Henkersmahlzeit.“

 

Frank zuckte zusammen und blickte auf. Vor ihm stand sein Anwalt und lächelte ihn freundlich an.

 

„Darf ich mich setzen?“

 

Der erste Impuls war, Dr. Becker zum Teufel zu jagen. Der Mann erinnerte Frank einfach zu sehr an seine verpatzte Verhandlung. Dann rief er sich ins Gedächtnis, dass er an dem Fiasko schließlich nicht ganz schuldlos gewesen war. Daher antwortete er kurz angebunden mit einem Nicken: „Bitte.“

 

„Danke.“ Becker setzte sich. „Und? Wie war dein Tag?“

 

„Oh, danke der Nachfrage. Echt geil. Aber keine Sorge, ich war ein braver Junge. Erst in der Schule und danach im Altenheim. Kein Grund zur Panik.“

 

„Das weiß ich doch längst.“ Becker lächelte andeutungsweise. „Vergiss nicht, dass du zurzeit ziemlich unter Beobachtung stehst.“

 

Frank zog eine Grimasse und antwortete kauend: „Was Sie nicht sagen. Ist ja hochinteressant – das war mir bislang noch gar nicht bewusst.“ Als sein Gegenüber auf die kaum versteckte Provokation nicht reagierte, setzte er nach einer Pause missmutig hinzu. „Wenn Sie schon alles wissen – warum fragen Sie dann?“

 

„Weil ich von dir wissen wollte, wie es dir gefallen hat.“

 

„Gefallen?“ Frank schaute Becker entgeistert an. „Wie es mir gefallen hat? Das fragen Sie nicht ernsthaft, oder?“

 

„Doch, sicher. Wieso? War es so schlimm? Komm schon…“

 

„Wahnsinn!“ Frank schnaubte verächtlich. „Noch mehr Harmonie wäre kaum auszuhalten. Ganz Ehrlich? Wenn es nur minimal besser würde, wäre schon viel gewonnen. Es war unterirdisch! Aber Sie können Big Daddy ausrichten, dass ich trotzdem wieder hingehen werde.“

 

„Hm, komisch. Ich hatte schon mehrere Klienten dort. Sie kamen eigentlich alle ganz gut zurecht“, wunderte sich Becker.

 

„Mag ja sein.“ Frank gab seinen geleerten Teller an einen der Kellner weiter und lehnte sich dann zurück. „Ich bin ja anscheinend auch der erste, der das unverschämte Glück hat, dieser … dieser Hexe unterstellt zu werden.“ Bei diesem Worten schaute er so gequält drein, dass seinem Anwalt ein schnelles Lächeln über das Gesicht huschte. „Hey, ich finde das gar nicht komisch“, setzte er erbost hinzu.

 

„Schon gut, entschuldige. Das klingt ja wirklich dramatisch. Von wem sprichst du? Vielleicht kann man da ja noch was drehen. Ich könnte ja mal mit Schwester Maria reden.“

 

„Oh, Sie kennen sie. Eine Klientin von Ihnen. Wirklich, eine ganz reizende Person.“ Frank verzog bei der Erinnerung an Toni wieder sein Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen. „Trägt einen Männernamen – natürlich nur und ausschließlich für ihre Freunde – und hat definitiv Haare auf den Zähnen. Ungelogen! Ihre Verhandlung war übrigens unmittelbar vor meiner.“

 

Dr. Becker ging ein Licht auf. „Toni? Du meinst Toni Schiffer. Ich weiß nicht, was du willst. Sie ist wirklich eine reizende Person, um es mit deinen Worten zu sagen. Na ja, vielleicht steht sie zurzeit ein wenig unter Stress.“

 

„Was Sie nicht sagen!“ Frank lachte bitter auf. „Da ist sie nicht alleine. Aber ihren Frust kann sie gerne woanders abladen.“

 

„Du hast das Gefühl, sie benutzt dich als Blitzableiter?“

 

„Oh, ja! Das tut sie! Und wie! Glauben Sie mir – das ist nicht nur so ein Gefühl.“ Frank kam plötzlich ein Gedanke. „Erzählen Sie mir was über sie. Vielleicht verstehe ich dann ja besser, wie sie tickt.“

 

Dr. Becker schüttelte entschieden den Kopf. „Du weißt, dass ich das nicht darf.“

 

„Aber es wäre wichtig für mich. Ich hab´ sie jetzt schließlich mehrere Monate lang am Hals und muss mit ihr auskommen; möglichst ohne ihr das Licht auszublasen.“

 

Becker überging Franks Sarkasmus. „Dann mach ihr deinen Standpunkt klar. In aller Ruhe. Biete ihr die Friedenspfeife. Ich bin mir sicher, sie wird darauf eingehen. Toni ist alles andere als streitsüchtig.“

 

„Ich weiß nicht“, zweifelte Frank. „Ich hab´ so das dumpfe Gefühl, ich bin ihr gerade recht gekommen.“

 

„Quatsch, ich bin sicher, du steigerst dich da in etwas hinein.“

 

„Was ist sie für ein Mensch? Kommen Sie, Dr. Becker. Das ist nun wirklich `ne ganz allgemeine Frage. Darauf dürfen Sie antworten.“

 

Dr. Becker lächelte. „Ehrlich, Toni ist sehr, sehr nett. Sie hat nur in letzter Zeit `ne Menge Pech gehabt.“

 

„Jeder hat mal Pech. Die Mehrzahl der Leute mutiert deswegen aber nicht gleich zum Ekel“, knurrte Frank daraufhin.

 

„Ach ja? Meinst du?“ Becker betrachtete Frank eingehend. „Weißt du, im Grunde genommen seid ihr zwei euch sehr ähnlich.“

 

„Gott bewahre“, meinte Frank gespielt theatralisch. „Wenn ich so `ner Spießermaus wirklich ähnlich sein sollte, kann ich mir ja gleich die Kugel geben.“

 

Dr. Becker bedachte ihn mit einem eindringlichen Blick. „Weißt du, manchmal glaube ich fast, du gefällst dir in der Rolle.“ Er seufzte und stand auf. „Wie auch immer: Ich wollte dir eigentlich nur Glück wünschen und mich erkundigen, wie dein erster Tag gelaufen ist.“

 

„Das haben Sie ja nun getan…“

 

„Ja…“ Der Anwalt machte eine Pause, bevor er hinzufügte: „Vielleicht denkst du ja mal darüber nach, was ich dir geraten habe. Wie du weißt, ist meine Menschenkenntnis gar nicht so schlecht. Dir halte ich ja auch die Stange. Und das tue ich nicht nur, weil deine Eltern und ich befreundet sind. Das mache ich, weil ich dich seit Jahren kenne und daher weiß, dass du kein schlechter Kerl bist.“

 

Frank machte eine wegwerfende Handbewegung. „Geschenkt.“

 

„Wie du meinst.“ Becker zuckte mit den Schultern und erhob sich. „Die Entscheidung liegt ganz allein bei dir.“

 

Kapitel 16 - Vorsichtige Annäherung

Der Termin bei Barbara Schäfer am nächsten Tag verlief einigermaßen zufriedenstellend für Frank. Man einigte sich darauf, dass Frank künftig immer dienstags um die gleiche Zeit bei ihr vorstellig werden sollte.

 

„Wie gesagt: Falls dir einmal etwas dazwischen kommen sollte, ruf´ rechtzeitig an. Dann gibt´s auch keinen Ärger“, sagte Barbara Schäfer zum Abschluss ihrer Unterredung.

 

Frank grinste gequält: „Wissen Sie, im Kindergarten hatte ich schon mehr Freiheiten.“

 

„Das hast du dir selber zuzuschreiben“, kam prompt der trockene Kommentar seiner Bewährungshelferin. „Jetzt liegt es alleine an dir, ob du sie irgendwann wiederbekommst, deine kostbaren Freiheiten.“

 

„Oh, das werde ich. Und ich freu´ mich schon drauf.“

 

Barbara Schäfer unterzog den jungen Mann, der sich vor ihrem Schreibtisch lässig auf dem Stuhl lümmelte, einer eingehenden Musterung. „Ich verrate dir etwas im Vertrauen: Mein Vater hat große Bedenken, was dich angeht“, teilte sie ihm dann vielsagend mit.

 

Frank wurde unter ihren prüfenden Blicken ganz mulmig zumute, doch er antwortete betont cool: „Das wundert mich nicht. Ihr Vater hatte mich doch schon bei meiner ersten Verhandlung auf dem Kieker. Das ich wieder bei ihm gelandet bin, war Ihrem alten Herrn doch geradezu ein Fest. Wenn er es hätte vertreten können, dann hätte er mich weg gesperrt und den Schlüssel verloren.“

 

„Du tust ihm unrecht. Auf jeden Fall hat er allen Beteiligten geraten, ein besonders wachsames Auge auf dich zu haben.“

 

„Wow, ich bin tief beeindruckt! Ehrlich! Aber ist das nicht zuviel der Ehre? Vielleicht sollten sich alle Beteiligten mal besser um die richtig bösen Jungs kümmern.“

 

Barbara Schäfer seufzte einmal tief, bevor sie leise und eindringlich sagte: „Enttäusch mich bitte nicht – ich würde meinen alten Herrn wirklich gerne eines Besseren belehren.“

 

Frank blickte überrascht auf und antwortete mit Bedacht: „Gerne, ich werde tun, was ich kann.“

 

**********

 

Nachdem die Lehrer am darauffolgenden Tag die Überraschung, Frank drei Tage nacheinander in der Schule zu sehen, offensichtlich kaum noch verarbeiten konnten, beschloss dieser kurzerhand, dass er getrost die letzten beiden Stunden blau machen könne. Er hatte nachgedacht und sich fest vorgenommen, Toni vor Dienstbeginn abzufangen, um Beckers Rat zu befolgen, und in Ruhe mit ihr zu reden. Da er weder ihre Adresse, noch ihre Telefonnummer wusste, musste er wohl oder übel vor dem Altenheim auf sie warten, um sie dort abzupassen. Hoffentlich kam sie nicht zu knapp, so dass ihnen noch genügend Zeit blieb…

 

Je länger Frank wartete, desto unsicherer wurde er, was sein Vorhaben betraf. Zudem kroch die ungemütliche, nasskalte Novemberluft immer mehr in seine Knochen, was seinen Stimmungspegel von Minute zu Minute tiefer sinken ließ. Was, wenn ihr Macker mit dem VW-Bus sie zur Arbeit brachte? Er verspürte absolut keine Lust, mitten in eine ergreifende Abschiedsszene reinzufunken. Oder was, wenn Toni ihn auf offener Straße anblaffte? Das musste er sich, weiß Gott, nicht geben. Vielleicht sollte er auf das Gespräch verzichten und ganz einfach weiter versuchen, sie durch seine Arbeit zu überzeugen? Das hätte außerdem den Vorteil, dass er in diesem Fall nicht vor ihr zu Kreuze kriechen musste. Ein paar kleine Zugeständnisse hier und da, um sie bei Laune zu halten und ansonsten einfach nur gute Arbeit leisten. Das war es schließlich, worauf es letztlich ankam. Mehr konnte sie nicht von ihm verlangen. Wozu also große Reden schwingen?

 

Auf das Gel in den Haaren hatte er an diesem Tag wohlweislich verzichtet und in seiner linken Hosentasche steckte ein Haargummi. Für alle Fälle sozusagen. Am Tag zuvor hatte er bei einem der Zimmermädchen im Hotel Nachhilfeunterricht in Sachen Bettenmachen genommen. Für den Augenblick fühlte er sich gewappnet. Ärgerlich fragte er sich, warum zum Teufel er dann so nervös war?

 

Es war verrückt, aber je länger er wartete, desto mehr verstärkte sich bei Frank das Gefühl, dass er hier nur seine Zeit verschwendete. Gerade als er drauf und dran war, sein Vorhaben sausen zu lassen, bemerkte er am Ende der Straße ein Fahrrad, das sich rasch näherte. Das musste sie sein! Endlich! Verdammt, davon einmal abgesehen, dass er sich gerade selber nicht verstand, war er inzwischen total durchgefroren und seine Nerven lagen blank, wofür er die Schuld unwillkürlich in seinem Unterbewusstsein Toni in die Schuhe schob. Als er sich schließlich langsam ebenfalls in Bewegung setzte, war er zu der festen Überzeugung gelangt, dass sein Vorhaben schwachsinnig war und im Grunde nur in die Hose gehen konnte. Aber jetzt war er schon einmal hier und er wollte nicht umsonst so lange in der Kälte gewartet haben. Niemand sollte später sagen können, er hätte es nicht wenigstens versucht.

 

Betont gelangweilt setzte Frank sich in Bewegung und schlenderte lässig den Bürgersteig entlang in Richtung Eingang. Dabei riskierte er schnell noch einen Blick auf seine Armbanduhr. Zwanzig Minuten bis Schichtbeginn. Hoffentlich reichte das aus, die rothaarige Furie von seinen Absichten zu überzeugen. Sekunden später radelte Toni an ihm vorbei, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Na prima!

 

 

Tatsächlich hatte Toni die Gestalt auf dem Bürgersteig nur am Rande wahrgenommen, denn sie hatte mächtig mit dem eisigen Gegenwind zu kämpfen. Plötzlich jedoch war ihr, als hätte sie ihren Namen gehört. Sie bremste, stieg vom Sattel und drehte sich um. Der Wind blies ihr nun umgehend die Haare ins Gesicht, sodass es ihr im ersten Augenblick nicht möglich war, den Fußgänger, der sich langsam auf sie zu bewegte, zu erkennen.

