Hier findet ihr einen etwas älteren Shortcut, der unmittelbar nach einer Folge entstanden ist und in Zügen auch darauf aufbaut. Lest und lernt einen etwas anderen Tony DiNozzo kennen...

 

 

Der Clown mit der Maske

  

   Ganz gegen seine Gewohnheit saß Tony tief in Gedanken versunken an seinem Schreibtisch. Die Akte aufgeschlagen vor sich stiert er ins Leere und seine Gedanken sind überall – nur nicht bei der Arbeit. Sein Vater, der mal wieder ein kurzes Gastspiel gegeben und es dabei mal wieder geschafft hatte, seine gesamte Gefühlwelt in Aufruhr zu bringen, war wieder abgereist. Einerseits erfüllte ihn das mit Erleichterung – andererseits tat es ihm auch leid, denn sie hatten endlich einmal ein ansatzweise vernünftiges Gespräch unter Männern geführt und wenn er ehrlich zu sich selber war: Es war seinem alten Herrn tatsächlich gelungen, ihn zu überraschen. Nicht nur, dass er sich an den Angelausflug erinnerte, den er vor Jahren mit ihm unternommen hatte – nein, er trug sogar ein Foto davon permanent in seiner Brieftasche mit sich herum. Diese Tatsache hatte ihn sehr berührt; gut so deutlich hatte er seinem Vater das nun auch nicht gesagt, aber sie hatten miteinander geredet. Zum ersten Mal seit langer Zeit ein richtiges Gespräch geführt.

 

   Sein Vater…DiNozzo seufzte unwillkürlich und stützte sein Kinn in die Hände. Den fragenden Seitenblick von McGee ignorierte er geflissentlich. Er hatte jetzt einfach keine Lust zu reden. Und schon gar nicht darüber, was ihm durch den Kopf ging. Das Schlimmste am Besuch seines Vaters war, dass er ihn unbewusst dazu gezwungen hatte, sich mit einem anderen Problem auseinanderzusetzen. Erst hatte er ihn gefragt, ob zwischen Ziva und ihm mehr wäre, als nur Kollegialität, was er natürlich vehement verneint hatte und dann…ja, dann hatte der alte Charmeur tatsächlich selbst versucht, bei Ziva zu landen. Er hatte ihr geschmeichelt, mit ihr geflirtet, sie angefasst – dezent zwar, aber angefasst. Und es war gekommen, wie es kommen musste: Er hatte ihn wieder gespürt, diesen ekligen, störenden Stachel der Eifersucht. Und dabei hatte er schon geglaubt, er habe es überwunden. Mitnichten. Als er zusehen musste, wie sein Vater Ziva die Hand sachte, fast zärtlich, auf den verlängerten Rücken legte, hätte er seinen alten Herrn am liebsten…

 

   Natürlich hatte er nichts unternommen. Wenn man einmal von den bissigen Bemerkungen absah, die er sich nun wirklich nicht hatte verkneifen können. Aber diese Szenen hatten ihm leider wieder vor Augen geführt, was er seit Wochen mehr oder weniger erfolgreich zu verdrängen suchte. Ziva ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Und anstatt besser, wurde es immer schlimmer. Sie schlich sich in den unmöglichsten Augenblicken in seine Gedanken und wenn das passierte, war seine Konzentration dahin, was ihm schon mehrere heftige Kopfnüsse von Gibbs eingebracht hatte. Das fatale daran war, dass er drauf und dran war, seine Unbefangenheit Ziva gegenüber zu verlieren. Noch konnte er sich hinter seiner Maske verstecken, der Maske des Clowns, des Spaßmachers, der nichts wirklich ernst nahm. Wenn seine Kollegen wüssten…Sie wären vermutlich mehr als verblüfft.

 

   Sein Traum von letzter Nacht fiel ihm wieder ein. Er hatte schon häufiger von Ziva geträumt, aber dieses Mal war es anders gewesen. So leidenschaftlich, so verdammt intensiv, dass er sich nach dem abrupten Aufwachen tatsächlich im ersten Moment nach ihr umgeschaut hatte. Die Bilder liefen wie ein Film noch einmal vor seinem inneren Auge ab. Wie sie beide engumschlungen in seinem Bett gelegen hatten. Wie ihre Münder sich immer wieder hungrig fanden und ihre Zungen einen heißen Tanz vollführten, der sie Minuten später atemlos nach Luft ringen ließ. Wie Ziva´s Atmung immer mehr stoßweise kam und wie sie ihre Fingernägel wie eine Ertrinkende in seinen Rücken gekrallt hatte. Und wie sie sich schließlich auf die Lippen biss, um einen Schrei zu unterdrücken, was ihr allerdings nicht ganz gelungen war. Gepresst hatte sich der Laut der Ekstase seinen Weg ans Tageslicht gesucht. Geschafft und verschwitzt hatten sie hinterher eng aneinandergekuschelt dagelegen und er hatte ihren betörenden Duft eingeatmet – ihn stärker wahrgenommen, als jemals zuvor. Ziva hatte ihn mit einem seltsam verschleierten Blick angesehen, ein sanftes Lächeln auf den Lippen, dann hatte sie sich wohlig gereckt und sich schließlich schweigend wieder in seine Armbeuge geschmiegt. Wie gut sie doch dahin passte, schoss es ihm durch den Kopf. Besser, als jede andere zuvor! Es war ihm fast so vorgekommen, als sei der Platz für diese Frau gemacht!