 

„Ja?“, fragte sie daher ein wenig verunsichert.

 

„Ich bin´s, Frank“, antwortete ihr eine tiefe Stimme. „Hey, das nenne ich mal ein Kurzzeitgedächtnis.“

 

Jetzt erst erkannte Toni ihren „Sozialfall“, wie sie Frank insgeheim nannte. Er kam näher heran, blieb ihr gegenüber abwartend auf dem Gehweg stehen, strich sein dunkles pomadisiertes Haar nach hinten und grinste sie dreist an.

 

„Mein Gedächtnis geht dich einen Dreck an“, rutschte es ihr unfreundlich heraus.

 

Toll, das ließ sich ja prima an. Danke, Becker, super Idee. Frank atmete einmal tief durch und mahnte sich zur Ruhe. „Hey, das sollte ein Scherz sein. Hast du etwa keinen Humor?“

 

„Sagen wir einfach, ich bin nicht zum Scherzen aufgelegt. Also? Was willst du?“

 

Na also, das klang immerhin schon ein wenig freundlicher. „Mit dir reden.“

 

„Mit mir? Hier? Können wir das nicht gleich erledigen? Drinnen ist es wärmer.“

 

Toni wollte sich schon wieder in Bewegung setzen, doch Frank griff schnell nach ihrem Lenker und hielt sie zurück. „Nein, ich … ich wollte gerne noch vor der Schicht mit dir reden. Bitte. Ehrlich gesagt warte ich hier schon `ne ganze Weile auf dich.“

 

Franks Grinsen war verschwunden. Ernst ruhte sein Blick auf Tonis Gesicht. Es schien ihm wirklich etwas daran zu liegen. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Gut, okay. Aber nicht hier. Ich bin halb erfroren. Wir haben noch eine Viertelstunde. Gehen wir in den Speisesaal. Dort ist um diese Zeit nicht viel los.“

 

„Einverstanden, gehen wir.“ Frank ließ Tonis Lenkrad los und setzte sich in Bewegung. „Na los“, sagte er über die Schulter, als er feststellte, dass sie zunächst noch unschlüssig auf der Stelle stehen blieb. „Worauf wartest du? Komm schon.“

 

Mit gemischten Gefühlen registrierte Toni kurz darauf, wie Frank geduldig wartete, bis sie ihr Rad abgeschlossen hatte und ihr dann schweigend ins Haus hinein folgte. Neugierig fragte sie sich, was er wohl vorhaben mochte, dass er so einen Aufwand betrieb. Im Speisesaal angekommen ging Toni zu einem der Rollwagen in der Nähe der Tür, auf denen immer verschiedene Teesorten für die Bewohner und ihre Besucher bereitstanden. Mit klammen Fingern, nahm sie eine Tasse, tat einen Teebeutel hinein, griff nach einer der Thermoskannen mit heißem Wasser, warf einen Blick nach hinten und fragte:

 

„Auch einen?“

 

„Gerne.“

 

„Pfefferminz, Kamille, Früchte oder lieber schwarzen Tee?“

 

„Egal, das gleiche wie du“, antwortete Frank, der eigentlich eingefleischter Kaffeetrinker war und im Grunde ihre Frage nur bejaht hatte, um sie nicht gleich wieder vor den Kopf zu stoßen.

 

Kurz darauf stellte Toni zwei Tassen mit dampfendem Tee auf einem der Tische ab, setzte sich, öffnete ihre Jacke, hängte den bunten Schal sorgfältig über die Stuhllehne und blickte Frank abwartend an. Dabei glitt ihr kritischer Blick auch über sein glänzendes, nach hinten gestrichenes, schwarzes Haar. Frank schien die Gedanken, die ihr dabei durch den Kopf gingen, zu erraten, denn er sagte hastig:

 

„Es ist nicht so, wie du denkst. Sie sind nur nass. Ich hab´ immerhin fast `ne Stunde in dem Sauwetter da draußen auf dich gewartet.“

 

„Was?“ Tonis verblüffter Gesichtsausdruck sprach Bände.

 

„Na ja, ich wusste ja nicht, wann du üblicherweise vor deiner Schicht so aufkreuzt“, sagte er beinahe entschuldigend.

 

„Ist nicht wahr, oder?“ Toni war verunsichert. „Komm, du verarschst mich doch.“

 

„Nein, ich … ich finde nur … ach, verdammt, ich will einfach was mit dir besprechen, okay? Es ist mir wirklich wichtig und ich würde mir wünschen, dass du mir einfach nur kurz zuhörst. Ich bin zwar nicht besonders gut in so was, aber…na ja…“

 

Toni beugte sich nach vorn über den Tisch und schaute Frank gerade in die Augen, als versuche sie darin zu lesen. „Okay …“, sagte sie schließlich gedehnt. „Ich werde dir zuhören. Aber zuvor möchte ich dir noch was sagen: Du weißt, dass du mir nichts sagen musst, aber wenn du das Gefühl hast, mir unbedingt etwas sagen zu müssen, dann erwarte ich, dass du mir die Wahrheit sagst, hörst du? Ich will nicht von dir belogen werden, klar? Wenn du das nicht hinkriegst, solltest du jetzt besser den Mund halten. Ich hasse Lügner.“

 

„Okay, ich hab´s kapiert.“ Verbissen überlegte Frank, wie er anfangen sollte. Toni hatte ihn mit ihrer Ansage aus dem Konzept gebracht. Außerdem fuhr ihm dieser intensive Blickkontakt, den sie immer noch aufrecht erhielt, unerwartet in alle Knochen. Unzählige, winziger Sommersprossen breiteten sich wie ein riesiger überdimensionaler Fächer von ihrer Nase ausgehend, über das ganze Gesicht aus. Über ihre Stirn bis in den Haaransatz hinein und nach unten weg über das Kinn und den Hals bis hinein in den tiefen Ausschnitt ihrer Bluse, der ihm gerade eine durchaus reizvolle Aussicht bot. Frank hatte noch nie zuvor bei einem Menschen so viele Sommersprossen gesehen. Sie lagen so dicht beieinander, dass es schon fast so wirkte, als würde eine natürliche Sonnenbräune Tonis Haut bedecken. Nur wenn man ganz genau hinschaute, war hinter all den Sommersprossen die sehr blasse Haut einer Naturrothaarigen zu erkennen. Wahnsinn! Dazu diese meergrünen Augen. Bei jedem anderen hätte er auf farbige Kontaktlinsen getippt, aber irgendwie war Toni nicht der Typ dafür. Es musste sich also um ihre echte Augenfarbe handeln.

 

Die Objekte seiner Überlegungen verengten sich gerade zu schmalen Schlitzen und die Sommersprossen auf und neben der kleinen geraden Nase vollführten einen kurzen, aber heftigen Tanz, als Toni die Nase kräuselte und gleich anschließend das ganze Gesicht verzog. Sie zog sich abrupt zurück und richtete sich steif auf.

 

„He! Was soll das?“, fragte sie scharf. „Was spielst du hier für ein Spiel?“

 

„Wie?“ Frank kehrte blitzartig in die Wirklichkeit zurück, doch folgen konnte er Toni nicht. „Was meinst du?“

 

„Stell dich nicht blöder, als du bist“, verlangte Toni. „Du wolltest schließlich mit mir reden und jetzt sitzt du hier und starrst mich an, als wären mir plötzlich Hörner gewachsen. Ich schwöre dir, wenn du dich nur lustig über mich machen willst, wirst du das bereuen. Ich …“

 

„Nein“, widersprach Frank schnell und griff instinktiv nach Tonis Hand als diese aufstehen wollte. Sie entzog ihm brüsk die Hand, blieb aber Gott sei Dank in abwartender Haltung vor dem Tisch stehen. „Nein, ehrlich. Ich will mich nicht über dich lustig machen. Glaub mir, ich wollte wirklich mit dir reden. Ganz ernsthaft. Komm schon, setz dich doch wieder. Bitte.“

 

Das leise hinzugefügte `Bitte´ rührte irgendetwas in Toni an, was sie zaudern ließ. „Also gut…“, sagte sie schließlich und setzte sich zögernd wieder hin, blieb aber dieses Mal wohlweislich der Tischkante fern. „…dann rede endlich. Gleich ist nämlich Schichtbeginn.“

 

Kapitel 17 - Frieden ???

Frank gab sich einen Ruck. „Okay, hör zu. Es liegt mir viel daran, dass ich meine Sozialstunden hier einwandfrei und ohne Ärger hinter mich bringe. Ob du es glaubst, oder nicht, das ist mir unheimlich wichtig. Ich weiß ja nicht, was du ausgefressen hast und …“ Toni wollte ihm ins Wort fallen, doch er hob die Hand und unterbrach sie schon im Ansatz. „Nein, lass mich ausreden. Bitte. Ich wollte sagen, es geht mich auch nichts an. Ich kenne dich nicht und weiß nichts über dich, aber das Gleiche gilt auch für dich, oder? Ich denke aber, Fakt ist, dass wir offensichtlich beide Probleme haben, mit denen wir fertig werden müssen. Ich kann nichts dafür, dass ich ausgerechnet dir zugeteilt wurde. Es lässt sich aber nun mal offensichtlich nicht ändern, also müssen wir da jetzt durch. Beide. Wenn du mir `ne Chance gibst, verspreche ich dir im Gegenzug, mein Bestes zu geben. Ich finde, das ist doch fair, oder? Was meinst du, kriegst du das hin?“, schloss er schließlich und wartete gespannt, aber auch ein bisschen nervös auf Tonis Antwort.

 

Toni schwieg, was allerdings hauptsächlich daran lag, dass der andauernde Blickkontakt mit Frank sie überraschenderweise mehr aus der Fassung brachte, als ihr lieb war. Und sie war heilfroh, dass er davon nichts ahnen konnte. Ihr Gegenüber deutete ihr anhaltendes Schweigen Gott sei Dank falsch, denn er lehnte sich frustriert zurück und enthob sie einer Antwort, indem er hastig weiter redete.

 

„Komm schon, jetzt sei nicht so hart. Ich setze dir hier doch nicht die berühmte Pistole auf die Brust. Ich bitte dich nur um `ne faire Chance, weil ich meine Bewährung nicht vergeigen will. Und weil ich echt keinen Bock auf einen monatelangen Kleinkrieg mit dir habe. Mag ja sein, dass du Vorbehalte gegen Typen wie mich hast, aber ich hab´ dir schließlich nie persönlich etwas getan. – Na ja, außer vielleicht die Pfütze vor dem Gerichtsgebäude“, setzte er nach einer Pause achselzuckend hinzu. „Dafür entschuldige ich mich. Wenn du willst, übernehme ich die Reinigungskosten für die Klamotten, die ich dir versaut habe.“

 

Toni riss überrascht die Augen auf: „Das warst du? Der Typ auf dem Motorrad?“

 

„Der Vollidiot, ja.“ Frank lächelte schief. „Ich hatte es eilig.“

 

„Oh, was für eine lahme Entschuldigung.“ Toni unterbrach sich und musterte ihn eingehend. „Ich hätte dich nicht erkannt.“

 

„Aber ich hab´ dich sofort erkannt. Du bist …“ Er wies auf ihre rote Mähne. „ … ziemlich leicht zu erkennen. Nichts für ungut.“

 

Toni musste lächeln und spürte gleichzeitig Franks Erleichterung. Er schien es wirklich ernst zu meinen. Das mit der Pfütze hätte er immerhin bequem verschweigen können. Irgendwie machte ihn ihr das fast schon sympathisch. Plötzlich fiel ihr Blick auf die große Wanduhr und sie stand ruckartig auf.

 

„Verdammt! Wir müssen uns umziehen. Los, komm.“ Sie griff nach ihrem Rucksack und rannte los. Erst auf dem Flur holte Frank sie wieder ein.

 

„Und? Wie sieht´s aus?“, erkundigte er sich, während er locker neben ihr hertrabte. „Bekomme ich eine Chance?“

 

Toni warf ihm, ohne dabei ihre Schritte zu verlangsamen, einen raschen Seitenblick zu. „Verrätst du mir bei Gelegenheit mal, warum du hier gelandet bist?“

 

Er verzog das Gesicht. „Ich bin nicht gerade stolz drauf.“

 

„Und wenn es mich echt interessiert?“

 

„Es ist nichts Dramatisches. Keine Leichen im Keller oder ähnliches.“

 

„Trotzdem“, beharrte Toni. „Ich wüsste es gern genauer.“

 

Unvermittelt kicherte Frank leise vor sich hin und Toni stellte zu ihrem Erstaunen fest, wie gut er aussah, wenn er seine mürrische Miene aufgab. Wenn er so lachte, erschienen auf seinen Wangen kleine Grübchen und rund um seine Augen bildeten sich viele winzig kleine Lachfältchen, die ihm, wenn er älter wurde, mit Sicherheit ein markantes, männliches Aussehen verleihen würden.

 

„Warum lachst du?“, erkundigte sie sich vorsichtig.

 

„Weil du ganz schön neugierig bist“, antwortete er immer noch grinsend.

 

„Altes Familienerbe – glaub´ mir, damit habe ich schwer zu kämpfen.“

 

Wieder antwortete Frank zuerst mit einem Lachen, bevor er sagte: „Okay… ich werde es dir sagen …“

 

„Ich bin ganz Ohr.“

 

„… wenn du es mir umgekehrt auch erzählst.“

 

„Das ist unfair. Ich hab´ zuerst gefragt. Außerdem ist es bei mir kein Geheimnis.“

 

„Warum hat mir dann keiner verraten, was mit dir los ist?“

 

„Du hast dich nach mir erkundigt? Echt jetzt?“ Langsam wurde er Toni unheimlich. „Bei wem?“

 

„Bei der Betschwester, bei Roman und bei unserem Anwalt. Ich erwähnte ja schon, dass wir den gleichen haben.“

 

„Dr. Becker?“

 

„Ja. Keine Angst, er hat mir genauso wenig verraten wie die anderen. Also? Was ist? Raus mit der Sprache.“

 

Toni gab Frank einen leichten Rippenstoß und wurde schneller, um so ihre plötzliche Verlegenheit besser überspielen zu können: „Sooo interessant bist du nun doch wieder nicht. Komm schon, wir sind spät dran.“

 

*******

 

Im Umkleideraum trafen sie auf Roman, der sie schon ungeduldig erwartet hatte.

 

„Mensch, da seid ihr ja endlich. Wo bleibt ihr denn? Schwester Maria will euch sehen. Beeilt euch. Ich muss zurück auf die Station. Übrigens: Ab nächsten Montag steht euch der Frauen-Umkleideraum wieder zur freien Verfügung. Die Sanierungsmaßnahmen werden bis dahin komplett abgeschlossen sein – ist jetzt schon kein Schwimmbad mehr, aber ein bisschen was ist noch zu tun. Bis zum Wochenende wollen sie mit Allem fertig sein. Das weiß ich aus sicherer Handwerker-Quelle“, grinste er schelmisch und Frank wunderte sich einmal mehr, wie offen Roman mit seiner Homosexualität umging. „Ich glaube, Schwester Maria schlägt drei Kreuze und betet am Wochenende ein paar Vater unser mehr. Wenn rausgekommen wäre, dass sich hier beide Geschlechter einen Raum teilen – wenn auch nur vorübergehend…oh, oh…“

 

„Roman, warte.“

 

„Was liegt an, Prinzessin. Hurtig, ich hab´ zu tun.“

 

„Nenn´ mich nicht immer so“, murrte Toni. „Warst du heute schon bei Frau Schneider?“

 

„Es geht ihr gut, Cinderella“, antwortete Roman und ließ Tonis Einwand unbeachtet im Nirvana verpuffen. „Mach dir keine Sorgen.“

 

„Was ist mir ihrer Krankengymnastik? Ist da jemand eingesprungen?“

 

Roman antwortete nicht gleich.

 

„Das heißt dann wohl `Nein´“, konstatierte Toni bitter.

 

Roman wedelte mit den Händen durch die Luft. „Cinderella, wer denn? Heute haben sich schon wieder zwei Leute krank gemeldet. Ehrlich, ich hab´ alle Hände voll zu tun.“

 

„Ach, Scheiße. Und ausgerechnet jetzt falle ich auch noch aus, nicht wahr?“

 

„Das hab´ ich nicht gesagt. Und auch nicht so gemeint. Das weißt du hoffentlich.“

 

„Ich könnte vielleicht nach Feierabend … in meiner Freizeit …“, murmelte Toni leise vor sich hin.

 

„Nein!“, sagte Roman da plötzlich mit einer Entschiedenheit, die Frank ihm gar nicht zugetraut hätte. „Toni, denk nicht mal dran!“

 

„Roman, ich bitte dich. In meiner Freizeit kann ich doch tun und lassen, was …“

 

„Nein! Vergiss es! Das wirst du garantiert nicht tun. Versprich mir, dass du die Finger davon lässt“, verlangte Roman hart und unerbittlich. Es schien, als würde er in diesem Punkt überhaupt keinen Spaß verstehen. „Los, versprich es mir.“

 

„Es bekommt doch niemand mit. Frau Schneider hat schließlich ein Einzelzimmer.“ So leicht gab Toni sich offensichtlich nicht geschlagen.

 

„Bist du verrückt geworden? Du solltest doch am besten wissen, dass hier die Wände Ohren haben. Hey, Frank, sag du doch auch mal was“, schnauzte Roman in Richtung Umkleidekabine, in der Frank, seitdem er darin verschwunden war, gespannt die Ohren spitzte.

 

„Ich? Ich werd´ den Teufel tun. Außerdem weiß ich gar nicht, worum es hier geht“, log Frank, der der Unterhaltung beinahe atemlos gefolgt war, schamlos von drinnen.

 

Toni mischte sich vorsichtshalber schnell wieder ein, bevor der geschwätzige Roman Frank aufklären konnte: „Pass auf, ich hab´ da `ne Idee. Wir könnten es ja …“

 

Roman seufzte abgrundtief und rang in gespielter Verzweiflung die Hände: „Cinderella, du bist `ne echte Nervensäge“, unterbrach er sie.

 

„Aber …?“

 

„Aber du hast gewonnen. Ich bleibe nach Feierabend länger und werde mit Frau Schneider ihre Übungen machen. Zufrieden?“

 

„Danke.“ Toni fiel Roman spontan um den Hals und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Du bist ein Schatz.“

 

„Ich weiß“, antwortete Roman, ohne eine Spur von Verlegenheit. „Das merken nur leider immer die Falschen. Macht´s gut, Kinder. Ich muss was tun. Vertragt euch, hört ihr – dass mir keine Klagen kommen!“ Er warf Toni noch schnell eine Kusshand zu und verschwand.

 

„Du meine Güte“, meinte Frank, der Romans Abgang beim Verlassen der Umkleidekabine noch mitbekommen hatte. „Das ist vielleicht `ne Marke.“

 

„Roman?“ Toni schnappte sich ihre Sachen und verschwand nun ihrerseits in der frei gewordenen Kabine. „Er ist der Beste“, rief sie Frank durch die geschlossene Tür zu.

 

„Wenn du es sagst“, antwortete Frank lakonisch. „Solange er mir vom Hintern bleibt.“ Innerlich lächelte er bei der Erinnerung daran, dass Roman etwas Ähnliches von Toni gesagt hatte.

 

„Großer Gott, ich denke, da brauchst du keine Angst zu haben“, erwiderte Toni und verdrehte die Augen. „Roman hat Geschmack…“

 

Frank war sehr froh, dass Toni in diesem Augenblick keine Chance hatte, sein Gesicht sehen zu können.

 

Kapitel 18 - Terminverschiebungen

Kurz nach der kleinen Episode im Umkleideraum klopften Toni und Frank an die Tür zu Schwester Marias Büro.

 

„Herein“, klang es dumpf durch die Tür.

 

Toni öffnete die Tür und betrat mit Frank im Gefolge das Zimmer der Leiterin. „Hallo, Roman sagte, Sie wollten uns sprechen?“

 

„Ja, richtig. Das ist allerdings schon eine ganze Weile her. Ich hätte euch beide eigentlich sehr gerne noch vor Dienstbeginn gesprochen.“ Schwester Maria machte eine bedeutungsvolle Pause und musterte die beiden Jugendlichen mit scharfem Blick, bevor sie fortfuhr. „Bevor ihr euch erneut die Köpfe einschlagt.“ Sie schüttelte  traurig den Kopf. „Womöglich noch vor den Bewohnern. Ich hätte das nie für möglich gehalten, aber mir ist da einiges zu Ohren gekommen.“ Ihr eindeutig vorwurfsvoller Blick streifte Frank.

 

„Es tut mir leid“, schaltete Toni sich schnell ein, bevor Frank etwas erwidern konnte. „Ich hatte mich verspätet.“

 

„Du?“ Schwester Maria warf Toni einen nun verwunderten Blick zu. „Was ist passiert? Ist zu Hause alles in Ordnung?“

 

„Na ja…“ Sie druckste kurz herum. „Ich hatte mich verquatscht, aber ich kann Ihnen versichern, dass …“ Wieder hielt sie zögernd inne und Frank erinnerte sich, wie sie ihm kurz zuvor erzählt hatte, wie sehr sie Lügen verabscheute.

 

„Was, Toni?  Was kannst du mir versichern?“, erkundigte sich die Oberschwester ungeduldig.

 

„Ich…ich weiß auch nicht…“ Toni brach ab und holte einmal tief Luft: „Aber was das Andere angeht … Es wird nicht wieder vorkommen. Nicht wahr?“, schloss sie plötzlich unsicher geworden, und warf Frank einen schnellen fragenden Seitenblick zu.

 

„Genau“, sprang Frank ein, der sich innerlich sehr darüber freute, dass Toni vor der Heimleitung so eindeutig Stellung bezogen hatte. „Ich hatte mich nämlich auch verquatscht“, schloss er mit besonderer Betonung und einem angedeuteten kleinen Lächeln.

 

„Aha. Ich glaube, ich verstehe“, sagte Schwester Maria gedehnt. „In Ordnung… Solange das nicht zur Regel wird.“

 

„Sicher nicht.“ „Versprochen“, antworteten ihre beiden Schützlinge wie aus einem Mund.

 

„Sehr schön. Damit wäre ja alles geklärt und ihr könnt an eure Arbeit gehen. Frank, ich möchte, dass Sie sich das kommende Wochenende frei halten. Wir brauchen dringend Leute. Sie werden gemeinsam mit Toni eine 24-Stunden-Schicht übernehmen müssen. Ich weiß, es kommt etwas kurzfristig, aber ich kann es nicht ändern. Tut mir leid.“

 

Toni war das Entsetzen über diese überraschende Änderung des Dienstplanes deutlich anzumerken. Doch sie biss sich auf die Lippen und schwieg hartnäckig. Instinktiv hoffte sie darauf, dass Frank sich eventuell dagegen sträuben würde. Jemand wie er hatte doch bestimmt an einem Wochenende Besseres vor.

 

„Geht das in Ordnung für Sie?“, sprach Schwester Maria weiter. „Sonst muss ich mich sofort nach einem Ersatz umschauen. Allerdings müsste ich mich dazu dann kurzfristig mit der Verwaltung in Verbindung setzen und jemanden anfordern.“

 

„Nicht nötig“, antwortete Frank da zu Tonis noch größerem Entsetzen wie aus der Pistole geschossen. „Von meiner Seite aus geht das klar. Je schneller ich meine Stunden hier abgearbeitet habe, desto besser.“

 

„Wunderbar. Aber ich muss mich darauf verlassen können“ stellte die Nonne noch einmal deutlich klar. „Kann ich das?“

 

„Das können Sie – Sagen Sie wann und ich werde da sein“, bekräftigte Frank noch einmal.

 

„Gut. Ihr werdet also von Samstagmittag bis Sonntagmittag den Schwestern auf der Pflegestation zur Hand gehen. Die Nachtschwester wird allerdings in dieser Nacht auch für die normale Station zuständig sein. Toni, du weißt, was das bedeutet. Wenn irgendetwas außer der Reihe geschehen sollte, dann …“

 

„ … werde ich auf jeden Fall die Schwester rufen“, antwortete Toni sichtlich genervt. „Ja, ich weiß.“

 

„Genau. Und bei einem Notfall den diensthabenden Notarzt. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt.“

 

Toni verzog unmerklich ihr hübsches Gesicht und antwortete gepresst: „Sonnenklar.“

 

„Dann ist es ja gut. Und jetzt an die Arbeit mit euch beiden.“ Mit einem Kopfnicken und einer scheuchenden Handbewegung Richtung Tür entließ Schwester Maria Toni und Frank.

 

***********

 

Auf dem Weg zur Station erkundigte sich Frank forschend bei Toni: „Dir passt das mit der Wochenendschicht nicht, oder?“

 

„Wie kommst du darauf?“

 

„Kam mir eben so vor. – Komm schon, das war kaum zu übersehen.“

 

„Richtig“, erwiderte Toni mürrisch. „Der Kandidat hat hundert Punkte. Das passt mir ganz und gar nicht. Aber ich kann es nicht ändern.“

 

„Hey, vielleicht können wir ja mit Jemandem tauschen“, schlug Frank vor. „Wir könnten nach dem Dienst ein bisschen rumtelefonieren. Du hast doch bestimmt die Nummern von…“

 

„Ja, klar. Sag mal, wie naiv bist du eigentlich?“, fiel Toni ihm schlecht gelaunt ins Wort. „Du hast doch eben selber gehört, dass nicht genug Leute verfügbar sind. Außerdem, für dich ist es doch das Beste, was passieren kann. Wenn wir demnächst vielleicht noch öfters Feuerwehr spielen müssen,  hast du deine Stunden schneller zusammen, als du gucken kannst.“

 

„Darum geht´s doch hier nicht.“

 

„Ach nein?“

 

„Nein! – Wie ist das eigentlich? Darfst du überhaupt 24 Stunden-Dienste machen? Ich meine, so von wegen Jugendarbeitsschutzgesetz und so weiter.“

 

„Schwester Maria hat mich eingeteilt, oder?“, antwortete Toni ausweichend. Nach einer Pause fügte sie allerdings noch hinzu: „Aber ich wäre dir trotzdem dankbar, wenn du damit nicht hausieren gehen würdest.“

 

„Verstehe. Keine Angst.“

 

„Ich habe keine Angst, aber wie du eben ganz richtig festgestellt hast: Jeder muss mit seinen eigenen Problemen fertig werden.“ Toni zog eine Kralle aus ihrer Kitteltasche und steckte sich mit ein paar geschickten Handgriffen ihr Haar im Nacken hoch. „Wie sieht es eigentlich zeitlich bei dir aus? Du kannst unter der Woche grundsätzlich nur nachmittags, oder?“

 

„Eigentlich schon. Aber wenn´s brennt, kann ich auch schon mal morgens kommen.“

 

Toni streifte ihn mit einem schnellen Seitenblick. „Ich dachte, du gehst noch zur Schule?“

 

Frank zuckte gleichmütig mit den Achseln: „Hmm, ja, aber es ist vielleicht sogar besser, wenn ich die Nerven der Lehrer nicht gleich überstrapaziere – ich will schließlich nicht schuld an einem Burn-Out sein.“ Er grinste vielsagend: „Nee, im Ernst, die sind eh daran gewöhnt, dass ich mehr oder weniger durch Abwesenheit glänze.“

 

„Das ist doch Scheiße! Willst du dir noch mehr Ärger einhandeln? Ich dachte, du wolltest Ärger vermeiden?“

 

„Sag mal, wie alt bist du eigentlich?“, lenkte Frank geschickt von sich ab.