 

   „Ziva?“, hatte er das Wort ergriffen und sich gewundert, wie rau seine Stimme klang.

     „Hmm“, war die leise gemurmelte Antwort gewesen und sie war ihm vorgekommen, wie eine zufrieden schnurrende Katze.

     „Ich liebe dich“, hatte er leise in ihr Ohr geraunt, während ihm eine Gänsehaut den Rücken herunter lief.

     „Ich weiß.“ Sie drehte leicht den Kopf, gerade so weit, dass sie ihm einen sanften Kuss auf die Lippen hauchen konnte. „Ich weiß“, wiederholte sie und lächelte verträumt.

 

************

 

   Abrupt wurde Tony durch eine Kopfnuss von Gibbs, die seinen Kopf – wie so oft – mal wieder unwillkürlich nach vorne katapultierte, in die Realität zurückgeholt. Verärgert blickte er hoch und wusste nicht, worum es ging und warum er sich mal wieder eine eingefangen hatte. Er warf seinem Boss einen fragenden Blick zu und versuchte, nicht gleichzeitig zu Ziva herüberzuschielen.

     „DiNozzo, schön, dass du uns mal wieder durch deine Anwesenheit beehrst“, kam es leicht zynisch von Jethro.

     „Hey, was soll das?“, protestierte Tony. „Ich war schon lange nicht mehr zu spät.“

     „Ich weiß“, antwortete der Grauhaarige vielsagend und wiederholte damit unbewusst genau die Worte, die Ziva ihm in seiner Vorstellung eben noch gesagt hatte, was Tony kurz ein wenig aus der Bahn warf. Doch er fing sich schnell wieder.

     „Und warum schlägst du mich dann? Ich sitze pünktlich an meinem Schreibtisch – ich habe eine Akte vor mir…“

     „Oh, ja! Das ist dann aber auch schon alles“, konstatierte Gibbs trocken. „Körperlich bist du da, aber geistig…“ Er ließ das Ende des Satzes offen und musterte den Jüngeren so durchdringend aus stahlblauen Augen, dass diesem ganz anders zumute wurde. Prompt kam die befürchtete Frage: „Alles in Ordnung mit dir?“

     „Klar“, antwortete Tony gespielt fröhlich. „Ich hatte `ne harte Nacht, das ist alles.“

     „Verschieb deine harten Nächte auf´s Wochenende“, verlangte Gibbs kurz und verzog sich in Richtung Aufzug, während Ziva, die dem Gespräch aufmerksam gefolgt war, die Augen verdrehte und sich wieder ihrer Akte zuwandte.

     Tony registrierte das sehr wohl und es frustrierte ihn ungemein, dass er nicht dazu imstande war, einfach nur er selbst zu sein. Er hatte sich im Laufe der Jahre so sehr in seine Rolle verrannt, dass er manchmal selber nicht wusste, welcher Tony gerade agierte. Der Schauspieler, der Clown, der allen etwas vormachte und seine wahren Gefühle verbarg, oder der reale, der echte Tony. Er war sogar schon so weit gewesen, sich mit Pennywise, dem Clown aus Stephen King´s ES, zu vergleichen. Nicht, weil er das Böse verkörperte, nein, einfach nur, weil er stets – auch im Kreise seiner allerbesten Freunde, seiner Familie – die Maske des stets gut gelaunten Clowns aufsetzte, der niemanden wissen ließ, was sich unter dieser Maske verbarg. Zu gerne würde er wissen, wie diese Menschen auf den wirklichen Tony reagieren würden. Und doch gab er ihnen keine Chance, ihn kennenzulernen. Warum nur? Hatte er vielleicht Angst verletzt zu werden? Womöglich sollte er einfach mal etwas wagen…Aber hatte er das nicht schon getan? Damals, in Somalia, als er und Ziva sich gefesselt gegenüber saßen und er seiner Kollegin in einem schwachen Moment ehrlich auf ihre Frage geantwortet hatte, warum er dorthin gekommen war. Er hatte ihr gestanden, dass er nicht ohne sie leben konnte. Und sie? Sie hatte ihn nicht ernst genommen. Gut, er hatte sich natürlich wieder das berühmte Hintertürchen aufgelassen und Ziva sein Geständnis mit einem schiefen Lächeln und einem leicht zynischen Unterton serviert…Was zum Teufel erwartete er eigentlich?