 

„Siebzehn. Na ja, nächsten Monat, um genau zu sein. Warum?“

 

„Soviel zur Frage nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz…“ Als er Tonis Gesichtsausdruck sah, fügte er schnell hinzu: „Okay, geschenkt. Ich will´s ja gar nicht wissen. Aber müsstest du nicht eigentlich auch noch zur Schule gehen?“

 

„Ich hab´ abgebrochen“, erklärte Toni kurz. „Du bist ganz schön neugierig.“

 

„Ohne Abschluss?“, fragte Frank verwundert, ohne sich um ihren Einwurf zu kümmern. „Warum?“

 

„Da ich in der 7. eine Ehrenrunde drehen durfte hatte ich meine Pflichtjahre voll. Kein Thema. Hey, ich frag´ dich ja auch nicht, warum du so selten hingehst. – Jetzt aber Schluss mit dem Geschwafel. Wir haben zu tun“, beendete Toni abrupt das Gespräch und Frank war wieder einmal erstaunt über das Durchsetzungsvermögen und die Autorität, die diese zierliche Person an den Tag legen konnte.

Kapitel 19 - Date oder nicht Date ?

Am darauffolgenden Freitag hatte es Toni nach Dienstschluss auffällig eilig. Sie war schon fertig umgezogen, als Frank, gemeinsam mit Roman, die Umkleide betrat. Roman entfuhr bei Tonis Anblick ein anerkennender Pfiff durch die Zähne. Frank hätte es ihm am liebsten gleichgetan, doch er hielt sich wohlweislich zurück. Toni, die sich sonst eher leger und unauffällig kleidete, trug ein sehr enganliegendes schwarzes Tank-Top, das ihre Figur bestens zur Geltung brachte. Dazu hatte sie über eine blickdichte, schwarze Strumpfhose einen ausgewaschenen, ausgefransten Jeans-Minirock gestreift. Knöchelhohe Turnschuhe, einer himmelblau und einer neongelb,  komplettierten das Outfit. Gerade streifte sie eine weite, weiße Bluse über, die sie lediglich locker vor dem Bauch knotete. Ihre Locken wurden durch ein breites, buntes Haarband aus dem Gesicht gehalten und fielen ansonsten wild und ungebändigt ihren Rücken hinunter. Außerdem war sie, ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit, geschminkt. Zwar dezent, doch Frank fand, dass es ihr ausgezeichnet stand.

 

„Wehe, wenn sie losgelassen werden“, sagte Roman mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Was hast du vor, Cinderella? Doch nicht etwa ein Date, von dem ich nichts weiß?“ Er drohte strafend mit dem Finger. „Dass du mir keinen Kummer machst - es kursieren da so komische Gerüchte.“

 

Blitzschnell griff sich Toni Romans Jacke vom Garderobenhaken und warf sie ihm an den Kopf. Ihr Kollege kicherte amüsiert und fing die Jacke geschickt auf, bevor sie zu Boden fiel. Triumphierend hielt er sie hoch: „Da sag noch mal einer, Schwule könnten nicht fangen. Blödes Klischee, nichts weiter.“

 

„Du sollst mich nicht immer Cinderella nennen“, schimpfte Toni, ohne, zu Franks Bedauern, näher auf Romans Frage einzugehen. „Ich wünsche euch beiden einen schönen Abend. Ach ja, und Frank: Sei bitte morgen pünktlich, okay? 12.00 Uhr – ich verlass mich auf dich.“

 

„Hey, komm schon, was soll das? Das ist unfair. Bis jetzt war ich ja wohl immer pünktlich“, verteidigte sich Frank vehement.

 

„Schon, aber immerhin ist Freitagabend“, antwortete Toni mit einem kleinen Lächeln. „Nichts für ungut. Bis morgen. Dir wünsch´ ich ein schönes Wochenende, Roman.“

 

„Das hab´ ich nach der Woche auch echt nötig“, gab ihr Kollege zurück und setzte nach einer Pause hinzu. „Und Cinderella…?“

 

Toni blickte Roman gleichermaßen erbost und fragend an.

 

„Tu nichts, was ich nicht auch tun würde“, lachte Roman frech und duckte sich vorsichtshalber, doch dieses Mal griff Toni nur nach ihrer Tasche, winkte noch einmal kurz und verschwand.

 

„Na, die ist ja vielleicht drauf“, nörgelte Frank ein wenig enttäuscht. Eigentlich hatte er vorgehabt, Toni anzubieten sie nach Hause zu bringen, denn er hatte festgestellt, dass sie an diesem Tag mit dem Bus zur Arbeit gekommen war. Er schlenderte zum Fenster und blickte hinaus. Was er dort sah, verbesserte seine Laune nicht gerade. Vor der Eingangstür des Altenheims stand der alte VW-Bus, den er ja inzwischen schon hinlänglich kannte.

 

„Scheint so, als hättest du recht mit deiner Vermutung“, sagte er verstimmt zu Roman.

 

„Welche Vermutung?“, kam Romans Stimme undeutlich aus der Umkleidekabine, in die er zwischenzeitlich verschwunden war, heraus.

 

Frank gab keine Antwort, sondern starrte weiter verärgert aus dem Fenster. Wenn er ehrlich zu sich selber war, ärgerte er sich am meisten darüber, dass er sich überhaupt ärgerte. Verdammt noch mal, schließlich gab es dafür überhaupt keinen Grund. Toni konnte schließlich tun und lassen, was sie wollte. Und vor allen Dingen, mit wem sie wollte. Das  sagte er sich immer wieder. Doch er kam einfach nicht dagegen an. Sie hatte irgendetwas an sich, was ihn anzog. Das war ihm schon bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen, nur dass er da keine Zeit dafür gehabt hatte, dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Jetzt war es anders. Der Zufall hatte gewollt, dass sie sich wieder begegneten. Dass sie sogar zusammen arbeiten mussten. Und je öfter sie das taten, desto mehr war Frank von Toni fasziniert. Er wollte mehr über sie erfahren, auch wenn sie im Grunde überhaupt nicht seinem Typ entsprach. Heute hatte er seine Chance nutzen wollen, doch so wie es aussah … Scheiße, er musste sich das unbedingt endlich aus dem Kopf schlagen. Der Zeitpunkt war sowieso mehr als ungünstig. Er sollte lieber sehen, dass er sauber blieb. „Sie wird abgeholt“, teilte er Roman kurz über die Schulter hinweg mit.

 

„Was?“ Wie der Blitz schoss Roman aus der Umkleidekabine heraus und lugte Frank angestrengt über die Schulter. Er bekam gerade noch mit, wie Toni in den Wagen stieg. „Ach so“, sagte er dann unverhohlen enttäuscht.

 

„Ach so? Was soll das heißen, ach so? Wer ist der Typ?“ Frank hatte das nicht fragen wollen, es war einfach aus ihm herausgeplatzt. Im Nachhinein hätte er sich am liebsten auf die Zunge gebissen, doch nun, wo es heraus war, hoffte er gespannt auf eine Antwort.

 

Roman schaute Frank prüfend ins Gesicht. „Ich würde vorschlagen, du fragst sie selber. Sie steht nicht so drauf, wenn man hinter ihrem Rücken über sie redet.“

 

„So wichtig ist es nun auch wieder nicht“, murmelte Frank ausweichend.

 

Auf Romans Lippen lag ein wissendes Grinsen, als er prompt fragte: „Sag mal, täusche ich mich, oder hast du auf ein Date mit Cinderella spekuliert?“

 

„Ich? Auf ein Date mit „Fräulein-ich-habe-Haare-auf-den-Zähnen“? Red kein Blech“, knurrte Frank, schnappte sich seine Sachen und ging nun seinerseits schnurstracks in die Umkleidekabine. Hauptsächlich, um weiteren unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen.

 

„Hey, ich guck dir schon nichts weg“, lachte Roman vor der Tür. „Ich respektiere Hetero-Männer.“

 

„Schön für dich“, rief Frank durch die geschlossene Tür.

 

„Was ist mit dir? Akzeptierst du schwule Männer?“ hakte Roman nun nach und eine Veränderung in seiner Stimme verriet, dass diese Frage durchaus ernst gemeint war.

 

„Sicher.“ Frank kam fertig umgezogen aus der Kabine. „Warum denn nicht?“

 

„Okay. Wenn du Lust hast, könnten wir ja dann noch irgendwo was zusammen trinken“, schlug Roman vor. „Und ein bisschen quatschen.“

 

„Ein anderes Mal gerne“, antwortete Frank, der par tout nicht zugeben wollte, dass er sich tatsächlich gedanklich schon auf einen Abend mit Toni eingerichtet und gefreut hatte. „Ich muss los. Hab´ noch ne Verabredung und ich bin sowieso schon spät dran.“ Das entsprach zwar nicht der Wahrheit, aber Frank wusste, dass auf dem Fabrikgelände immer jemand abhing. Nachdem Toni ihm nun einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, hatte er kurzfristig entschieden, dass das die Gelegenheit war, sich mal wieder bei seiner Clique blicken zu lassen. Schließlich hatte er sich dort schon die ganze Woche über rar gemacht. Er wunderte sich schon fast ein wenig, dass Nick noch nicht nach ihm gesucht hatte. Offenbar gab es derzeit keine akuten Geldprobleme.

 

„Schon in Ordnung“, nickte Roman und wirkte ein wenig enttäuscht. „Dann eben ein anderes Mal. Ich nehm´ dich beim Wort.“

 

„Tu das“, meinte Frank und bedauerte schon fast, dass er Roman so übereilt abgesagt hatte. Er fand ihn wirklich nett und außerdem wäre ein Abend mit Roman mit Sicherheit amüsanter, als sich ein weiteres Mal mit Nick und seinen grandiosen Ideen auseinandersetzen zu müssen. Doch jetzt war es zu spät für einen Rückzieher. Außerdem gab ihm das die Gelegenheit, mal wieder nach Trixie zu sehen.

 

*************

 

Eine knappe Stunde später bockte Frank seine Maschine vor dem Fabrikgelände hoch. Er war zuvor kurz zu Hause gewesen und sah nun wieder so aus, wie seine Clique es von ihm gewohnt war. Lässig schlenderte er nach drinnen, wo sich seine Freunde auf den feuchten Matratzen lümmelten und ihn verhalten willkommen hießen. Frank schauderte. Die Nächte wurden von Tag zu Tag kälter. Der Wetterbericht hatte für die kommenden Tage sogar den ersten Schnee angekündigt. Er war wieder einmal froh, dass er – wann immer er es wollte – ein festes Dach über dem Kopf hatte.

 

„Hey“, begrüßte er die anderen betont cool und ließ sich im Schneidersitz neben Trixie nieder, die ihm freundlich zunickte. „Was geht ab?“

 

„Das frage ich dich“, meinte Nick und schaute Frank bedeutsam an. „Du hast dich lange nicht blicken lassen.“

 

„Keine Zeit“, antwortete Frank ausweichend. „Diese beschissenen Sozialstunden.“

 

„Rund um die Uhr?“, fragte Nick zweifelnd.

 

„Nein, natürlich nicht. Aber diese Spießer lassen mir kaum Freiraum. Sie kontrollieren sogar, ob ich mich in der Schule blicken lasse.“

 

„Mann, du bist doch über achtzehn.“

 

„Das nützt mir nur im Moment nichts. Der Besuch der Schule gehört zu den Bewährungsauflagen, die man mir aufgebrummt hat.“

 

„Ey, dürfen die das überhaupt?“

 

„Was weiß denn ich – ich denke schon. Sonst hätte mein Anwalt ja wohl ein Veto eingelegt. Ey, das Ganze geht mir so auf den Sack, das sage ich euch. Melde dich hier. Tauche da auf. Sei pünktlich. All so´n Scheiß! Wenn nicht, wandere ich in den Bau. So einfach ist das. Und für dieses Wochenende haben die mir tatsächlich einen rund-um-die-Uhr-Dienst reingewürgt. Der blanke Wahnsinn! Hey, Nick, du musst doch wissen, wie das abläuft, oder hattest du nie Bewährung?“, konnte Frank sich nicht verkneifen hinzuzufügen.

 

„Nee, ich verfüge ja leider nicht über deine Beziehungen. Ich durfte immer gleich einfahren.“

 

Kommt ja auch immer darauf an, was man gemacht hat, dachte Frank. Laut sagte er: „Für meine Alten kann ich nichts. Überhaupt, warum machst du mich so Scheiße an? Ich bin doch hier, oder nicht?“

 

„Richtig“, antwortete Nick nach einer Pause. „Lassen wir das. Hast du Kohle?“

 

Frank kramte in seinen Taschen und beförderte zehn Euro zu Tage. „Das ist alles. Der Rest ist im Tank“, log er und reichte den Schein an Nick weiter. Tatsächlich hatte er absichtlich nicht mehr Geld eingesteckt.

 

„Was ist mit euch“, konzentrierte Nick nun seine Aufmerksamkeit auf die anderen im Raum. „Ich hoffe, die Bahnhofsrunde war einträglich.“

 

Allgemeines Kopfschütteln war die Antwort, als die anderen das tagsüber erbettelte Geld bei Nick ablieferten. Insgesamt kamen so knapp fünfzig Euro zusammen.

 

„Shit, ey! Dafür bekommt man doch nirgendwo anständigen Stoff“, moserte Nick. „Hey, unsere Vorräte gehen zu Neige. Was ist mit eisernen Reserven?“

 

Wieder erntete er nur Kopfschütteln.

 

„Dann werden wir uns wohl für heute noch was anderes einfallen lassen müssen.“

 

„´N Bruch? Wo denn?“, fragte einer von Nicks treuesten Anhängern interessiert und Frank bereute auf der Stelle zur Fabrik gefahren zu sein. Nicks Antwort zerstreute jedoch Gott sei Dank seine Bedenken.

 

„Nee, ich hab´ `ne bessere Idee. Das EKZ feiert zwanzigjähriges Bestehen. Da tobt das ganze Wochenende über der Bär. Heute und Morgen haben die Geschäfte bis 24.00 h geöffnet. Für Leute mit geschickten Fingern gibt´s da bestimmt `ne Menge zu holen. Und der Rest postiert sich an den Rolltreppen und quatscht die Leute direkt an.“ Nick war aufgestanden und während seiner Rede ruhelos hin und her gewandert. Jetzt ging er vor Trixie in die Knie und langte unvermittelt zu. Ein fester Griff und der Stoff ihres dünnen Sweat-Shirts riss wie Papier. Trixie schrie erschrocken auf. Daraufhin packte Nick sie im Nacken an den Haaren, zwang sie rüde zu sich heran und küsste sie hart auf den Mund. Als er das nach Luft schnappende Mädchen schließlich zurück auf die Matratze stieß, grinste er vielsagend: „So, jetzt siehst du ärmlicher aus“, sagte er offensichtlich hochzufrieden mit seiner Aktion. „Mitleid bringt Bares!“

 

Frank entging nicht, wie Trixie angewidert ihr Gesicht verzog, während sie gleichzeitig fröstelnd ihr zerfetztes Shirt am Ausschnitt zusammenhielt. „Das war mein letztes“, wagte sie einen schwachen Protest.

 

„Mach dir nichts draus, Süße“, erwiderte Nick eiskalt. „Mal sehen, vielleicht fällt ja heute Abend noch `ne Jacke für dich ab.“

 

„Versprichst du´s?“, fragte Trixie hoffnungsvoll.

 

„Ich sagte, mal sehen! Und jetzt hör gefälligst auf zu jammern. – Los, auf geht´s Leute. Wir treffen uns in einer Stunde vor dem Haupteingang. Jeder muss selber sehen, wie er dahin kommt. Ich erwarte euch dort – wer nicht mitzieht, bekommt auch nachher nix von der Beute ab, dass das klar ist!“ Nick setzte sich in Bewegung, ohne weiter auf seine Leute zu achten. Er war es gewohnt, dass man seinen Befehlen folgte.

 

Frank wartete ab bis Nick außer Sichtweite war bevor er seine gefütterte Lederjacke auszog und sie an Trixie weiterreichte. „Hier, zieh die an. Du kannst mit mir fahren.“

 

Trixie schaute ihn dankbar an. „Ja, aber, brauchst du die Jacke denn nicht selber?“

 

„Der Pulli reicht. Na los, komm, lass uns fahren. Im Konsumtempel ist es wärmer.“

 

Kapitel 20 - Aufruhr im Einkaufszentrum

Während der Trupp schwarz gekleideter, heruntergekommen wirkender Jugendlicher eine Stunde später anscheinend gelangweilt durch das Einkaufszentrum schlurfte fiel es Frank zum ersten Mal seit Monaten bewusst auf, dass die meisten der Passanten einen großen Bogen um sie machten, sobald sie in Sichtweite kamen. Früher hatte ihn das nicht gestört, doch seine Einstellung hierzu hatte sich geändert, wie er jetzt einigermaßen verwundert über sich selber registrierte. Er war darum bemüht innerhalb der Gruppe möglichst nicht aufzufallen und hielt sich mit gesenktem Kopf immer ziemlich in der Mitte auf. Er fühlte sich extrem unwohl in seiner Haut und schalt sich selber einen Idioten, dass er sich dazu entschlossen hatte, mit den Anderen mitzufahren. Wie gerne säße er jetzt mit Roman in einer gemütlichen Kneipe bei einem Bier, anstatt sich hier den misstrauischen Blicken der Passanten auszusetzen. Dabei konnte er die Leute ja sogar irgendwie verstehen. Wer die Chance, ihnen rechtzeitig aus dem Weg zu gehen nicht nutzte, wurde aggressiv angebettelt und fast alle rückten in der Regel, aus Angst vor weiterem Ärger, meist auch ein paar Münzen heraus. Wer nicht freiwillig `spendete´, wie Nick es gerne nannte, wurde prompt angepöbelt und angerempelt. Dabei verlor so manch einer dann gleich seine gesamte Barschaft. Auch die eine oder andere Armbanduhr wechselte so unfreiwillig den Besitzer. Nick und einige seiner Anhänger hatten durch jahrelange Übung im Laufe der Zeit eine beachtliche Fingerfertigkeit entwickelt.

 

Frank hielt sich zurück und ließ sich im Grunde genommen nur von den anderen ziellos mit vorantreiben. Das EKZ umfasste insgesamt drei Ebenen und auf jeder war trotz der späten Stunde noch die Hölle los. Alle Geschäfte hatten geöffnet, Gewinnspiele wurden angeboten und es gab vom Kinderschminken bis hin zur Modenschau einfach alles. Als die Gruppe die oberste Ebene erreichte, tönte ihnen Livemusik entgegen, die schon auf den unteren Stockwerken gedämpft zu hören gewesen war.

 

„Los, wir mischen uns unter die Zuschauer“, bestimmte Nick, als in einer Spielpause die Band wechselte. „Das hier ist eine Goldgrube.“

 

Oh Mann, dachte Frank. Aber gut, von mir aus. Ich muss ja nichts abgreifen. Mit gesenktem Blick bahnte er sich mit den Händen in den Hosentaschen und eingezogenem Kopf einen Weg durch die dicht gedrängt stehende Menge. Ihm war alles egal – Hauptsache, er fiel hier nicht irgendwie unangenehm auf. Lange Finger würde er garantiert nicht machen, aber das musste er Nick ja nicht unbedingt auf die Nase binden. Auf der Bühne wurden inzwischen Musikinstrumente geschäftig hin und her getragen. Als Frank kurz hoch schaute, um sich zu orientieren kam ihm einer der Jungen auf der Bühne merkwürdig bekannt vor, doch während er noch überlegte, woher er ihn kannte, applaudierten die Zuschauer und Frank drehte, wie alle anderen, automatisch den Kopf, um zu sehen, wer die Bühne betrat. Gleich darauf erstarrte er mitten in der Bewegung und wünschte sich auf der Stelle an einen anderen Ort. Es war unverkennbar Toni, die dort oben zielstrebig auf das Keyboard zuging und mit geübten Fingern einige Akkorde anschlug. Frank fiel es wie Schuppen von den Augen. Der Junge, der ihm so bekannt vorkam, war Paul, der ihm neulich Abend mit Benzin ausgeholfen hatte. Und jetzt kam auch Tonis Freund, der Fahrer des VW-Busses hinzu. Das war also der Grund gewesen, warum sie es nach Dienstschluss so eilig gehabt hatte. Na, immerhin, als ein Date konnte man das wohl nicht bezeichnen, schoss es ihm beinahe erleichtert durch den Kopf.

 

Die Band begann mit dem ersten Song, doch Frank bemerkte Tonis bemerkenswerte Stimme nur am Rande. Er blickte sich hektisch nach einer Möglichkeit um, unauffällig verschwinden zu können, denn er wollte auf jeden Fall vermeiden, dass Toni ihn hier mit den anderen sah. Das gestaltete sich allerdings schwieriger als erwartet, denn von hinten drängten mittlerweile immer mehr Menschen vor die Bühne. Frank betete inständig, dass Toni ihn nicht bemerken möge und zunächst schien es, als sollte er Glück haben. Sie blickte zwar einige Male in seine Richtung, doch ihr Gesichtsausdruck verriet nichts. Frank wusste, es wäre sicherer für ihn, weiter auf den Boden zu starren, doch das schaffte er nicht. Wie hypnotisiert ruhte sein Blick auf Toni. Selbst sein Fluchtgedanke verblasste für einen kurzen Moment und trat in den Hintergrund, während er darüber nachdachte, dass dieses Mädchen für mehr Überraschungen gut war, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte.

 

Durch seine Faszination bekam Frank zunächst nicht mit, dass urplötzlich hinter ihm die Hölle losbrach. Jemand schrie mit sich überschlagender Stimme:

 

„Da ist er! Haltet ihn! Haltet ihn fest! Der Typ hat meine Brieftasche!“

 

Andere stimmten in das Gebrüll ein: „Haltet den Dieb!“ „Packt sie!“ „Lasst sie nicht entkommen!“ „Ruft die Polizei!“ Es brauchte nur wenige Sekunden, dann spielten sich seitlich der Zuschauermenge tumultartige Szenen ab.

 

Die Musik war inzwischen kaum noch zu verstehen, und die Band hörte schließlich resigniert auf zu spielen. Frank stöhnte leise auf und drehte sich um. Jetzt erst realisierte er, was passiert war. Auch das noch! Offenbar hatte irgendeiner von den Typen, die durch seine Freunde um ihre Brieftasche erleichtert worden waren, inzwischen den Verlust bemerkt und nun die Mitglieder der Clique an anderer Stelle in dem Trubel wiedererkannt. Kunststück, dachte Frank bei sich – sie waren ja auch nur schwer zu übersehen. Jetzt mobilisierte der Typ Gott und alle Welt um Mithilfe und so wie es aussah hatte er damit Erfolg. Großer Gott, er musste auf dem schnellsten Wege hier raus, bevor es zu einer Katastrophe kam.

 

„T´schuldigung, darf ich mal kurz“, murmelte er, und versuchte gleichzeitig sich möglichst unauffällig an der dicken Frau, die neben ihm stand, vorbeizudrücken. Als er sie aufgrund der Enge dabei versehentlich anrempelte, schaute sie ihn erst entrüstet an, riss gleich darauf die Augen weit auf und kreischte dann unvermittelt total hysterisch los.

 

„Hilfe! Hier ist noch einer von denen! Haltet ihn! Er wollte mich gerade bestehlen!“

 

„Was?“ Frank schaute die Frau völlig entsetzt an. „Was reden Sie denn da? Scheiße, ich wollte doch nur vorbei.“ Das hatte ihm wirklich gerade noch gefehlt. Schon spürte er, wie eine Hand ihn hart am Ellbogen packte. Gleichzeitig versuchte jemand anderes, ihn zur Seite zu zerren. Endlich erwachten seine Instinkte wieder und er wehrte sich nach Leibeskräften. Mit einer heftigen Drehung riss er sich los, schubste und stieß die um ihn herumstehenden Personen mit den Ellbogen beiseite und schaffte es auf diese Art und Weise tatsächlich, sich näher an den hinteren Rand der Zuschauergruppe heran zu kämpfen. Weiter, weiter, trieb er sich selbst an! Gleich hast du´s geschafft! Er riskierte einen hastigen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob man ihn verfolgte, und blickte dabei direkt in Tonis grüne Augen, die vorne am Bühnenrand stand und sein Treiben fassungslos beobachtete.

 

Frank erstarrte für einen kurzen Augenblick. Scheiße! Scheiße! Nochmals Scheiße! Mit angehaltenem Atem erwiderte er für einen kurzen Moment Tonis Blick und schüttelte schließlich heftig den Kopf, um sich von ihr zu lösen. Dafür hatte er jetzt keine Zeit! Später! Er würde sich später darum kümmern! Oder morgen! Egal, auf jeden Fall nicht jetzt! Jetzt musste er erstmal hier raus! Panisch blickte er sich um und entdeckte Trixie, die sich als Einzige noch in seiner Nähe befand und wie angewurzelt mit Panik in den Augen dastand und offensichtlich nicht wusste, wie sie reagieren und was sie tun sollte. Der Rest der Truppe kämpfte sich inzwischen schon auf der Rolltreppe nach unten oder war zumindest auf dem Weg dorthin. Verdammt noch mal: Trixie! Auf jemand Anderen hätte er sicher keine Rücksicht genommen, aber er brachte es nicht übers Herz, ausgerechnet Trixie im Stich zu lassen. Abrupt änderte Frank wieder die Richtung und arbeitete sich dieses Mal erbarmungslos bis zu Trixie durch.