Vermutlich war es müßig, darüber nachzudenken. Denn selbst, wenn Ziva sich auch in ihn verlieben sollte – falls sie das überhaupt könnte – gab es da immer noch Regel Nr. 12. Allerdings, tief in seinem Inneren ahnte Tony, dass Gibbs ihnen wahrscheinlich keine Steine in den Weg legen würde – nur war dieses ungeschriebene Gibb´sche Gesetz natürlich eine willkommene Ausrede, nichts zu unternehmen.

     Er bemerkte, dass McGee ihn nachdenklich beobachtete und fauchte: „Stimmt was nicht, McFraggle? Hast du mir vielleicht auch was zu sagen?“

     Er erhielt keine Antwort. Stattdessen tippte sich sein Freund nur vielsagend gegen die Stirn, bevor er zum Telefon griff. Tony seufzte und versuchte, sich auf die Akte auf seinem Tisch zu konzentrieren, als plötzlich ein Schatten vor ihm auftauchte. Unwirsch flog sein Kopf hoch und gerade, als er etwas sagen wollte, erkannte er Ziva, die sich lässig auf seine Schreibtischkante gesetzt hatte und ihn ruhig musterte. Vorsichtig erkundigte sich Tony:

     „Was ist, Zivaaaaa? Kann ich dir irgendwie helfen?“

     „Ich will dir helfen“, antwortete sie ruhig. „Du benimmst dich, als wärst du im Klimakterium.“

     Am Nebentisch verschluckte sich McGee und beendete hastig sein Telefonat. Gespannt blickte er zu ihnen rüber und es war gut sichtbar für jeden, dass er Mühe hatte, sich zu beherrschen.

     „Meine liebe Zivaaaaa. Männer kommen nicht ins Klimakterium“, erklärte er gönnerhaft. „Aber du scheinst die Symptome ja gut zu kennen“, setzte er dann hinzu und wartete gespannt auf ihre Reaktion. So sehr er sich seine Träume auch herbeisehnte, so sehr liebte er aber auch die ständigen Kabbeleien mit seiner Traumfrau.

     „Du anscheinend schon“, konterte Ziva prompt und stoppte ihn, als er aufbegehren wollte, mit einer schnellen Handbewegung. „Hör zu, lassen wir das. Ich habe jetzt keine Lust mit dir zu streiten. Was hältst du von einem DVD-Abend? Ich besorge das Popcorn und du die Filme. Das haben wir lange nicht mehr gemacht und du scheinst etwas Entspannung nötig zu haben.“

     Tony war überrascht, ließ es sich aber nicht anmerken. Was las er da in ihrem Gesicht? Wollte sie ihn vielleicht hochnehmen? Nein, so wirkte sie eigentlich nicht. Im Gegenteil, war das etwa Hoffnung, dass sich da in ihren Augen spiegelte. Wie so oft war er sich nicht sicher und wie so oft antwortete sein Mund schneller, als sein Hirn arbeitete.

     „Nette Idee, Ziva, aber leider, leider…Mein Date von gestern Abend…du weißt schon, die mit der ich die harte Nacht hatte – was soll ich sagen…sie brennt auf eine Wiederholung.“

     Tony sah, wie das Funkeln in Ziva´s Augen erlosch. Sie erhob sich von seinem Tisch und stand nun in ihrer typischen geraden Haltung eines Soldaten vor ihm. „Oh. Na dann.“ Sie wandte sich ab und ging mit schnellen Schritten in Richtung Waschraum davon.“

     DiNozzo hatte Mühe, seine Gesichtszüge nicht entgleisen zu lassen. Immerhin saß Tim noch in Sichtweite. Warum hatte er das getan? Warum zum Teufel reagierte er immer so? Warum musste er sich immer selber alles kaputt machen? Ziva war auf ihn zugekommen – warum hatte er nicht einfach nur `Ja´ sagen können? Es wäre eine Chance gewesen. Eine winzige Chance, dass seine Träume vielleicht doch Realität werden könnten. Es hätte ein Anfang werden können und er hatte es sich mal wieder selbst versaut! Doch vielleicht konnte er es ja noch geradebiegen. Vielleicht! Wenn er handelte! Jetzt! Sofort! Ehe Tony sich selbst eine Chance gab, nachdenken zu können, sprang er von seinem Stuhl auf.

     „Ziva?“

     An der Aufzugtür angekommen drehte seine Traumfrau sich um. „Was noch?“

     „Ich…äh…ich dachte nur vielleicht könnten wir das ja verschieben…auf ein anderes Mal?“

     Ein kleines spöttisches Lächeln spielte um ihre Lippen: „Sicher.“ Das war alles, was sie sagte, bevor sie im Aufzug verschwand und sich die Türen hinter ihr schlossen.

 

   Schwer ließ sich Tony zurück auf seinen Stuhl fallen. `Sicher`. Das konnte viel bedeuten. Na ja, es war immerhin besser als ein `Nein´, tröstete er sich. Aber irgendwie ließ ihn das Gefühl nicht los, dass es nicht gut gelaufen war. Mal wieder! Ob er wohl jemals dazu imstande sein würde, den Clown in die Wüste zu schicken?

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Masticating Juicer (Mittwoch, 17 April 2013 21:34)

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