 

„Los, komm“, schrie er und rannte an dem Mädchen vorbei voraus, in der Hoffnung, dass seine Worte sie aufrüttelten und sie ihm folgen würde. „Renn! Na los, mach schon! Wir müssen weg hier!“ Er hatte gerade erst einige Meter zurückgelegt, als er Trixie hinter sich  angstvoll aufschreien hörte.

 

„Nein! Nicht!“

 

Auch das noch! Hatte sich denn alles gegen ihn verschworen? Franks erster Impuls war, Trixie womöglich doch ihrem Schicksal zu überlassen, und alleine weiter zu fliehen. Was konnte ihr schon groß  passieren? Wenn sie ihn jetzt allerdings hier hopsnahmen, dann würde er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den Knast wandern – selbst, wenn er dieses Mal tatsächlich gar nichts angestellt hatte. Die Tatsache, dass er nichts bei sich trug, was ihm nicht gehörte, würde sicher nicht als Beweis für seine Unschuld ausreichen. Jeder wusste schließlich, dass Diebe ihre Beute meist schnell an Dritte weitergaben, bzw. die Brieftaschen leerten und entsorgten, was letztlich bedeutete, dass man ihm sicher keinen Glauben schenken würde. Andererseits, wenn die Bullen Trixie schnappten und die Ausreißerin nach Hause zu ihrer Mutter schickten … dann war sie auch wieder ihrem Stiefvater hilflos ausgeliefert. Diesem Mistkerl, der die Finger nicht von ihr lassen konnte. Wer oder was war schlimmer? Der Missbrauch durch den Stiefvater oder Nick, der sich ebenfalls rücksichtslos nahm, wonach ihm der Sinn stand? Er hatte keine Ahnung…

 

Mist, verfluchter! In Franks Kopf überschlugen sich die Gedanken und er stöhnte unbewusst auf. Nick hin oder her – diese Entscheidung musste er letztendlich Trixie überlassen. Wenn er sie aber jetzt hier im Stich ließ … und ihr somit die Möglichkeit der freien Entscheidung nahm, indem er sie der Polizei auslieferte, dann war sie auf jeden Fall verloren und er konnte auch nicht weiter auf sie aufpassen. Nein, das ging gar nicht, das konnte er nicht machen. Franks Entscheidung war gefallen und er drehte sich schwer atmend um. Einer der inzwischen herbeigeeilten Wachmänner versuchte gerade die sich heftig wehrende Trixie fest in den Griff zu bekommen. Gegen so einen Schrank von Kerl hatte das zierliche Mädchen null Chance, das wurde Frank sofort klar. Er hatte keine Wahl, er musste eingreifen – sofort!

 

Der Wachmann hatte indessen alle Hände voll mit der kratzenden, beißenden und um sich schlagenden Trixie zu tun und so traf ihn Franks gezielter Faustschlag völlig unvorbereitet krachend am Kinn. Der Junge hatte mit dem Mut der Verzweiflung zugeschlagen und konnte nur ein Stoßgebet gen Himmel senden, dass er die richtige Stelle traf und dass die Wucht, die er in den Schlag gelegt hatte, ausreichen möge, den Angreifer zumindest so lange abzulenken, dass sie weiter fliehen konnten. So wie es aussah, hatte er Glück. Der Mann ging wie ein gefällter Baum zu Boden und schloss für einen Moment lang benommen die Augen, doch Frank war klar, dass dieser Zustand wohl nicht lange anhalten würde. Außerdem bekam er aus den Augenwinkeln mit, dass seitlich bereits ein zweiter Wachmann seinem Kollegen zur Hilfe eilte. Jetzt galt es! Ihnen blieben nur wenige Sekunden! Die mussten ausreichen! Sie mussten einfach! Frank ergriff Trixies Hand und zog sie rigoros mit sich.

 

„Schnell!“, keuchte er. „Los, nun mach schon!“ Er schirmte Trixie gegen die Verfolger ab und hielt ihr so den Rücken frei. Gleichzeitig schubste er sie vor sich her. Doch er konnte hören, wie die Wachleute ihnen näher kamen, während sie sich untereinander immer wieder kurz verständigten. Er musste sich etwas einfallen lassen und blickte sich gehetzt um. Da! In vollem Lauf riss er mehrere Rollständer mit Grußkarten um, und verschaffte ihnen so etwas Zeit. Einer der Verfolger fiel über das unerwartete Hindernis und der zweite geriet ebenfalls vorübergehend ins Straucheln. Währenddessen erreichten die Flüchtenden die Rolltreppe. Frank kürzte ab, indem er sich einfach rittlings über das Geländer auf die Stufen schwang und so genau vor Trixie landete, die bereits auf den Stufen stand. Fast wäre er dabei zu Fall gekommen, doch im letzten Augenblick gelang es ihm gerade noch, einen Sturz zu vermeiden und den Schwung so abzufedern, dass er sein Gleichgewicht wieder gewann. Trixie starrte ihn aus großen Augen an. Es war ziemlich eindeutig, dass sie unter Schock stand.

 

Wortlos griff er wieder nach ihrer Hand und zerrte sie weiter. Ohne Rücksicht auf die Personen, die sich mit ihnen auf der Rolltreppe befanden, bahnten sich Frank und Trixie ihren Weg nach unten. Frank hörte das Blut in seinen Ohren rauschen und er betete permanent, dass niemand den Mut fände, sich ihnen direkt in den Weg zu stellen. Er wollte auf gar keinen Fall jemanden verletzten. Er wusste ja noch nicht einmal, ob er das überhaupt fertigbrächte. Wahrscheinlich würde er in diesem Fall einfach aufgeben und was dann mit ihm geschehen würde, lag klar auf der Hand. Glücklicherweise kamen sie unbehelligt bis auf die mittlere Ebene. Dort rasten sie um die Ecke und es gelang ihnen tatsächlich durch einen Notausgang ungesehen ins Treppenhaus zu entwischen. Diese halsbrecherische Aktion verschaffte ihnen den nötigen Vorsprung und kurz darauf standen sie japsend und nach Luft ringend auf der Straße. Frank stützte sich mit den Händen auf die Knie und hustete sich die Seele aus dem Leib. Er bekam immer noch nicht genügend Luft in seine Lungen, um anständig durchatmen zu können. Außerdem war ihm schlecht und kurzfristig hatte er sogar Angst, sich übergeben zu müssen. Er nahm eine Hand zur Hilfe und presste sie seitlich in seine Taille, in der Hoffnung, so die Seitenstiche unter Kontrolle bringen zu können.

 

Trixie blickte sich suchend um: „Wo sind die Anderen?“

 

„Die Anderen?“ Frank runzelte die Stirn, guckte hoch und warf dem Mädchen einen wütenden Blick zu. Die anderen? Meinte Trixie die Frage etwa ernst? Die Anderen hatten sie eben ohne mit der Wimper zu zucken hängengelassen und sie sorgte sich um deren Verbleib? „Keine Ahnung. Ehrlich gesagt, ist mir das auch scheißegal“, stieß er hervor. „Los, weiter. Wir müssen zu meiner Kiste. Wenn die uns erwischen, bin ich geliefert.“ Röchelnd trieb er Trixie vor sich her. Nur noch ein paar wenige Meter, dann hatten sie seine Maschine erreicht.

 

„Aber du hast doch gar nichts gemacht.“

 

„Denkst du vielleicht, die werden mir glauben? Wie naiv bist du eigentlich? Hör zu, du kannst ja machen, was du willst, aber ich werde es garantiert nicht darauf ankommen lassen.“

 

„Ja, aber …“

 

Die ersten Menschen stürmten bereits hinter ihnen ins Freie und blickten sich suchend auf dem Parkplatz um. Frank, der inzwischen schon den Motor gestartet hatte, nahm Trixie die Entscheidung ab, indem er unbeherrscht brüllte:

 

„Los! Rauf mit dir! Und halt dich ja gut fest!“ Er musste alle seine Fahrkünste anwenden, um dem Sicherheitspersonal auszuweichen, das geschickt verteilt von vorne auf sie zustürmte und versuchte, ihnen auf diese Weise den Weg zu versperren. Es galt, einen Vorsprung zu gewinnen und gleichzeitig möglichst zu verhindern, dass von hinten jemand sein Kennzeichen entziffern konnte. Um ein Haar wären sie gestürzt, als Frank sich viel zu schnell und zu tief in eine Kurve legte. Die Maschine geriet kurz gefährlich ins Schlingern und er hatte Mühe, sie auf dem frostigen Boden wieder unter Kontrolle zu bringen. Das Hinterrad brach aus und er musste ein Bein zu Hilfe nehmen, um das Motorrad abzufangen. Mit aller Macht stemmte Frank sich gegen den drohenden Fall und wieder hatten sie Glück. Er blieb kurz stehen, blickte über die Schulter und erkundigte sich bei Trixie: „Hey, alles klar bei dir?“ Er spürte ihr Zittern an seinem Rücken, doch zu seiner Erleichterung nickte das Mädchen – wenn auch zögernd, aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. „Okay, jetzt gilt es! Festhalten!“ Trixie klammerte sich förmlich an ihn und Frank richtete die Maschine wieder geradeaus. Dann gab er so viel Gas, dass der Motor laut aufheulte, bevor sie sich schließlich mit einer für die Witterungsverhältnisse horrenden Geschwindigkeit rasend schnell vom Gelände des Einkaufszentrums entfernten.

 

To be continued - auf jeden Fall dann in einem neuen Thread !!!

 

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Kommentare: 9
  • #1

    MissJenny (Mittwoch, 26 Juni 2013 07:28)

    Erster Gedanke, nach dem erstmaligen Durchlesen – (ja, manchmal les ich die Kapitel öfters) – Sooooooo süß !

    Aber vorab ein großes Lob. Was ich an deinen Kapiteln so mag, ist, dass du mich nicht an der langen Hand verhungern lässt. Es sind immer schöne, angenehm zu lesende Kapitel mit toller Länge, nicht so kleine Futzidinger, wo man grad mal warm wird und sich dann denkt – und jetzt? Wie geht’s weiter.

    So auch dieses hier. Endlich darf (muss – hihi) Frank etwas mehr tun, als Besteck auflegen. Den Griff in den Windeleimer hat er zwar immer noch nicht machen müssen. Aber auch Urinflaschen haben so ihren Reiz. Ich tipp jetzt mal, der gute Junge dürfte an diesem Abend ziemlich müde ins Bett fallen – und am nächsten Tag mit einer gehörigen Portion Kreuzweh aufstehen.

    (Meine Mutter hat jahrelang im Pflegebereich mit wirklich alten, zum Teil sehr schweren, und vor allem bettlägrigen Menschen gearbeitet. Also da macht wirklich viel die Erfahrung aus, wie du zum Bett hingehst, wie du die Leutchen angreifst, wie du sie drehtst. Wenns das nicht rauskriegst, bist innerhalb kürzester Zeit mit dem eigenen Körper fertig gefahren. )

    Na jedenfalls finde ich, dass ihm diese neue Erfahrung nicht schadet. Und ja – auch Tonis ruppige Art hat er verdient, wenns vielleicht von ihr auch nicht klug ist.

    Frau Schneider ist eine ganz liebe Frau. Ich mag ältere Menschen ja überhaupt. Wenn sie nicht gerade verbittert sind, kann man wunderbar mit ihnen blödeln und Spaß haben. Und sie verstehen so viel, haben schon so viel erlebt. Und eine Frau wie Frau Schneider ist genau auf dieser Wellenlänge. Lieb, wie sie sich um Tony kümmert und schön, dass das Mädel jemanden hat, bei der sie sich ausweinen und ausreden kann. Ich glaube, ohne das, wäre sie schon längst untergegangen. Und ich glaube, emotionslos gesehen, dass ihr Rat auf Dauer was bringen wird. Aber wer kann bei so einem „Kotzbrocken“ wie Frank schon die Emotionen hinten anstellen. OK – ich gebs zu, er ist KEIN Kotzbrocken. Er ist ein junger Mensch, der seinen Weg sucht, und nicht immer geschickt ist, bei dem was er sagt und tut. Trotzdem hat er die Punkte, die er im Laufe dieses Kapitels gesammelt hat mit seiner letzten Aktion wieder verspielt. Hinschmeißen und heimgehen, nur weils ihn anzipft und den anderen weiter schöpfen lassen geht gar nicht (Ja, ja – er darf und er hat vielleicht sogar Recht – trotzdem ist meine Arbeitsmoral ein bissl wo anders angesiedelt – was mir schon einiges schlaflose Nächte bereitet hat.) SCHÖN wärs gewesen, wenn er dafür gesorgt hätte, dass Tony ein bissl Zeit mit Frau Schneider kriegt, in der er allein einen Teil der Arbeit erledigt. Aber soweit ist er wohl noch nicht.

    Ach – ich finde es so schön, dass ich bei der Charakterentwicklung von Frank dabei sein darf. Ich weiss ja, dass du keine Husch/Wusch-Schreiberin bist. Also wird sich der Junge auf eine lange Reise machen und am Schluss doch um einiges anders sein, als zu Beginn deiner Geschichte. Und Toni – auch sie hat noch einen langen Weg vor sich. Das Mädel muss nicht härter, sondern lockerer werden.

    Wenn ich noch eine Bitte äußern darf – und es muss auch nicht gleich sein – so ist es die, dass sich Papa-Tony auch ändert. Das kann ruhig radikal passieren – sprich – Tony und ihr Bruder setzen ihn vor die Tür (was nicht geschehen wird) – oder die beiden setzen ihm ein Ultimatum – oder was immer dir dazu einfällt. Nur lass nicht zu, dass dieser verweichlichte, vor Selbstmitleid triefende, Bierssaufende Typ bis ans Ende der Geschichte so weitermachen darf. BITTE NICHT!

    Und jetzt – Tschüß – bis zum Nächsten mal (ich muss aufhören, sonst wird mein FB länger als dein Kapitel ^^ - grins)
    MissJenny

  • #2

    MissJenny (Samstag, 06 Juli 2013 19:38)

    Hallo – diesmal fange ich mit einem Zitat aus deinem Kapitel an:

    „Mann, hängt ihm doch alle `nen Heiligenschein um“, antwortete Toni böse. „Ich will nach Hause. Gute Nacht zusammen.“

    Ich habe ja schon geschrieben, dass ich Toni für ihre Energie bewundere. Ich frage mich nur, was sie doch noch zu den Bandübungen treibt. Verantwortungsbewusstsein, will sie die anderen nicht hängen lassen, braucht sie es als einzigsten Ausgleich zu der anderen Kacke, die so vor sich hindampft? – Ich weiss es nicht. Man merkt aber deutlich, dass das ganze Gestell langsam ziemlich bröcklig wird.

    Und es sieht so aus, als würde sie sich einen Sündenbock suchen und sich da auf Frank einschießen – wobei sie jetzt ja noch nicht weiß, dass es gerade dieser war, der den Treibstoff zurück gebracht hat. (Worüber ich mich jetzt persönlich ja sehr gefreut habe, dass er, wie etwas früher befürchtet, NICHT vom Rest der Bahnhofsbande geklaut worden ist.)

    Nett finde ich übrigens (und ich habe gar nix gegen das Wort „nett“ wie manch andere), dass Paul sich solche Sorgen um sie macht. Ich schätze ihn nicht so ein, dass das nur eigennützig gedacht ist, von wegen, dann fehlt ein Bandmitglied. Nur mal so dahin gedacht – wär doch cool, wenn die besorgten Bandmitglieder mal in Tonis Haushalt aushelfen würden – obwohl – Toni würde sich das sicher nicht gefallen lassen. Blöd, wenn man nicht um Hilfe fragen will/kann – wie auch immer. Für mich gehört nämlich das mittlerweile auch dazu Stärke zu zeigen (womit wir wieder bei meiner Lebenserfahrung wären – Selbstironie-Modus aus – Lach).

    *****

    Frank ist also auch nicht so gut drauf. Ach der Arme (ironisch gemeint). Da hatte er also einen harten Tag – wobei – so mancher Lehrling in einem Tischlereibetrieb oder in einem Gasthaus, Autowerkstatt, ...., macht bei weitem mehr mit. Ich fand seinen Tag nun nicht wirklich sooooooooooo schlimm.
    Das Treffen mit dem Anwalt find ich ja voll geik. Und wie schnell er ihm erzählt, dass er brav seine Aufgaben erledigt hat – nur um zu erfahren, dass er unter Vollüberwachung steht. Tja, das kann einen schlechten Tag schon noch mal schlechter machen. Bin ich jetzt ein böser Mensch, weil ich es ihm gönne? – Ich finde, dass gehört zur Charakterbildung dazu ;-) .

    Wobei ich jetzt beim nächsten Zitat gelandet bin:

    „Wahnsinn!“ Frank schnaubte verächtlich. „Noch mehr Harmonie wäre kaum auszuhalten. Ganz Ehrlich? Wenn es nur minimal besser würde, wäre schon viel gewonnen. Es war unterirdisch! Aber Sie können Big Daddy ausrichten, dass ich trotzdem wieder hingehen werde.“

    Franky-Boy im Sarkasmus-Modus.
    Witzig fand ich, wie der Anwalt dann glaubt, dass Frank von Schwester Maria spricht, als er die „Hexe“ nennt.
    Und süß, wie Frank, gänzlich unsubtil, versucht, Dr. Becker in Sachen Toni auszuquetschen.

    Ich weiß, diesmal zitiere ich viel, aber der Satz hat mir auch noch so gut gefallen, dass ich ihn hier nochmals bringen muss:

    „Jeder hat mal Pech. Die Mehrzahl der Leute mutiert deswegen aber nicht gleich zum Ekel“, knurrte Frank daraufhin.

    Tja Franky-Boy – du hast dir dein Schicksal selber eingebrockt. Ich wär schon wirklich neugierig, wie du reagieren würdest, wenn du einige Meilen in Tonys Schuhen gehen müsstest.

    Den Vergleich von Dr. Becker, dass die beiden Hauptdarsteller sich sehr ähnlich sind, konnte ich leider nicht nachvollziehen. Vielleicht fehlt mir da das Einfühlungsvermögen – oder es ergibt sich aus dem Nachfolgenden.

    Abschließend nur noch so viel: Andere Leute kommen nach getaner Arbeit nach Hause und können sich – im Gegensatz zu Frank – nicht an den Tisch setzen, sich bedienen lassen, mit anschließender vollautomatischer Geschirrversorgung und können sich dann bequem in ihr Zimmer legen, in der Gewissheit, dass die Wäsche gewaschen, die Lebensmittel besorgt und für das Essen am nächsten Tag gesorgt ist. Andere Leute machen sich ihr Essen selbst und haben noch einen Haushalt mit Kindern und Co zu versorgen. Tja – so ein Pech aber auch – und die mosern nicht rum, weil der Tag „nicht ganz so gut“ gelaufen ist.

    Frank – ich empfehle dir – lern schnell !

  • #3

    MissJenny (Samstag, 13 Juli 2013 11:23)

    Hi Silvia,

    schön, dass es wieder weitergeht! Obwohl - ich bin höchst unzufrieden mit diesem Teil! Ich überlege gerade, soll ich dir den Grund nennen oder nicht - grummel. Und das hat jetzt nix mit meinem Hormonspiegel zu tun - das ist ALLEINE deine Schuld.

    OK - ich bin gnädig: Grad mal 2 Posts weiter oben lobe ich dich von wegen, keine Husch/Wusch-Geschichten, alles schön durchformuliert (was ja auch in diesem Teil so ist) und dass du mich nicht an der langen Hand verhungern lässt. UND GENAU DAS MACHST DU JETZT.

    Sag mal, wie kommst du dazu, genau hier den Cut zu machen. Hallo !!!!! Jetzt wo es spannend wird und das ganze Vorgeplänkel vorüber ist. Grrrrrrrrrrr.
    Ok - wenn auch lange geschrieben - so ist dies mein einziger Grund für meine Verärgerung. Ansonsten, wie von dir gewohnt, ein schöner Teil, (wenn auch diesmal für meinen Geschmack zu kurz), mit schönen Wendungen, mit denen zumindest ich jetzt nicht gerechnet hätte.

    Aber ich beginne (endlich) von vorne. Franks Auftritt bei seiner Bewährungshelferin: was gibt es dazu zu sagen. Hmmm - unterschwellig noch immer der Ärger auf den Richter, den er vor des Richters Tochter meiner Meinung nach, ziemlich unpassend Luft macht. Aber Fr. Schäfer hat ja nicht den ersten Lausejungen vor sich, also mach ich mir da keine Sorgen. Auch dass sie Frank nicht schont und ihm grad ins Gesicht sagt, dass er dafür selbst verantwortlich ist finde ich gut. Aber ich bin sicher, soweit kann er mittlerweile rechnen - auch wenn er es vor sich selbst noch nicht zugibt - das Wissen darüber ist bestimmt da. Und hier, jetzt nur für dich - meine geheimen Gedanken zu unserem guten Franky-Boy: Noch viel lernen muss der junge Jedi!

    Dass er schon einiges gelernt hat und sich auf sein, wie ich glaube ursprüngliches gutes Wesen zurückbesinnt, beweist wohl seine nächste Aktion, die mich ehrlich gestanden voll überrascht hat. Er wartet auf Toni um eine Aussprache mit ihr zu halten. Dafür stellt er sich sogar eine Stunde in den kalten Regen, verzichtet auf Haargel und besorgt Gummibänder für die Haare. DAS fand ich richtig entzückend.

    Obwohl es dann ja nicht so gut angelaufen ist - einerseits wegen Toni, die mir hier doch etwas zickig rüberkommt - ja, ja - ich sehe auch bei den "Guten" die nicht so tollen Sachen - und andererseits weil Frank auf einmal sein Gegenüber durchcheckt - und zwar auf eine Weise, wie es Männer bei Frauen - oder umgekehrt - machen, an denen sie interessiert sind.

    OK - ich gestehe - in meiner Brust schlägt ein gar romantisch Herz - daher gefällt mir diese Sequenz sehr, sehr gut. Und obwohl Toni (schon geschrieben, dass sie heute zickig ist?) dann dieses Schauspiel recht rüde unterbricht, finde ich den Übergang von Frank Überlegungen zur Rückkehr zur Realität sehr gelungen. NUR - jetzt mein Kritikpunkt - DA hätte es jetzt weitergehen müssen. Der Cut genau an dieser Stelle, tut mir im Herzen weh. Wie soll ich jetzt mindestens 1 Woche überstehen, ohne zu wissen, wie es jetzt weitergeht und was Frank Toni zu sagen hat (vor allem bin ich ja neugierig, ob Toni von ihrer Familiengeschichte was rauslässt, oder warum SIE hier ist - obwohl - wohl eher nicht.)

    Du kannst meinen Ärger aber mit ganz einfachen Mitteln beruhigen - stellst halt mal den nächsten Teil ein bisschen früher ein ^^. Denk dabei an meinen besonderen Status !!! - obwohl - wohl eher nicht. Grins.

    LG MissJenny

  • #4

    Andreas (Sonntag, 21 Juli 2013 22:41)

    Ein schönes Kapitel.
    Beim Beginn kommt die Hektik gut rüber. Weil du fast nur die Aussagen aneinander reihst. In vielen Fällen ist so ein Stil nicht schön, aber hier ist er angebracht und verstärkt die Situation.

    Das Gespräch Roman-Toni deckt eine neue Seite von Roman auf. Er macht sich sehrgroße Sorgen um Toni. Deshalb find ich den Dialog passend. Das hilft auch gleichzeitig, dass wir früh etwas über den Charakter der Nebenfiguren erfahren, was gut ist.

    Zu guter letzt noch Franks Gespräch mit Toni. Hier find ich zeigst du gut, wie Toni mehr Biss ablegt. So wird die Beziehung zwischen beiden Figuren besser. Obwohl du am Ende noch einen schönen Seitenhieb enbaust.

    Jetzt warten wir aber mal drauf wie die Schicht abläuft, aber ich denke, Toni wird ihn nicht mehr so vollmeckern

    Gruß
    Andreasst.

  • #5

    MissJenny (Mittwoch, 24 Juli 2013 17:41)

    Hey - jetzt melde ich mich wieder einmal, damit du mich nicht von deiner Freundesliste streichst ;-). Aber so einige Tage Schlafentzug haben bei mir ihre Spuren hinterlassen - warum ich das schreibe? Damit du eine Erklärung hast, sollte ich im FB irgendwann mal konfus klingen (oder wieder mal was nicht checken). So, aber jetzt gehts los:

    Frank - so vernünftig wie er hier Tony entgegentritt, seine Argumentation - ja sooo ist er mir richtig sympathisch. Das heißt natürlich nicht, dass die beiden nicht miteinander abwerkeln sollen - im Gegenteil, ich mags, wenn sie sich ein bisschen in die (ungegelten) Haare kriegen. Wie er dann den Ball direkt zu Tony spielt - das fand ich dann schon richtig genial:

    Zitat: Was meinst du, kriegst du das hin?

    Nun, dass die gute Antonia (die ich in der Abkürzung übrigens immer falsch schreibe), da dann etwas sprachlos ist, versteht sich von selbst. Mit einem vernünftigen ASozia der auch noch arbeiten will hat sie wohl nicht gerechnet. Aber wie ich leider erfahren muss ;-) war Toni ja nicht von der Rede so beeindruckt, sondern vom Mann an sich!!!! Hmmm - DAS find ich richtig spannend (und süß). Schade nur, dass Frank nun ein paar Sprossen auf der Frustrationsleiter raufkraxelt.
    OK - Soooo schade finde ich pers. es ja nicht, weil er jetzt mit der leidigen Motorrad/Pfützen-Geschichte rausrückt. Was er absolut nicht gemusst hätte. Antonia hätte in ihrem Leben nicht erfahren, wer sie da so rücksichtslos angespritzt hat. Aber so finde ich es viel besser. Und jetzt ist der Zeitpunkt, an dem ich Frank wieder mal umärmeln möchte - Gut gemacht, junger Mann!

    Schade nur, dass die Zeit jetzt drängt. Aber ein bisschen erfahren wir ja doch noch. z.B. dass Toni das lächelnde Gesicht Franks anziehend findet. Allerdings muss ich sagen, ich habe mir in meiner Jugend SOLCHE Gedanken über mein Gegenüber nicht gemacht:
    Zitat: Wenn er älter wurde, mit Sicherheit ein markantes, männliches Aussehen verleihen würden.

    Aber ich sags ja immer - ein Lächeln verzaubert jedes Gesicht und macht selbst noch den hässlichsten Menschen hübsch und liebenswert.

    Außerdem hätte ich Tonis Gesicht gerne in Natura gesehen (nicht, dass ich es mir nicht vorstellen könnte - aber trotzdem) als sie erfährt, dass Frank versucht hat Erkundigungen über sie einzuholen - und kläglich gescheitert ist. Ja, ja - dass Hick/Hack der beiden hat schon was.

    ****

    Den nächsten Teil mit Roman - nun das ist irgendwie eine andere Kategorie. Da steckt eine ganz andere Chemie dahinter. Eine die mir total gut gefällt. So wie Roman mit Toni umgeht - das ist ein bisschen Bruder/kleine Schwester - aber doch nicht so ganz. Es ist auch keine reine Freundschaft - irgendwie ist da dafür mehr - aber halt ohne sexuelle Spannungen (die man mittlerweile bei Toni und Frank doch ein bissl rausspüren kann). Hier spürt man auch nix von diesen Machtspielchen, die doch so oft bei gemischt-geschlechtlichen Arbeitskollegen vorkommt (glaub mir, ich hab da schon einiges durch). Ich würde es vielleicht mit richtig temperiertem Thermalwasser vergleichen, wo hin- und wieder dann diese Düsen anlaufen zur Anregung der Durchblutung.

    Ich finds ja so lieb, wie Roman sich um Toni sorgt - und sie gleich auf ihren Platz verweist mit seinen "Kosenamen" wie Prinzessin und Cindarella. Irgendwie kommt hier, auf eine absolut nicht bösartige Weise rüber, dass sie sich bei der Arbeit vielleicht doch eine Spur zu wichtig nimmt - auch wenn es um Frau Schneider geht. Super finde ich, dass Roman dann diese "Schicht" übernimmt obwohl er sicher auch besseres zu tun hat.
    Übrigens finde auch ich es toll, wie offen der Mann mit seinem sexuellen Status umgeht.

    Witzig fand ich dann doch abschließend Frank mit seinem Satz: Solange er mir vom Hintern bleibt. ja, ja - Roman ist ein(e) Perle(rich). Astrein. Und das gefällt mir.

    LG MissJenny

  • #6

    MissJenny (Montag, 29 Juli 2013 12:24)

    Kap 18:

    Hai-Hallo an diesem brütend heißen Tag.
    Ich gestehe, diesmal bin ich enttäuscht – menschlich enttäuscht – enttäuscht von einem Menschen. Hmmm – und zwar von Schwester Maria. Zuerst setzt sie voll auf psychologisch Druck machen und dann schmeißt sie, obwohl gerade sie das am allerbesten wissen müsste, einen Dienst nach, der in meinen Augen ganz und gar nicht in Ordnung ist. Irgendwie kommt die gute Dame für mich gerade als „leicht“ manipulativ herüber.
    Was mich dabei besonders ärgert – sie kennt Tonis Probleme, sowohl daheim, als auch ihre Quasi-Verurteilung, die bestimmt, dass Toni gar nicht so arbeiten darf. Dazu kommt noch, dass sie nicht mal Volljährig ist und vom Jugendschutzgesetz aus diesen Dienst gar nicht schieben darf.
    Langsam hab ich ja den Verdacht, dass Schwester Maria nicht so harmlos ist, wie sie tut. Ob sie Toni angezeigt hat? Grrrr – bin grad wirklich unzufrieden mit der ganzen Situation und hab grad voll den Grant auf die Ordensfrau. Das fällt für mich unter Ausnutzen von anvertrauten Personen.
    Tja und dann im Anschluss wieder Eiertanz von Frank und Toni – den ich diesmal – wegen – siehe oben – gar nicht richtig genießen konnte. Schmarrn aber auch.

  • #7

    MissJenny (Donnerstag, 01 August 2013 20:22)

    HerrGottnochmal - wie BLÖD kann man eigentlich sein !!!!!!!!
    Frank, Frank, Frank - Es ist das Eine, wenn man die Schaufel unter vorgehaltener Pistole in die Hand gedrückt bekommt um sein eigenes Grab zu graben - aber etwas ganz Anderes wenn man extra in den Baumarkt fährt, eine kauft und dann zu buddeln anfängt.
    Wuah - Denkt hier denn keiner an meine Nerven?

    Aber von vorne: Toni hat also ein "Date". Und dafür hat sie sich entsprechend zurecht gemacht. So, wie du das Mädel beschreibst, kann ich sie mir richtig gut vorstellen, hab ich ein tolle Bild vor Augen. Dass Frank dabei fast die Augen rauskommen ist da wohl verständlich. Bei der Gelegenheit möchte ich wirklich wieder einmal anführen, wie sehr es mir gefällt, wie du deine Charaktäre ausstaffierst, wie du sie beschreibst, sowohl Außen- als auch Innenleben. Das macht deine Personen so lebendig!
    Nun - zuerst hast du ja Tonis Außenansicht vor unserem inneren Auge aufleben lassen - und hej - das Mädchen ist super.

    Und kurz darauf lässt du nun Franks Innenansicht folgen. Klar doch - Toni ist ja überhaupt nicht sein Typ, das kann natürlich auch ein bisschen Make up nicht ändern. Woher denn. Und dass er sich insgeheim eine Verabredung nach der Schicht erhofft hat, hat auch nix damit zu tun, dass er sie anziehend findet. Sie ist halt ein Kumpel, mit dem man mal auf ein Bier geht. Also Frank hat wirklich ein Talent dafür sich selber in die Tasche zu lügen. Diese Aufgabe besteht er mit Bravour. Mal schaun, wann er sich endlich eingesteht, dass der ein ausgesprochenes Faible für Toni entwickelt hat - und da ist nix mit "Kollege".

    Roman - der gute Roman. Auch er reagiert ja relativ stark auf die "Feiertags-"Toni. Na, guter Geschmack wird den homosexuellen Männern ja nachgesagt. Ob das wohl auch ein Klischee ist? Super finde ich, wie schon so oft, wie er selbst mit seiner sexuellen Neigung umgeht und wie nett er sich dazu selbst veralbert. (von wegen "Schwule können nicht fangen")
    So wie er allerdings reagiert, als er sieht, von wem Toni abgeholt wird, tippe ich jetzt eher auf einen Auftritt als auf ein echtes Date.

    Krass finde ich Franks Reaktion. Man kann ja nicht mal sagen, dass er eine Abfuhr bekommen hätte. Er hat ja noch nicht mal gefragt. Und dann, vor lauter Frust (hallo - wo kommt denn der jetzt plötzlich her) holt er sich - die anfangs zitierte "goldene Grabschaufel".
    Schrei!!!! - Sag mal - wie konntest du ihn jetzt, gerade JETZT DAHIN schicken? Zumindest eine Warnung wäre angebracht gewesen (an mich !) Und da fragt sich der Junge auch noch, was Nick heute abend wohl vorhaben mag. Tja - er denkt sogar so weit, nur wenig Geld einzustecken. Sag mal Frank - Hast du denn noch immer nicht gekneist, was da abläuft? Die Typen sind doch total kaputt.

    Witzig - nein witzig ist das falsche Wort, eigenartig trifft es auch nicht, vielleicht "fasziniert entsetzt" finde ich, wie Frank jetzt seine "Ich-gehör-da-dazu-Maske" aufsetzt. Von wegen, jetzt auf cool machen, sich der allgemeinen Stimmung anpassen, sowohl in der Redens- als auch in der Tonart. Auf einmal ist eh alles Scheiße, man hat ihm dieses und jenes aufgebrummt, alles Horror und natürlich geht ihm der Mist auf den Sack. Auch hier wieder - man kann es sich so gut vorstellen! Zuerst der nette Junge, mit den ungegelten (ja, das kommt noch öfter - grins) Haaren, der den alten Leutchen hilft und mit dem man ach richtig gut reden kann - und hier nun der abgehalfterte Schmalspur-Ganove mit einem Mundwerk wie der letzte Obdachlose.
    Entsetzt war ich über die Aktion, die Nick dann mit Trixie abgezogen hat. Aber hallo - gut, sie wird es sich gefallen lassen, weil sie sonst nirgends hinkann, es daheim vielleicht noch schlimmer ist und sie mittlerweile weiß, dass sie sich gegen Nick nicht wehren kann. Aber wenn DER Vorfall Frank nicht endlich die Augen geöffnet hat - was muss denn dann noch passieren.
    Süß fand ich, wie er seine Jacke an Trixie weitergibt, damit sie nicht friert. Furchtbar finde ich, dass er sich wirklich mit den anderen auf Diebestour begibt. Irgendwie seh ich ihn gerade mit Vollgas in ein selbst angebrachtes Messer laufen.
    Buaaah - wie soll ich es nur bis zum nächsten Kapitel aushalten, ohne zu wissen, ob Frank jetzt was passiert oder ob er (schon wieder) noch einmal davon kommt.
    Junge - du musst doch inzwischen was gelernt haben. Bitte, bitte tu es nicht. Schnapp dir Trixie, bring sie heim zu deinen Eltern, lass ihr was Gutes zu Essen bringen, schenk ihr ein T-Shirt und quatscht - von mir aus bis drei in der Früh - aber bitte, bitte - kein Scheiß im EKZ !!!!

    LG MissJenny

  • #8

    Silvia (Freitag, 02 August 2013 12:01)

    Heidi, Heidi...

    ...mal im Ernst: Kann man es dir überhaupt recht machen?

    Da stelle ich ein laaaanges Kapitel ein, damit du dich nicht wieder "beschwerst", ich würde dich im Regen stehen lassen - da gehe ich davon aus, du freust dich, dass Roman hier "mitspielt" und was tust du? Du kriegst - mal wieder - fast einen Herzkaspar und regst dich tiiiierisch über Frank auf :o) Irgendwie hätte ich es mir ja denken können! Aber deine Reaktion zeigt mir, dass ich mit diesem Kapitel genau das erreicht habe, was ich erreichen wollte **diabolischgrins**

    Ich kann es nur immer wieder sagen - auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Ich liiiieeebe deine ausführlichen FB´s und die Art und Weise, wie du mit meinen Figuren mitgehst! A pro pos mitgehen: Ein kleines Spoilerchen am Rande - das nächste Kapitel spielt sich dann tatsächlich im EKZ ab, aber was genau dort geschehen wird, verrate ich natürlich noch nicht. Ich geh´ aber fest davon aus, dass du es bis dahin schon noch aushalten kannst/wirst :o)

    LG und vielen Dank
    Silvia

  • #9

    MissJenny (Sonntag, 11 August 2013 17:07)

    Boah eh - das war ja an Dramatik diesmal kaum noch zu überbieten!!!!!
    Gut (oder auch nicht) - meine schlimmsten Befürchtungen wurden (sogar noch) übertroffen. Frank geht also mit auf Diebestour durchs EKZ. Wie heißt es so schön - mitgefangen, mitgegangen? Da hilfts auch nix, wenn er selber nicht klaut und bettelt. Er ist dabei, und alleine das würde für einen "Strick" reichen.

    Ich kann mir seinen Schock richtig gut vorstellen, als er Toni auf der Bühne erkennt. SO wollte er von ihr sicher nicht mehr gesehen werden. Und dann der nächste Schock, als es hinter ihm mit dem Trubel losgeht und sich ein Opfer mal wehrt.

    Aber Hallo - Frank wird ja zu einem richtigen Helden, als es darum geht, Trixie zu retten. Er schlägt einen Wachmann nieder !?! Wow - verzweifelte Situationen erfordern wohl verzweifelte Maßnahmen - und die hat Frank da wohl eingeleitet. Und dann rettet er die "unschuldige Jungfrau" vor den "bösen Drachen" - obwohl der Fall hier schon etwas anders liegen dürfte. Ganz so unschuldig ist Trixie ja nicht und die bösen Drachen sind in dem Fall ja Nick samt Crew und nicht die Wachmänner.

    Irgendwie bin ich ja froh, dass Frank endlich einsieht, dass er so nicht weiterkommt und er sich schnellstens von dieser Clique trennen sollte. Ich bin auch froh, dass er, mit Trixie am Arm, aus dem EKZ entkommen konnte.
    Allerdings befürchte ich, dass das Ganze noch ein bitterböses Nachspiel haben wird. Immerhin gibt es, nicht nur in den USA, auch hier schon in jedem größeren Einkaufstempel Überwachungskameras und Frank wurde bestimmt gefilmt und wird wiedererkannt werden. Und Antonias inzwischen gute Meinung von ihm dürfte jetzt auch wie weggeblasen sein. Da hilft auch seine Erleichterung darüber nix, dass Toni doch kein Date hatte - er selber wird wohl lange Zeit keines mit ihr verbringen dürfen.

    Ma - ich hoff jetzt echt mal, dass der Richter die letzte Aktion von Franki-Dudel-Dumm nicht mitbekommt - denn wenn doch, kann ihn auch Daddys Anwalt nicht mehr helfen.

    LG MissJenny